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Neue Sendezeit

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 2/2017
Onlinehandel beflügelt das Transportwesen: Der intensive Wettbewerb am Paketmarkt erfordert daher innovative Serviceleistungen. © Pixabay

Jährlich werden 720 Millionen Pakete auf Europareise geschickt. Die ­Einnahmen pro Sendung befinden sich jedoch im Sinkflug ...

... und machen Last-Mile-Logistik, ­Zusatzdienste oder autonome Liefersysteme zu künftigen Erfolgsfaktoren.

Der europäische Markt für internationale Kurier-, Express- und Paketdienste ist 2016 deutlich gewachsen. Mittlerweile werden jährlich 720 Millionen Sendungen verschickt, bis 2019 erwarten wir sogar 908 Millionen. Die Erholung der europäischen Wirtschaft und die Tendenz zu E-Commerce füllen die Auftragsbücher“, so Ferry Salehi, Partner in der Logistik- und Transportsparte bei A.T. Kearney. Die Unternehmensberatung analysiert Umsatzsteigerungen von fünf Prozent auf 16,2 Milliarden Euro und eine zehnprozentige Zunahme der Sendungen. Im Rahmen einer globalen Studie wurde der internationale Kurier-, Express- und Paketmarkt (KEP) analysiert. Auf Basis von mehr als 500 Interviews mit Industrieexperten gibt die Studie einen detaillierten Lagebericht, benennt Trends und Potenziale für die Zukunft. Für den europäischen Markt wurden 13 Länder beleuchtet und die Ergebnisse in dem Bericht „Europe’s International CEP Market: Solid Growth With Challenges Ahead“ zusammengefasst.

Internationale Sendungen nehmen zu
Die Europäer verschicken immer häufiger international – in Deutschland etwa sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Vor allem osteuropäische Länder holen auf: Polen, Rumänien und Tschechien erreichen mit einem Plus von 31, 19 bzw. 14 Prozent Spitzenwerte. Doch auch die fünf größten Märkte (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Niederlande) sind weiterhin auf Wachstumskurs und ­freuen sich über Zunahmen von zehn bis 15 Prozent. Damit transportieren sie fünfmal mehr Sendungen als die restlichen acht untersuchten Länder zusammen.
Damit diese Entwicklung weitergeht, sollten Unternehmen derzeitige Trends im Blick behalten: Das Geschäft mit Privatkunden wächst dank der Beliebtheit von Onlineshopping stärker als B2B. Jedoch machen den Unternehmen sinkende Einnahmen pro Sendung zu schaffen (minus fünf Prozent für Standardsendungen, minus zwei Prozent für Expresssendungen). „Immer mehr leichte Pakete, fallende Kraftstoffpreise und der Trend zu Transporten innerhalb Europas drücken die Einnahmen pro einzelne Sendung nach unten“, warnt Jan Matuska, Manager und Transportexperte bei A.T. Kearney.

Paket-boom bringt neue Herausforderungen mit sich
1. Last-Mile-Logistik: Mit der neuen Bedeutung von Onlineshopping werden innovative Konzepte für die letzten Meter der Lieferung bis zur Haustür immer wichtiger. Kosten pro Stopp müssen durch höhere Frequenzen gesenkt sowie profitablere Lösungen für E-Commerce-Sendungen gefunden werden. Ein neuer State of the Art für die letzten Meter soll Neukunden anziehen.
2. Kostenmanagement: Viele Kunden sind nicht bereit, höhere Grundpreise für Dienstleistungen zu bezahlen. Europäische KEP-Unternehmen müssen sich daher mittelfristig darauf einstellen, Zuschläge zu erheben – wie beispielsweise zu Hochphasen wie Weihnachten.
3. Neue Produkte und Services werden zum Alleinstellungsmerkmal: Mit zunehmender Kommodifizierung von Transportprozessen werden zusätzliche Angebote wie Versicherung oder Zollzahlungen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Neben neuen Services sind auch maßgeschneidert E-Commerce-Produkte mit Einheitspreisen von zentraler Bedeutung.

