Keinerlei Berührungsängste

NEW BUSINESS Guides - AUTOMATION GUIDE 2017
Bei industriellen Anwendungen wie etwa der Automatisierungstechnik, der Medizintechnik, aber auch bei ­Automatensystemen oder Informationsterminals kommen Touchscreens immer häufiger zum Einsatz. © Freepik

Touch-Systeme erobern den industriellen Alltag

Grafische Bedienoberflächen über ein Display sind in der Unterhaltungselektronik längst selbstverständlich geworden. Die Technologie dahinter erschließt neue und einfache Bedienkonzepte auch für industrielle Einsatzgebiete.

Die jüngere Generation kann sich kaum noch eine andere Art der Bedienung elektronischer Geräte vorstellen, und mancher Benutzer fragt sich wahrscheinlich, wie die Gerätebedienung in der Pre-Touch-Ära überhaupt funktioniert haben kann. Der Touchscreen ist aber viel mehr als ein kurzzeitiger Consumer-Hype, sondern signalisiert einen fundamentalen Wandel in der Art und Weise, wie Menschen mit den Geräten kommunizieren.

Wie alles begann …
Der Grundstein zur Touch-Technologie wurde durch Samuel Hurst gelegt, der im Jahr 1971 an der Kentucky-Universität ein Verfahren zur Bestimmung von Koordinaten mithilfe elektro­grafischer Sensoren, kurz Elograph, entwickelte. Aus dieser Entwicklung resultierte im Jahr 1974 der erste kommerzielle, auf der resistiven Technik basierende Touchscreen.
Im Jahr 1993 stellten Apple und IBM erste PCs mit Touch-Bedienung vor, und sogar ein Smartphone war damals schon erhältlich. Trotzdem fristete die Touch-Eingabe lange Zeit ein Nischendasein, und es sollten noch rund 15 Jahre vergehen, bis die Technik im Jahr 2007 mit dem ersten iPhone von Apple den Durchbruch im Consumer-Bereich schaffte. In der Industrie allerdings dauerte es noch etliche Jahre, bevor circa 2014 – getrieben durch die Benutzer – ein eigentlicher Nachfrageboom einsetzte.
Die Touch-Eingabe wird nicht zuletzt durch die Art der Informationsdarstellung begünstigt. In den Anfängen des Elektronikzeitalters wurden Informationen vorwiegend eindimensional, also punkt- oder bestenfalls zeilenweise, dargestellt. Es war somit völlig ausreichend, nach oben und unten zu scrollen. Das Aufkommen der grafischen Darstellung erforderte hingegen eine zweidimensionale Bedienung, bei der zum Auslösen einer bestimmten Funktion eine X/Y-Koordinate ausgewählt werden muss. Die moderne Touch-Technologie, unterstützt durch geeignete Software, ermöglicht dabei eine sehr direkte und intuitive Bedienung, indem man einfach auf das entsprechende Symbol tippt, welches die gewünschte Funktion repräsentiert. Ein wesentlicher Nachteil ist allerdings das fehlende haptische Feedback, welches für gewisse Appli­kationen wünschenswert ist. Echte Vielschreiber beispielsweise können sich noch kaum mit einer virtuellen Tastatur anfreunden. So gibt es auch zahl­reiche mehr oder weniger kreative ­Ansätze, um die Haptik einer „echten“ Taste nachzubilden.

Was kommt als Nächstes?
Sicher ist auch die Touch-Bedienung nicht das Ende, sondern lediglich eine weitere Stufe in der Entwicklung. Wie wir in zehn Jahren unsere Geräte bedienen werden, kann heute niemand sagen, nur eines ist sicher: Unsere Zukunft ist multime­dial, und Hersteller, die diesen Trend missachten, werden langfristig kaum überleben.
Zweifellos wird auch die dritte Dimension zunehmend populärer. Was in der Gaming-Industrie seit Kinect von Microsoft schon längst eine Selbstverständlichkeit ist, wird auch Einzug in unseren Alltag halten. Wenn in Zukunft die Bilddarstellung dreidimensional ist, wird das auch die Bedientechnik entsprechend beeinflussen. Datenbrillen oder Smart Glasses wie Google Glass, HoloLens (Microsoft) etc. werden dereinst so selbstverständlich benutzt werden wie heute das Smartphone.

Hygienische Bedienung
Stetig steigende Hygieneanforderungen und die zunehmende Automatisierung haben in den letzten Jahren für deutliche Veränderungen bei Produktionsanlagen gesorgt. Hightech ist mittlerweile nicht mehr die Ausnahme, sondern in vielen Unternehmen Standard. Damit die Spitzentechnik aber auch hygienisch einwandfrei ist, müssen Komponenten und komplette Systeme einfach zu reinigen sein und dabei ihre Funktionalität ­behalten. Hinzu kommt noch die zuverlässige Bedienbarkeit, die auch bei dem Einsatz von Handschuhen sowie in rauen Umgebungen gewährleistet sein muss. Zu dieser Spitzentechnik zählen Eingabesysteme, die auf die Bedürfnisse der Lebensmittel- und Getränkeindustrie angepasst sind. Moderne Produktionsanlagen sind ohne PC-basierte Steuerung heute kaum noch vorstellbar. Die Bedienung der komplexen Maschinen soll dabei aber einfach und intuitiv erfolgen, damit sich der Bediener, der in der Regel kein IT-Experte ist, der eigentlichen Aufgabe widmen kann.

