Digitale Vernetzung

NEW BUSINESS Innovations - NR. 06, JULI/AUGUST 2017
Gerade im Arbeitsalltag zahlt es sich heute aus, wenn Prozesse auch ohne zusätzlichen Programmier­aufwand schnell anpassbar sind. © Fotolia/ putilov_denis

In Zeiten von Cloud und Co. werden die Kosten immer mehr zum Erfolgsfaktor für klassische ERP-Anbieter ...

... Denn Kunden sind heute nicht mehr ­bereit, ­Unsummen in proprietäre Softwarelandschaften zu investieren, wenn die günstige Alternative nur einen Klick weit entfernt lockt.

Sind heutige Enterprise-Resource-Planning(ERP)-Systeme gut gewappnet für die aktuellen Herausforderungen der digitalen Vernetzung von Unternehmensprozessen? Dies fragen sich aktuell zahlreiche Produktions- und Dienstleistungsunternehmen, die vor der Anschaffung einer neuen IT-Lösung stehen. Grund genug für die GPS Gesellschaft zur Prüfung von Software mbH – getreu der Qualitätsprüfung DIN EN ISO 8402 –, sich mit dem „ERP Excellence Test 2017“ diesem Thema zu widmen. Die ERP-Experten haben hierzu die Lösungen von zehn freiwillig teilnehmenden ERP-Anbietern im Rahmen eines konkreten Szenarios praxisnahen Tests unterzogen.
Bis in die jeweiligen Unterprozesse analysierte GPS dabei laut Gründer Werner Schmid die ERP-Lösungen mithilfe von acht unterschiedlichen realistischen Szenarien – Kundenprofile und -betreuung, Individualisierung am Web-Konfigurator, Kundenauftrag und -bestätigung, Disposition, Komponentenbeschaffung und -lieferung, Fertigungssteuerung, Service-Call des Kunden und Reparatur sowie Messung und Auswertung der Produktnutzung beim Kunden. Seit 25 Jahren blicken die Experten der GPS im Abstand von drei Jahren kritisch auf ERP-Systeme und untersuchen sie im Hinblick auf aktuelle Erfordernisse von Unternehmen.

Realitätsnahes Testszenario
Für den diesjährigen Test entwarf GPS ein anspruchsvolles Testszenario, das von allen teilnehmenden ERP-Systemen abgebildet und realitätsnah umgesetzt werden musste: Ein Kunde bestellt einen Gasgrill. Hierzu individualisiert er das Standardprodukt „Gasgrill“ im Internet mit einem Web-Konfigurator. Die individuellen Produktmerkmale werden über Schnittstellen an das ERP-System übertragen. Dabei entstehen eine individuelle Stückliste sowie ein entsprechender Arbeitsplan. Der fiktive Hersteller des Gasgrills verfügt über eine digital gesteuerte Ablängmaschine und einen Schweißroboter. Das Untergestell des Grills ist ebenso ein Zulieferteil wie die Abdeckhaube, die nach der Lieferung bei einem externen Dienstleister in drei Standardfarben lackiert wird. Im elektrischen Drehspieß ist ein seriennummerngeführter Sensor eingebaut, der Nutzungsdaten zur Produktverbesserung über das WLAN des Nutzers und das Internet an den Hersteller sendet.
Die IT-Spezialisten der GPS nahmen dieses Jahr nur ERP-Lösungen unter die Lupe, denen gemeinsam ist, dass alle ein integriertes Rechnungswesen bieten („APplus“, „AvERP“, „caniasERP 6.04“, „Comarch ERP Enterprise 5.4“, „e.bootis-ERP“, „IFS Applications 9“, „Integra 2.2.8“, „Microsoft Dynamics 365 for Operations“. „Microsoft Dynamics NAV“ und „net7.01“). Neben umfangreichen Funktionstests untersuchte GPS dabei auch die Flexibilität der ERP-Systeme, „denn gerade im anspruchsvollen Arbeitsalltag zahlt es sich aus, wenn Prozesse auch ohne zusätzlichen Programmieraufwand schnell anpassbar sind“, wie Schmid betont. Ebenso gemessen wurde die Benutzerfreundlichkeit hinsichtlich Einfachheit und Verständlichkeit der Bedienung sowie die Effizienz – also das Verhältnis zwischen Aufwand, etwa durch Bedienung oder Stammdatenanlage/pflege, und Ergebnis. „Auf der Skala zwischen ‚voll erfüllt/volle Punktzahl‘ und ‚nicht erfüllt/null Punkte‘ haben wir natürlich auch Zwischenwerte ermittelt. Manche Lösungen waren technisch sogar so verblüffend elegant, dass wir versucht waren, ein paar Extrapunkte zu vergeben“, so der GPS-Gründer.