Heimisches Paketvolumen kaum aufzuhalten
Auch die Entwicklungsfähigkeit des heimischen Paketmarkts wurde im letzten Jahr auf eindrucksvolle Weise unter Beweis gestellt. Denn wenngleich sich der Markt ob seines Alters bereits in der Reifephase befinden sollte, wuchs die  Anzahl der transportierten Pakete, laut dem „BRANCHEN­RADAR KEP-Dienste in Österreich 2017“ der KREUTZER FISCHER & PARTNER Consulting GmbH, um nahezu 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf nunmehr 181,9 Millionen Stück.
Hinter dem massiven Anstieg des Paketvolumens im Jahr 2016 stand im Prinzip allerdings nur ein Treiber: das B2C-Geschäft. Denn während der B2B-Markt absatzseitig nur moderat um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegte, hob das B2C-/C2C-Geschäft förmlich ab. Im Vergleich zu 2015 wurden um fast 35 Prozent mehr Pakete transportiert, obgleich der C2C-Markt mit rund zehn Millionen Paketen stagnierte.
Für den gewaltigen Zuwachs des B2C-Markts gibt es zwei Erklärungen. Zum einen war ein deutlicher Anstieg an Teillieferungen bei Onlineeinkäufen festzumachen. Im Jahr 2015 wurden circa 32 Prozent aller Bestellungen im Distanzhandel als Teillieferung distribuiert. Im Berichtsjahr erhöhte sich der Anteil auf rund 36 Prozent. Grund: Um die Logistikkosten zu optimieren, straffen immer mehr Distanzhändler die Lagerkapazitäten. Weniger ­gängige Artikel werden just in time vom Lieferanten geordert oder von anderen Logistikzentralen, wo der Artikel verfügbar ist, versendet. Bei Bestellungen, die sowohl lagernde als auch vom Händler noch zu bestellende Artikel beinhalten, wird dem Kunden daher oftmals – ohne Aufpreis – angeboten, die Lieferung zu teilen, indem die verfügbaren Artikel sofort versandt werden und der Rest nachgeliefert wird. Dazu kommen noch die Teillieferungen von anderen Lagern.

Mehr Teillieferungen und ein Drittel mehr Bestellungen
Zum anderen wuchs die Anzahl an Bestellungen, speziell im Onlinehandel, substanziell. Im Vergleich zu 2015 ­erhöhte sich die Anzahl der Käufe (Bestellungen) im Distanzhandel um rund 32 Prozent oder 10,1 Millionen Kaufakte. Bezogen auf die Öffnungstage des stationären Einzelhandels sind das Tag für Tag 33.700 Einkäufe. Und diese Mehreinkäufe waren nicht auf die Erschließung neuer Käuferschichten zurückzuführen, sondern praktisch zur Gänze auf eine steigende Kauffrequenz. Denn der Anteil der Internetkäufer stagnierte im letzten Jahr bei 58 Prozent (zumindest ein Einkauf in den letzten zwölf Monaten).
„Es hat den Anschein, als beginne der stationäre Einzelhandel, in manchen Warengruppen ganze Zielgruppensegmente an den E-Commerce-Sektor zu verlieren, etwa bei Medienprodukten, Elektronik oder auch bei Be­kleidung“, so Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von KREUTZER FISCHER & PARTNER (KFP). Denn ein Ende des Booms beim Onlineshopping ist nicht auszumachen. Für das laufende Jahr prognostiziert der „BRANCHENRADAR“ ein Paketwachstum von 20, 2018 von 15 Prozent.

Roboter oder Drohne – hat der Postmann ausgedient?
Verstopfte Straßen, steigende Emissionen und fehlende Parkmöglichkeiten – für viele Städte wird die Verkehrssituation immer schwieriger. Ein Grund dafür ist der wachsende Zulieferverkehr. Experten arbeiten fieberhaft und mit viel Kreativität an neuen Konzepten, um die Situation nachhaltig zu lösen. Auf der diesjährigen Internet-World-Messe waren das Thema E-Commerce und die dadurch entstehenden Herausforderungen für urbane Logistik das Thema der Stunde.
Eine der populärsten und gleichzeitig umstrittensten Zustelloptionen ist die Paketdrohne, die Onlineriese Amazon 2013 erstmals vorstellte. Zunächst als verrückte Idee belächelt, experimentieren heute nahezu alle großen Logistikunternehmen mit der Belieferung per Drohne. „Ich bin überzeugt, dass die Drohne kommen wird“, ist sich Peer Bentzen, Executive Vice President Business Development bei der Deutsche Post DHL Group, sicher. Etwas ­skeptischer zeigt sich Michael Löhr, Geschäftsführer der tiramizoo GmbH, ein Anbieter von taggleichen Zustelldiensten in großen europäischen Metropolen: „Zwar glaube ich mittlerweile, dass man Drohnen für bestimmte Nischenanwendungen wie z. B. Inselversorgung sinnvoll einsetzen wird, an einen breiten Masseneinsatz glaube ich allerdings nicht.“ Ähnlich sieht das Frank Rausch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hermes Germany GmbH. Aus seiner Sicht verhindern vor allem die aktuelle Gesetzeslage in Deutschland und die bestehenden Sicherheitsrisiken einen baldigen Einsatz der Drohne: „Aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen hierzulande gehen wir bei Hermes nicht davon aus, dass autonom fliegende Drohnen in absehbarer Zeit für die Distribution im Massengeschäft eingesetzt werden können.“ Inzwischen hat Amazon seine Drohnenidee stetig weiterentwickelt und plant aktuell, zeppelinähnliche Luftschiffe in einer Höhe von etwa 14.000 Metern zu parken, um von dort mit kleinen Drohnen Pakete auszuliefern.
Von vielen Experten als realistischer eingestuft, kon­zentrieren sich Zustellfirmen wie Hermes oder DPD in Deutschland daher auf bodengestützte Lieferroboter. So testet z. B. Hermes Logistik seit Sommer 2016 in drei Hamburger Stadtteilen die Zustellung von Paketen durch Transportroboter der Marke Starship Technologies. Zwar handelt es sich auch hierbei noch um ­Zukunfts­technologie, doch auch das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik sagt in seiner aktuellen ZF-Zukunftsstudie zum Thema „Letzte Meile“, dass „autonom fahrende Zustellroboter in wenigen Jahren sowohl in Metropolen als auch in ländlichen Regionen zum Alltag gehören werden“.

