Die Tiroler AK pozessiert derzeit gegen die Tiwag © APA - Austria Presse Agentur

In den juristischen Auseinandersetzungen zwischen dem Tiroler Landesenergieversorger Tiwag und der Arbeiterkammer kann Letztere einen - nicht rechtskräftigen - ersten Sieg verbuchen. Nach einer Musterklage am Innsbrucker Bezirksgericht wurde der Energieversorger verurteilt, einem Tiroler wegen offenbar rechtlich nicht zulässiger Preisanpassung des Arbeitspreises im Jahr 2022 rund 137 Euro zu bezahlen. Die Tiwag will berufen, kündigte aber erste Rückzahlungen mit Ende März an.

Nunmehr sei klar, dass die Strompreiserhöhung 2022 nicht rechtens erfolgt sei, sah sich die Tiroler AK am Dienstag in einer Aussendung in ihrer Rechtsansicht bestätigt. Die von der Interessenvertretung über den Verein für Konsumenteninformation (VKI) eingereichte Musterklage betraf die Preisanpassung bzw. Preiserhöhung des Arbeitspreises der Tiwag im Jahr 2022, die im Wesentlichen mit der Entwicklung des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) begründet worden war. Die Preisanpassung auf Basis des ÖSPI widerspreche dem Konsumentenschutzgesetz, hieß es unter anderem in dem Urteil erster Instanz. Eine entsprechende Bestimmung im ElWOG (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010) stelle kein "einseitiges gesetzliches Preisänderungsrecht" dar, so das Bezirksgericht. Ein Preisänderungsrecht sei folglich vertraglich zu vereinbaren und unterliege daher auch den Bestimmungen des ABGB und des Konsumentenschutzgesetzes.

Die Tiwag stütze die Erhöhung des Arbeitspreises letztlich ausschließlich auf die Änderung des ÖSPI, führte das Gericht aus. Ein konkreter Zusammenhang zwischen der Veränderung des ÖSPI und den tatsächlichen Kosten der beklagten Partei bestehe aber nicht. Der Landesenergieversorger produziere deutlich mehr als die Hälfte seines verkauften Stroms selbst. "Sie begründet die Äquivalenz zwischen dem ÖSPI und ihren Kosten mit den durch einen steigenden ÖSPI steigenden Opportunitätskosten. Opportunitätskosten sind 'Kosten des entgangenen Gewinns'. Würde man die Argumentationslinie der beklagten Partei weiterdenken, so wäre die Bestimmung des § 80 Abs 2a Satz 1 ElWOG ad absurdum geführt", verlautete es in der vorliegenden Urteilsausfertigung. In ebenjener Gesetzesbestimmung heißt es: "Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmern mit unbefristeten Verträgen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum für die Änderung maßgebenden Umstand stehen." Nur weil an andere Käufer (z.B. an der Börse) teurer verkauft werden könnte, würden die eigenen tatsächlichen Kosten nicht steigen, folgerte nunmehr das Bezirksgericht bezogen auf den konkreten Fall.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, muss die Tiwag dem Kläger neben den erwähnten 137,52 Euro auch 1.118,54 Euro an Prozesskosten zahlen. Der sich derzeit im Arbeiterkammerwahlkampf befindliche schwarze AK-Präsident Erwin Zangerl zeigte sich jedenfalls schon einmal hocherfreut: "Das Urteil kann getrost als Meilenstein in unserer Arbeit gesehen werden und ich bin hoch erfreut, dass das Gericht unsere Auffassung teilt." Es sei schließlich um "wichtige Grundsatzfragen sowie unter anderem auch um Auskunft und Informationen zu den tatsächlich zu tragenden Beschaffungskosten" gegangen. Die Musterklage sollte - Stichwort Transparenz - "klären, wie sich das auf die Strompreiserhöhungen der Tiwag auswirkt". Zangerl erwartete sich vom Energieversorger eine "rasche entsprechende Reaktion bzw. Akzeptanz und Erfüllung des Urteils gegenüber allen betroffenen Kund:innen".

