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Auf grünen Pfaden

NEW BUSINESS Innovations - NR. 04, MAI 2017
Die Umwelttechnikbranche ist in Österreich sehr breit aufgestellt. © Fotolia/luigi giordano

Der Bereich der Umwelttechnik wächst weltweit. Grüne Technologien helfen dabei nicht nur, das gesellschaftliche Gewissen zu beruhigen ...

... sondern sind mittlerweile auch ein wichtiger Zweig der Wirtschaft geworden.

Erst kürzlich fiel der Startschuss für die Serienproduktion des ersten österreichischen Elektronutzfahrzeuges. Der „ELI“ benannte Kleinlaster von SFL Technologies ist speziell für Gemeinden entwickelt, komplett elektrisch und damit gänzlich emissionsfrei. Der Kleinlaster wurde mit einem Hochleistungsbatteriesystem ausgestattet, welches auf Lithium-Eisenphosphat-Technologie basiert. Damit schaffe ELI laut dem Hersteller nicht nur „mühelos alle Aufgaben im Bereich Transport, Grünflächenpflege oder Müllentsorgung“, auch ein Einsatz in Skigebieten, der Hüttenbewirtschaftung oder gar der Wartung von alpinen Windparks sei mit „ELI-Multitrack“ kein Problem. Multitrack ist ein mit Raupenmodulen adaptiertes System mit Allradantrieb und Sperrdifferentialen, dessen Stärke der Einsatz im tiefen Schnee sei. Durch den rein elektrischen Antrieb sei es möglich – vollkommen CO2-neutral – in Gebiete vorzudringen, „in die es bislang nur Verbrenner schafften“.
Einem interdisziplinären Team von Wissenschaftlern unter Federführung des Instituts für Physik der Montanuniversität Leoben und unter Beteiligung der Technischen Universität Graz, der Universität Wien und des Instituts für Neue Materialien in Saarbrücken ist es indes gelungen, eine Technik zu entwickeln, um die Vorgänge innerhalb von Kondensatoren besser zu untersuchen und damit die Leistung zu optimieren. Die verstärkte Nutzung von alternativen Energiequellen sowie die steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen hätten einen enormen Forschungsfortschritt im Bereich von Energiespeichern ausgelöst. Insbesondere Superkondensatoren würden als zukunftsträchtige Ergänzungen zu herkömmlichen Akkus gelten. Das Geheimnis von Superkondensatoren seien die im Inneren befindlichen Elektroden aus hochporösem Kunststoff. Diese würden es ermöglichen, besonders viel Energie zu speichern.

Vorgänge auf atomarer Ebene untersucht
Wird Kochsalz in Wasser gelöst, dann entstehen Ionen, also positiv und negativ geladene Atome. Beim Anlegen einer elektrischen Spannung bewegen sich diese zu entgegengesetzt geladenen Elektroden und speichern dadurch elektrische Energie. Dieser Vorgang entspreche dem Prozess beim Laden eines Superkondensators. Die Ionen würden sich dabei in den winzigen, mit Wassermolekülen gefüllten Poren der Kohlenstoffelektroden bewegen. Die Poren seien nicht viel größer als ein, zwei Ionendurchmesser und in einem komplexen Netzwerk miteinander verbunden. In einer derartig beengten Umgebung lasse sich zwar besonders viel elektrische Energie speichern, der Transport und somit die Geschwindigkeit des Ladens und Entladens könne aber aufgrund gegenseitiger Behinderung der Ionen, ähnlich einem Verkehrsstau, eingeschränkt werden. Das Forscher-Team hat nun neue Wege zum besseren Verständnis dieser Phänomene aufgezeigt. Mit einer Kombination aus Röntgenstreuexperimenten und atomistischen Computersimulationen konnten die beschriebenen Vorgänge erstmals auf atomarer Ebene sichtbar gemacht und neue Möglichkeiten hin zu optimierten Elektrodenmaterialien aufgezeigt werden. Die effiziente und schnelle Speicherung von elektrischer Energie spiele die entscheidende Rolle für eine nachhaltige Energieversorgung, basierend auf grünen Technologien. Dies treffe sowohl für neue Formen der Energieerzeugung als auch für die E-Mobilität oder die Mikroelektronik zu. Superkondensatoren seien moderne Energiespeicher, welche im Vergleich zu Batterien viel schneller und öfter ge- und entladen werden können. E-Busse, Flugzeugtüren oder Systeme zur Bremsenergie-Rückgewinnung würden bereits heute mit dieser ultraschnellen Speichertechnologie funktionieren. Obwohl im prinzipiellen Aufbau einer Batterie nicht unähnlich, basiere die Speicherung der elektrischen Energie auf einem rein physikalischen Prinzip. Positive und negative Ladungsträger ziehen sich an der Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt elektrostatisch an und ermöglichen so die Speicherung von elektrischer Energie. Um möglichst viel Energie zu speichern, bestünden Elektroden von Superkondensatoren daher aus hochporösem Kohlenstoff, welcher pro Gramm des Materials eine große Oberfläche von mehreren Tausend Quadratmetern aufweise. Die winzigen Poren innerhalb des Kohlenstoffs seien dabei mit weniger als einem Millionstel Millimeter kaum größer als die Ionen selbst.

