Ökonomin Monika Köpll-Turyna (Archivbild) © APA - Austria Presse Agentur

Für die Direktorin des industrienahen Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, ist rund um den Milliarden-Finanzierungsbedarf der Wien Energie derzeit die Grenze zwischen normalem Geschäft und zu viel Risiko bei Spekulationen noch offen. Es gebe noch wenig Information, grundsätzlich handle es sich um "Terminverträge, ein übliches Hedging am Markt". Bei den EU-Russlandsanktionen sei es nicht die einzige relevante Variable, ob diese Russland mehr träfen.

Auf die Frage, ob die EU-Sanktionen gegen Russland zielführend sind, wo die Energiepreise explodieren, Energieversorger in Schieflage geraten und sich immer mehr Menschen Sorgen um ihr finanzielles Auskommen aufgrund explodierender Preise machen, sagte Köppl-Turyna im APA-Interview: "Das sind natürlich komplexe Fragen. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Sanktionen eine stärkere Wirkung auf Russland als auf Europa haben. Aber das ist nicht die einzig relevante Variable." So sei etwa auch die Versorgungssicherheit bedeutend.

Ursächlich für die Milliardenlücke bei der Wien Energie sind laut der Ökonomin "sehr volatile Märkte, die in den vergangenen Tagen besonders volatil waren". Zuerst habe es eine neue Verdoppelung der Strompreise gegeben, dann habe die gestrige Ankündigung von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, den europäischen Strommarkt zu reformieren, wieder für Entspannung gesorgt.

Zur Erinnerung: Gestern war noch bis in den späten Abend hinein die Rede davon gewesen, dass die Wien Energie bis heute Mittag kurzfristig 2 Mrd. Euro braucht. Dann aber ergab sich doch wieder ein positives Saldo "aufgrund der verrücktspielenden Strommärkte" von "400 bis 700 Mio. Euro", wie der zuständige Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am späten Abend sagte.

"De facto wäre eine Entkoppelung des Strompreises vom Gas am besten, ähnlich wie es Spanien gemacht hat", sagte Köppl-Turyna zur angekündigten Reform des europäischen Gasmarktes, die ab 2023 greifen soll. Ein Teil der Gaskosten wird staatlich subventioniert, wodurch der Strompreis fällt. Die Expertin gab aber auch zu bedenken, dass der Preisverfall in Spanien nicht so hoch gewesen sei, wie erhofft. "Das würde nicht alle Probleme lösen, aber den Strompreis wahrscheinlich fallen lassen." Derzeit spiele beim Preis auch eine Rolle, dass viele französische AKW gewartet werden.

Rund um die Wien Energie, wo noch viele Fragen offen seien, gelte es nun, "nicht in Panik zu geraten. Die Versorgungssicherheit ist grundsätzlich gegeben". Es gelte aber schon darauf zu achten, dass produzierende Betriebe mit Verträgen mit der Wien Energie oder anderen Versorgern nicht in ähnliche Probleme gerieten, so Köppl-Turyna. Hier könnten "Absicherungen" nötig werden. "Die Verträge müssen aufrechterhalten bleiben, damit die Industrie nicht ein Problem bekommt." Industrieunternehmen kaufen auch an Terminmärkten und haben dafür Verträge mit Versorgern.

Eine weitere Frage bezogen auf die Industrie sei, wie Industriebetriebe einen zu erwartenden weiteren Anstieg der Energiekosten im Winter zu spüren bekommen, so die EcoAustria-Chefin, "unter Umständen so dramatisch wie bei der Wien Energie". Dann sei es "überlegenswert unter die Arme zu greifen". Derzeit werde ausgearbeitet, wie solche Programme am treffsichersten und im Sinne der Güter-Versorgungssicherheit umgesetzt werden könne.

Die Gasumlage in Deutschland sei nicht gut überlegt, denn die dortige Regelung nehme "keine Rücksicht darauf, wie profitabel ein Unternehmen ist". Es werde auch für profitable Firmen bezahlt. Die Regelung könnte nochmals geändert werden. Bei allen Hilfen, die nun überlegt würden, sei die Treffsicherheit besonders bedeutend, betonte Köppl-Turyna. Vom Abschöpfen von Übergewinnen hält die Ökonomin nichts. Das bestrafe jene Firmen, die auf Erneuerbare Energieträger setzen. Und man wolle ja, dass weiter und verstärkt auf Erneuerbare gesetzt werde.

(Das Gespräch führte Philip Stotter/APA)