Der Landesenergieversorger betonte in einer Reaktion zwar einerseits, dass man das erstinstanzliche Urteil in der nächsten Instanz prüfen lassen will - "um Rechtssicherheit zu erlangen." Denn das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck decke sich nicht mit einem erst kürzlich ergangenen Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien zu einer ähnlichen Rechtsfrage. Aber: Man werde - wie bereits im Dezember 2023 erklärt - erste "Refundierungszahlungen" an die Kunden leisten. Der Start sei mit Ende März geplant. Der Energieversorger hatte Anfang Dezember als "Stromkostenausgleich" eine Einmalzahlung für Privatkunden angekündigt. Darüber hinaus betonte das Unternehmen, dass die Tiwag seit der Tarifanpassung zum 1. Jänner 2024 im eigenen Netzgebiet bei Fixpreisprodukten ohne Bindungsfrist der günstigste Stromanbieter sei.

Eine Aufforderung von Landeshauptmann und Eigentümervertreter Anton Mattle (ÖVP) an die Tiwag, das erstinstanzliche Urteil zu akzeptieren und nicht zu berufen, kam indes nicht explizit. Bei einem Pressegespräch nach der Regierungssitzung am Dienstag sagte er: "Wenn die Dinge dann entsprechend rechtskräftig sind, ist es selbstverständlich ganz klar zurückzuzahlen." Sollte diese Preiserhöhung nicht rechtens gewesen sein - und dies besage nun das Bezirksgericht - fühle er sich "absolut bestärkt" in seinem Vorgehen, den landeseigenen Energieversorger "inhaltlich, personell und strukturell neu aufzustellen".

Die Opposition sah sich indes in ihrer Haltung bestätigt und nahm auch Mattle in die Pflicht. FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger sprach von einer "erstinstanzlichen Prozesspleite" für die Tiwag. Diese beweise, dass "das Energiepreis-Raubrittertum der Tiwag-Führung rechtswidrig war und wohl auch ist". Abwerzger forderte zudem eine "klare Stellungnahme" von Mattle. Dieser habe sich zuletzt zwar "zunehmend von der Preispolitik der Tiwag und der Führung distanziert", aber: "Davon haben die Tirolerinnen und Tiroler gar nichts. Da braucht es nun spürbare weitere finanzielle Erleichterungen und eben Preisnachlässe."

Die Liste Fritz orteten angesichts des Urteils einen "Etappensieg." Für uns war die Strompreiserhöhung 2022 wie auch jene 2023 nicht nur unsozial und ungerecht, sondern auch wirtschaftlich nicht notwendig", ließ Klubobmann Markus Sint wissen. Landeshauptmann Mattle sei nun unter Zugzwang. Dieser müsse die zentrale Frage beantworten: "Sollen die Tiroler oder die Gewinnmaximierung für die Tiwag im Mittelpunkt stehen?"

Die ebenfalls oppositionellen Grünen mahnten "unmittelbare Konsequenzen" ein. "Die Kundinnen und Kunden der TIWAG sind sofort zu entschädigen", erklärte Landessprecher und Klubobmann Gebi Mair in einer Aussendung, denn: "Die Tiwag hat unzulässigerweise Gewinne auf Kosten der Tirolerinnen und Tiroler gemacht. Und was einem nicht gehört, muss man zurückgeben." Es wäre nicht einzusehen, wenn die Tiwag in weitere gerichtliche Instanzen gehen würde. Mattle müsse auch "die Verantwortung der Aufsichtsräte" einfordern, die diese "falsche Entscheidung" zugelassen hätten.

Die NEOS drängten die Tiwag darauf, "allen Rückforderungen unverzüglich nachzukommen". Es ist ja ein Skandal, dass man als Kund:in des Landesenergieversorgers einen Prozess führen muss, um sein Recht auf einen rechtskonformen Strompreis durchzusetzen", merkte Klubobmann Dominik Oberhofer an.

Bisher hatte die Arbeiterkammer bereits vier Klagen gegen die Tiwag eingebracht. Zuletzt eine Verbandsklage, mit der die umstrittenen Kündigungen von Altverträgen juristisch bekämpft werden. Am Landesgericht Innsbruck ist zudem ein Verfahren nach einer weiteren Verbandsklage anhängig, bei dem es um die Strompreiserhöhung im Jahr 2023 geht. Die AK wirft der Tiwag dabei mangelnde Transparenz bei der Stromgestaltung vor. Bei der ersten Verhandlung im Dezember war ein Vergleich gescheitert. Im März soll weiterprozessiert werden. Seit der Tarifanpassung zum 1. Jänner 2024 ist die Tiwag im eigenen Netzgebiet bei Fixpreisprodukten ohne Bindungsfrist der günstigste Stromanbieter.