Den Herausforderungen gewachsen
„In Zeiten der digitalen Vernetzung aller Wirtschaftsbereiche via Internet of Things und disruptiver Technologien ERP-Systeme zu untersuchen, wirkt bisweilen recht Oldschool – ganz so, wie eine alte Tante inmitten hipper Zeitgeist-Anhänger. Bei aller Aufregung um den Hype von Industrie 4.0 und IoT sollte aber nicht vergessen werden, dass ERP-Systeme immer noch – anders als jedes andere genutzte IT-System – das gesamte Unternehmen, alle Abteilungen und Mitarbeiter, alle Geschäftspartner, alle Produkte und Projekte umfassen“, so Werner Schmid. „Umso überraschter waren wir von den Ergebnissen der Testreihen. Denn sie ergaben, dass die ERP-Systeme einen Großteil der Testanforderungen locker erfüllen – auch ohne 4.0- oder sonstige verbale Digitalzusätze. Die Anbieter der geprüften ERP-Systeme jedenfalls sehen sich nach unserem Eindruck den Herausforderungen der Industrie 4.0 durchaus gewachsen.“
Dass die Qualität der internen IT-Lösungen maßgeblicher Performancetreiber im Consulting- und Engineering-Business ist, zeigt wiederum der aktuelle SPI Research PS Maturity Benchmark Report 2017. Der Benchmark wird seit zehn Jahren vom Research-Unternehmen Service Performance Insight (SPI Research) erstellt, basierend auf einer umfassenden Befragung von Unternehmensberatungen, IT-Consulting-Firmen, Engineering-Unternehmen und anderen Professional-Service-Unternehmen. Ihm liegt das SPI PS Maturity Model zugrunde, das als strategischer Rahmen für Planung und Management von Consulting- und Engineering-Unternehmen dient.
Der Benchmark unterstützt Führungskräfte von Consulting- und Engineering-Unternehmen dabei, die Performance ihres Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen ähnlicher Größe und Ausrichtung sowie des gesamten Professional-Services-Marktes zu bewerten. Gleichzeitig ist er eine Hilfestellung dabei, die Gebiete zu identifizieren, in denen Verbesserungen ihre größte Wirkung erzielen. In diesem Jahr legt der Benchmark ein besonderes Augenmerk auf den Einfluss der internen IT-Systeme auf die Performance der Unternehmen. Die Experten von SPI Research stellten fest, dass die Qualität der eingesetzten IT-Systeme ein entscheidender Faktor für die Performance ist. „Integrierte Business Solutions gestatten allen Teammitgliedern einen einfachen Zugang zu einer einheitlichen, unstrittigen Informationsbasis und ermöglichen es so, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen und zeitnah auf Chancen und Risiken zu reagieren“, fasst Dave Hofferberth, Analyst bei SPI Research, zusammen.

Systemqualität entscheidender Wettbewerbsfaktor
„Mit Blick auf die anstehenden Umbrüche und Veränderungen in der Consulting- und Engineering-Branche muss das Management schnell in der Lage sein, Veränderungen und Trends mit Bezug auf Kunden, Mitarbeiter, Geschäftsbereiche und Märkte zu erkennen und zu bewerten“, ergänzt Oliver Brüggen, seines Zeichens Enterprise Sales Director beim ERP-Spezialisten Deltek. „Hier liefern projektorientierte ERP-Lösungen einen unternehmenskritischen Wettbewerbsvorteil, weil sie sicherstellen, dass mögliche Problemfelder frühzeitig erkannt und die Investitionen zielgerichtet in die vielversprechendsten Wachstumsthemen gesteuert werden können.“
Damit Consulting- und Engineering-Unternehmen die wichtigsten Erkenntnisse des SPI PS Maturity Benchmark Reports schnell umsetzen können, habe Deltek daher die vier wichtigsten Ergebnisse aus Sicht von Consulting- und Engineering-Unternehmen zusammengefasst und dazu passende Ideen und Handlungsempfehlungen formuliert, die Unternehmen dabei unterstützen, die Chancen des Jahres 2017 umfänglich zu nutzen. Dabei werde die Rolle, die IT-Systeme wie ERP, PSA oder CRM dabei spielen, besonders berücksichtigt. Mit einem kleinen Quick-Check gibt Deltek den Unternehmen kritische Fragen an die Hand, mit denen sie ihre aktuelle Prozess- und Systemlandschaft beleuchten sollten. „Mit dem Quick-Check wollen wir Consultinghäusern und Engineering-Unternehmen ein Tool an die Hand geben, mit denen sie ihre Systemlandschaft bewerten können“, erklärt Brüggen. „Gerne unterstützen wir sie dabei und zeigen auf, welche Vorteile integrierte Lösungen, die speziell für das Projektgeschäft entwickelt wurden, bei der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen bieten können.“

