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Die Wohnungspreise steigen seit Jahren stärker als die Einkommen. Doch nun kommen höhere Zinsen, die kräftige Inflation und strengere Kreditvergabestandards hinzu. Das dämpft auch bereits die Nachfrage nach Immobilienkrediten. "Die Leistbarkeit hat sich sehr stark verschlechtert, wir haben ein Leistbarkeitsproblem im Bereich der Immobilien", betonte der Vizegouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Gottfried Haber, am Dienstag in einer Pressekonferenz.

"Selbstverständlich haben natürlich die steigenden Zinsen und die Inflation den Löwenanteil der Entwicklung, die wir auf den Märkten sehen", erklärte der Vizegouverneur.

In den vergangenen zehn Jahren hätten sich die Immobilienpreise verdoppelt, die Einkommen seien aber nur um ein Drittel gestiegen, verdeutlichte der Direktor der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der Nationalbank, Markus Schwaiger, die Lage. "Das Leistbarkeitsthema kann man nicht durch Überschuldung lösen." Es hänge auch mit den gestiegenen Zinssätzen zusammen.

Die Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) heuer im Juli, September und Oktober schlagen auch auf die Kreditzinsen in Österreich beim Neugeschäft durch. "Was sichtbar ist, dass auch hier die Ausleihzinsen schon im Geschäft angekommen sind - sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Haushalten", sagte OeNB-Gouverneur Robert Holzmann.

Im Vorjahr habe ein Kreditnehmer für eine Rate von 1.000 Euro pro Monat noch einen 300.000 Euro schweren Kredit mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einem Fixzinssatz auf zehn Jahre bekommen, heute bekomme man dafür nur noch 220.000 Euro, rechnete der OeNB-Experte vor. "Das zeigt sich natürlich auch im Rückgang der Neukreditvergabe, der aus unserer Sicht aber ein Rückgang auf ein normales Niveau von etwa 2018 ist, als die Zinsen ungefähr so hoch waren wie heute." Der Anteil der variabel verzinsten Kredite sei im August und im September wieder angestiegen.

Die Risiken für die Finanzmarktstabilität haben im Laufe des heurigen Jahres laut Nationalbank "deutlich zugenommen". Höhere Kreditzinssätze sowie die steigende Inflation belasten private Haushalte und Unternehmen. Das Wachstum im Bereich der Wohnimmobilienkredite habe sich dadurch jüngst verlangsamt.

"Die Haushalte verzeichnen zur Zeit ein etwas abgeflachtes Kreditwachstum", berichtete OeNB-Hauptabteilungsdirektorin Birgit Niessner, und verwies dabei auf einen Anstieg von nur noch 4,7 Prozent heuer im September. "Treiben tut das der Wohnbau", so die OeNB-Direktorin. Dieser mache 70 Prozent des Gesamtvolumens aus. Die Abflachung des Wachstums sei auch durch die "neuen", sprich strengeren, Kreditvergaberichtlinien, die seit August gelten, erklärbar.

Die gesamte Schuldenquote der Haushalte, also der Bestand an Schulden im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt, bleibe aber konstant, strich Niessner hervor. Die Haushalte erleiden zur Zeit "zwei Arten von ökonomischem Schock". "Steigende Zinsen und hohe Inflation reduzieren den Spielraum", so die OeNB-Direktorin. Das real verfügbare Haushaltseinkommen sei gegenüber dem Vorjahr gesunken. "Das heißt, die derzeitige Situation spüren die Haushalte."

Auch der hierzulande hohe Anteil an variabel verzinsten Krediten bereitet Sorgen. Der Anteil sei zwar zurückgegangen, liege aber immer noch bei 47 Prozent. Damit liegt Österreich laut Niessner über dem Durchschnitt in der Eurozone.

Die neue Verordnung zur nachhaltigen Kreditvergabe im Wohnimmobilienbereich, durch die die auch bisher schon geltenden Kriterien verbindlich gemacht wurden, "wurde notwendig, um systemischen Risiken aus einer Verschlechterung der Kreditqualität entgegenzuwirken", hielt die Nationalbank fest. Die verschärften Regeln für die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten gelten seit August. Es gebe aber auch ein Ausnahmekontingent von 20 Prozent, im Rahmen dessen Banken frei über die Vergabe entscheiden könnten.

Die Inflationsentwicklung und auch die geopolitischen Ereignisse "haben selbstverständlich zu einem Anstieg der Systemrisiken geführt", strich Haber hervor und verwies auf "eine europaweite Risikowarnung für die Finanzmarktstabilität. Mehrere Risiken kämen gleichzeitig und wirkten gegenseitig. "

In dem herausfordernden Umfeld - Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine, Energiekrise, hohe Inflation - fielen die Gewinne der österreichischen Banken im ersten Halbjahr 2022 dennoch hoch aus. Mit rund 3,8 Mrd. Euro habe man sich in etwa auf dem Niveau von 2021 bewegt, so der Vize-Gouverneur. Das habe sich auch im dritten Quartal 2022 fortgesetzt.

Gleichzeitig gebe es immer noch "ein dynamisches Kreditwachstum". Das führe dazu, dass die harte Kernkapitalquote auf 15,8 Prozent leicht gesunken sei. "Das ist nicht besorgniserregend", fügte der OeNB-Vizegouverneur hinzu. "Österreichs Bankensystem ist trotz der Herausforderungen sehr widerstandsfähig", betonte Haber unter Verweis auf einen OeNB-Bankenstresstest, bei dem in einem Szenario eine Eskalation des Ukraine-Kriegs und eine starke globale Rezession bei steigenden Inflations- und Zinssätzen unterstellt wurden. "Wir haben ein resilientes, gut aufgestelltes Bankensystem in Österreich", so Haber.

Die Nationalbank attestiert dem heimischen Bankensektor insgesamt eine "solide Risikotragfähigkeit" - "noch deutlich über dem Niveau von 2007/2008 vor der Finanzkrise", wie Haber ausführte. "Der größte Risikotreiber ist das Kreditrisiko", hob der OeNB-Vize hervor.

Um sich für die gestiegenen wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken zu wappnen, sind die Banken laut Nationalbank "angehalten, bei der Gewinnausschüttung umsichtig zu agieren", also bei der Auszahlung von Dividenden zurückhaltend zu sein.

(APA)