Nachtzustellung und Elektrofahrzeuge als zeitnahe Lösung
Es gibt aber nicht nur Drohnen und Zustellroboter im bunten Ideenpool der Logistikbranche. Weit weniger exotisch und damit schneller umsetzbar sind Pläne, die die Umstrukturierung des Lieferverkehrs und die Flotte selbst betreffen. Auch flexiblere Lieferoptionen, die erfolglose Zustellungen verhindern sollen, tragen zur Entlastung der Städte bei. „Immer mehr Menschen wollen Waren möglichst zeitnah erhalten und sich den Liefertermin selbst aussuchen“, erklärt Nils Fischer, Geschäftsführer der Same-Day-Delivery-Plattform Liefery. „Händler haben erkannt, dass sie ihren Kunden flexible Lieferoptionen bieten müssen. Entsprechend steigt der Druck auf die gesamte Logistikbranche, diese Lösungen auch anzubieten.“ Dass auch kleine Innovationen abseits von Drohnen und Robotern wichtig für die Branche sind, glaubt auch Peer Brentzen: „Heute gilt die Formel ‚Schnelle Innovationen schlagen die langsamen‘ und viel weniger ‚Große Innovationen schlagen die kleinen‘!“
Als wei­teren Schritt für verkehrsberuhigtere Städte denken Logistiker, Wissenschaftler und Stadtplaner darüber nach, die innerstädtischen Verkehrsströme zeitlich und räumlich zu verlagern. So könnten Zulieferverkehre beispielsweise in die Nacht oder den frühen Morgen verlegt werden, wenn Straßen ohnehin frei sind. Auch die Bündelung von Transporten soll die Verkehrssituation in den Städten zukünftig entschärfen, weil sie die Anzahl der Fahrten reduzieren würden. Um das Problem von steigenden Emissionen in Form von Abgasen und Lärm in den Griff zu be­kommen, wollen Transportdienstleister zudem vermehrt alternative und damit emissionsfreie Antriebe einsetzen. Vorreiter ist hier der Paketdienstleister DHL, der mit seinem selbst entwickelten, elektrobetriebenen Kleinfahrzeug Streetscooter bereits die Umsetzbarkeit eines solchen Ansatzes bewiesen hat. Alternativ könnten Lieferdienste für die ­Zustellung auf der „letzten Meile“ auch Lastenfahrräder verwenden. (BO)

INFO-BOX
Immer mehr Österreicher versenden Pakete oder retournieren bestellte Waren
Acht von zehn Österreichern versenden Pakete, wobei zwei von drei regelmäßig (zumindest einmal im Jahr) die Dienste eines Paketdienstleisters in Anspruch nehmen. 18 Prozent geben zumindest einmal pro Monat ein Paket zum Versand auf, jeder Dritte zumindest einmal im Quartal. Der Paketversand ist geschlechtsspezifisch nicht unterschiedlich, er korreliert aber mit dem Alter: Während fast 90 Prozent der unter 30-Jährigen Pakete versenden, tun dies „nur“ 67 Prozent der über 60-Jährigen. Jüngere Menschen versenden auch häufiger Pakete. (Quelle: MAKAM Research)