Moderne ERP-Lösung für Outdoor-Spezialisten
Für die Anwenderunternehmen bieten moderne ERP-Lösungen viel Potenzial, wie das Beispiel Jack Wolfskin zeigt. Das Unternehmen zählt zu den führenden europäischen Anbietern von Outdoor-Bekleidung, -Schuhen und -Zubehör. Das aktuelle ERP-System des Unternehmens musste kürzlich durch eine Lösung ersetzt werden, die den wachsenden digitalen Herausforderungen gewachsen war. Die Wahl fiel dabei auf Microsofts „Dynamics 365 (xReach.omnichannel)“ in Verbindung mit „ax|is fashion (xReach.fashion)“. In enger Zusammenarbeit mit K3 Software hat Implexis in den letzten Monaten das Projekt umgesetzt. „Wir freuen uns, bei dem Projekt für Jack Wolfskin mit K3 zusammenzuarbeiten und unseren Kunden auf seinem Weg in die digitale Zukunft zu begleiten. Wir nutzen die Synergien unserer Stärken, um Jack Wolfskin mit einem modernen ERP-System auszustatten, das seinen ehrgeizigen Zielen in Bezug auf Innovation und Wachstum Rechnung trägt“, unterstreicht Michael Ferschl, Managing Director der Implexis GmbH.
„Nach einem langen Auswahlprozess haben wir uns für xReach.omnichannel auf Basis von Microsoft Dynamics 365 in Verbindung mit xReach.fashion entschieden“, ergänzt Richard Muth, Solution Architect und Project Owner bei Jack Wolfskin. „Die Lösung ist auf unsere ganz speziellen Mode- und Handelsanforderungen ausgerichtet, und das System bedarf keiner weiteren Integration anderer Schnittstellen. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dem neuen System bessere Einblicke erhalten und diverse Abläufe, wie Saison- und Umsatzplanung, besser kontrollieren können. Zudem ermöglicht es die integrierte Omni-Channel-Planung – ein Bereich, auf den wir zum Erreichen unserer Wachstumsziele besonderen Wert legen.“

Anbieter mit Funktionsfüllhorn
Gerade die großen Anbieter legen einen starken Fokus auf die Digitalisierung und deren Auswirkungen. So präsentierte etwa SAP vor einiger Zeit Pläne und Tools, mit denen Unternehmen das rasante Datenwachstum bewältigen können. Intelligente Lösungen sollen Anwender dabei unterstützen, auch große Datenmengen effektiv zu nutzen. Hierzu gehören Analyseanwendungen, die den cloudbasierten Zugriff auf sämtliche Datenquellen ermöglichen, Anwendungen, die unternehmensweit einen besseren Einblick in geänderte Arbeitsabläufe und deren Optimierung gewährleisten, sowie intelligente Assistenten, die zeitintensive, sich wiederholende Aufgaben automatisieren sollen.
So könnten Nutzer mit der aktuellen Version von „SAP S/4HANA Cloud“ eine intelligente, SaaS-basierte ERP-Lösung mit Kontextanalysen, digitalen Assistenten, Funktionen für maschinelles Lernen und der preisgekrönten Benutzeroberfläche SAP Fiori nutzen. Unternehmen könnten damit Prozesse effizienter gestalten und stärker automatisieren. Die Lösung enthalte zudem den digitalen Assistenten SAP „Co-Pilot“, der dank betriebswirtschaftlichem Kontext eine bessere Zusammenarbeit ermöglichen soll. Er erkenne Businessobjekte, könne schnell eine Verbindung zu diesen herstellen und biete kontextbezogene Chat-Möglichkeiten. Weitere integrierte Funktionen für maschinelles Lernen würden Vorhersagen für eine höhere Effizienz der Anwender, automatische Rechnungsprüfung und Weiteres unterstützen.
Neuerungen im Portfolio SAP Analytics sollen Kunden in Cloud- und hybriden Umgebungen wiederum einen weiter verbesserten Einblick in ihre Geschäftsabläufe erlauben. Zudem stünden Funktionen für das digitale Innovationssystem „Leo­nardo“ zur Verfügung. „Digital Boardroom unterstütze indes nun auch den Microsoft Surface Hub und vereinfache so gemeinsame Entscheidungen. Die Benutzeroberfläche von „BusinessObjects BI 4.2“ wurde ebenfalls weiter verbessert und enthalte nun den „Web Intelligence Unified Viewer“ sowie das erweiterte BI-Launchpad mit Fiori-Oberfläche. „Lumira 2.0“ führe wiederum Visualisierungsfunktionen von Lumira mit „Lumira Designer“ zusammen und ermögliche IT- und Geschäftsanwendern so ein einfacheres und produktiveres Arbeiten. Im Rahmen einer Partnerschaft würden SAP und Zoomdata die Funktionen von Lumira weiterentwickeln, um durch den Zugriff auf verschiedenste Datenquellen schnelle Analysen zu ermöglichen. Mit „Analytics Hub“ könnten Anwender indes in On-Premise- und Cloud-Umgebungen nach Analyseergebnissen suchen.
SAP Ariba und IBM entwickeln indes gemeinsam eine neue Generation von Anwendungen für digitale, benutzerfreundliche Beschaffungsprozesse. Basierend auf Leonardo und „IBM Watson“ sollen intelligente Prozesse von der Beschaffung bis hin zur Abwicklung entstehen, mit denen Kunden sämtliche Ausgabenkategorien verwalten können, die zur unternehmensweiten Wertschöpfung beitragen. Die Anwendungen kombinieren die Erkenntnisse aus der Analyse unstrukturierter Daten mit den Ergebnissen aus Vorhersageanalysen, basierend auf Beschaffungsdaten aus Ariba. Einkaufsorganisationen würden sich so völlig neue Interaktionsmöglichkeiten innerhalb der Lieferkette eröffnen, um schneller und intelligenter entscheiden zu können. Gemeinsam wollen die Unternehmen Kunden zudem den Umstieg auf Ariba erleichtern.