Ohne Ritzen und Fugen
Grundvoraussetzung für den Einsatz in der Nahrungsmittelindustrie ist Hygiene und somit eine optimale Reinigbarkeit. Dazu müssen Oberflächen möglichst spaltfrei sein, damit sich Mikroorga­nismen nicht festsetzen können. Zudem ist es zwingend erforderlich, dass Anlagen und Komponenten eine hohe Resistenz gegenüber gängigen Reinigungsmitteln aufweisen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, fertigt der Spezialist branchenspezifische Eingabesysteme vorzugsweise mit fugenlosen Fronten in Folien- oder Touch-Technik und mit Gehäusen aus Edelstahl.
Folientastaturen zeichnen sich durch ihre geschlossene Oberfläche und eine hohe Beständigkeit gegen jegliche Arten von Flüssigkeiten aus. Außerdem ist die Tastenbetätigung haptisch fühlbar, wodurch sich eine fehlerhafte Auslösung oder Eingabe weitgehend vermeiden lässt. Touch-Systeme erobern aber auch in der Industrie zunehmend den Markt. Während klassische Touchscreens bei der Bedienfront vorwiegend auf Glas setzen, kommt in der Lebensmittelindustrie auch Polycarbonat (PC) zum Einsatz. Die Oberflächenhärte von PC ist zwar geringer als die von Glas, die hohe Schlagzähigkeit des Materials verhindert aber bei einer Beschädigung die Bildung von Splittern, was in der Lebensmittelindustrie ein essenzieller Vorteil ist.

Optical Bonding
Üblicherweise befindet sich zwischen einer Filterscheibe oder einem Touchscreen und dem dahinter liegenden Display ein Luftspalt. Dieser führt dazu, dass das Bild an Brillanz verliert und störende Reflexionen entstehen können. Das Bonding füllt den Luftspalt mit einem hochwertigen, transparenten Kleber vollständig aus. Dadurch lassen sich Reflexionen, die durch Lichtbrechung entstehen, deutlich reduzieren und damit die optischen Eigenschaften verbessern.

Kundenspezifische Eingabefronten
Als Pionier der Folientastatur und Marktführer für komplexe Eingabeeinheiten entwickelt und produziert die Hoffmann + Krippner GmbH kunden­spezifische Eingabefronten in Folien oder Touch-Technik, von der Elektronik mit embedded-Rechner und Schnittstellen bis zum Trägerteil und Gehäuse aus Kunststoff oder Edelstahl. Dennoch bleiben die Kunden frei in der Entscheidung, welchen Leistungsumfang sie beziehen und wie viel Eigenleistung sie selbst einbringen wollen oder können. Die Vorteile einer Komplettlösung liegen in einem einzigen Ansprechpartner, der verschiedene, aufeinander abgestimmte Komponenten liefert. Das erhöht die Sicherheit bei komplexen Projekten und vereinfacht die Kommunikation.

Neuartige Objekterkennung für kapazitive ­Multitouch-Displays
Das Arbeiten mit Objekten auf Touch-Displays kann schwierig sein. Die Fehlerquote ist hoch, störende Gegenstände werden häufig irrtümlicherweise als Objekt wahrgenommen und führen zu Fehlanwendungen. Eine neuartige Hardware in Verbindung mit kapazitiven 3M-Multitouch-Displays soll diesem Problem ein Ende bereiten.
Die interactive scape GmbH aus Berlin hat für 3M-Displays eine Objekterkennung (Tangible Object Recognition) entwickelt. Durch einfaches Aufsetzen eines physischen Objekts auf den Multitouch-Tisch sind sofort alle Informationen verfügbar. Integriert in ein interaktives Möbelstück mit einem 55 Zoll großen, 4K/UHD-aufgelösten Multitouch-Display mit der leistungsstarken Metal-Mesh-Technologie von 3M eröffnet die Objekterkennung somit vollkommen neue Anwendungsfelder.
„Objekterkennung ist stets ein Garant dafür, mit Produkten oder Serviceangeboten zu faszinieren, und bildet somit den optimalen Eisbrecher für den Kundenkontakt“, sagt Markus Meier aus dem 3M-Produktmanagement. Gleichzeitig wird Plug & Play von Multitouch-Interaktivität immer mehr zum Standard. Auf Basis der Technologien von 3M und interactive scape kann eine Objekterkennung angeboten werden, die ohne Set-up, ohne jegliche Kalibrierung und in allen Lichtumgebungen funktioniert. Das Multitouch-Display des scape Pro 55 UHD erkennt bis zu zehn unterschiedliche Objekte. Zu den Einsatzgebieten für diese Technologie zählen der Handel, Unternehmen, Messen, die Unterhaltung oder Museen. (BO)