Pro Sekunde ein Bild
Für ihren völlig neuen experimentellen Ansatz nutzten die Leobener Forscher die hochintensive Röntgenstrahlung der TU Graz Beamline am Synchrotron ELETTRA in Triest. Um auf die Vorgänge im Inneren des Elektrodenmaterials in situ, das heißt, während des Ladens und Entladens des Superkondensators, zu blicken, wurde jede Sekunde ein Bild der an den Atomen und Molekülen gestreuten Röntgenstrahlen aufgenommen. „Der Informationsgehalt solcher Daten ist viel höher als bei einfachen elektrochemischen Experimenten. Aufgrund der Komplexität des Systems gestaltet sich deren Interpretation jedoch als äußerst schwierig. Daher haben wir eine neue Methode entwickelt, bei der mithilfe einer atomistischen Simulation die gemessenen Daten quantitativ erklärt werden. Wir sind somit in der Lage, die Positionen der Ionen innerhalb der komplexen Porengeometrie live, während des Lade- und Entladevorgangs, zu verfolgen“, erläutert Christian Prehal, der das vom Österreichischen Klima- und Energiefonds geförderte Projekt als Dissertant am Institut für Physik der Montanuniversität Leoben bearbeitet. Mithilfe der neuen Methode zur Datenanalyse konnte der grundlegende Mechanismus der ionischen Ladungsspeicherung erstmals experimentell verifiziert werden. Dabei erfolge die Ladungsspeicherung gerade dort am effektivsten, wo eine Pore dem Ion eigentlich am wenigsten Platz bietet. Wassermoleküle, die jedes Ion in wässriger Lösung normalerweise „mit sich schleppt“, würden abgestreift, um auch in den allerkleinsten Poren Platz zu finden. Dadurch können Voraussagen über Werkstoffe mit optimaler Porengeometrie für die Anwendung als Superkondensatorelektrode getroffen werden. „Obwohl Lithium-Ionen-Akkus höhere Energiedichten aufweisen, stellen Superkondensatoren überall dort eine echte Alternative dar, wo besonders hohe Leistungen, d. h., extrem kurze Lade- und Entladezeiten gefragt sind. Die neu entwickelte Mess- und Analysemethode sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse könnten mittelfristig auch für eine Vielzahl verwandter Technologien, wie etwa die kapazitive Meerwasserentsalzung oder für Batterien, von großer Bedeutung sein“, unterstreicht Oskar Paris vom Institut für Physik der Montanuniversität Leoben. „Außerdem muss betont werden, dass die entwickelten Methoden ohne die Möglichkeit der Nutzung internationaler Großforschungsanlagen wie ELETTRA in Triest oder die Europäische Synchrotronquelle ESRF in Grenoble, sowie ohne den Einsatz von Großrechenanlagen wie dem HPC-Cluster in Leoben gar nicht möglich wären. Wir und viele andere Forscher in Österreich nutzen die einzigartigen Möglichkeiten dieser Großforschungsanlagen, um gesellschaftlich relevante Themen wie Energie, Mobilität oder Gesundheit voranzubringen.“ (TM)
www.elitransport.at
www.unileoben.ac.at
www.leibniz-inm.de
www.ac.tugraz.at
www.univie.ac.at
www.greentech.at