Effizienteres Ausgabenmanagement
Einer dieser Kunden ist der Medizintechnik-Konzern Smith & Nephew. Einkauf im Gesundheitswesen ist ein besonders kritisches Thema. Prozesse müssen einerseits praxistauglich sein, andererseits aber den strikten Unternehmensrichtlinien entsprechen. Gestützt auf Ariba wird Smith & Nephew nun beiden Kriterien gerecht. Mit dem Ariba Network und einem ganzen Spektrum von cloudbasierten Anwendungen implementierte das Unternehmen einen effizienten digitalen Prozess, der ein schnelleres, effizienteres und dabei jederzeit konformes Ausgabenmanagement ermöglicht.
„Wir wollen den Einkauf nicht nur vereinfachen, sondern ihn zu einem effizienten Prozess umformen, der im gesamten Unternehmen wertschöpfend wirkt“, erklärt Andrew Croston, VP Global Indirect & Procurement Transformation von Smith and Nephew. „Mit SAP Ariba erhalten wir ein einzigartiges Set an Tools, die uns genau dies ermöglichen.“ In der Vergangenheit liefen Einkaufsprozesse bei Smith & Nephew über die verschiedenen Geschäftsbereiche mit jeweils eigenen Systemen und Prozessen. Entsprechend schwer sei es gewesen, die Ausgaben insgesamt im Blick und unter Kontrolle zu behalten.
„Wir waren uns bewusst, dass wir einen stärker zentralisierten und standardisierten Prozess benötigten, um unsere Kosten und Risiken besser als bisher im Griff zu haben. Der Schlüssel dazu sollte ein integriertes System sein.“ Getreu seinem Selbstverständnis hat Smith & Nephew die Digitalisierung schon lange vollzogen und setzt nun SAP-Lösungen gezielt ein, um schneller und smarter zu agieren. Mit SAP könne der Konzern massive Datenmengen in Echtzeit verarbeiten, sofortige Einblicke erhalten und prädiktive Analysen vornehmen, um wichtige Entscheidungen zu treffen und Risiken zu mindern. Durch den Einsatz von Ariba-Lösungen konnte der Konzern seine schlanken Abläufe, Performance und Geschwindigkeit auch auf die Welt außerhalb seiner Unternehmensgrenzen ausdehnen. „Ziel war es, auf eine neue und innovative Art und Weise mit Kunden, Partnern und Lieferanten zusammenzuarbeiten, um einen standardisierten Best-Practice-Prozess für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen zu entwickeln und die Lieferkette von Grund auf neu zu gestalten.“ (TM)
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