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Die Baukonjunktur lahmt © APA - Austria Presse Agentur

Vertreter der Bauwirtschaft warnen vor akuter Wohnungsnot und sind in Sorge um Aufträge. "In Österreich fehlt Wohnraum und die Situation spitzt sich dramatisch zu", so der Geschäftsleiter von hagebau Österreich, Torsten Kreft, vor Journalisten in Wien. Zuletzt sei es beim Neubau zu einem "echten Einbruch" gekommen. Gefordert seien nun etwa die Aufstockung der Wohnbauförderung um 500 Mio. jährlich auf 3 Mrd. Euro und und die Wiedereinführung der Zweckwidmung dieser Gelder.

"Die Zweckwidmung der staatlichen Wohnbauförderung wurde 2008 aufgegeben", erinnerte der Bundesinnungsmeister der Bundesinnung Bau in der Wirtschaftskammer Österreich, Robert Jägersberger, am Mittwoch in der gemeinsamen Pressekonferenz. "Sie wird unter Umständen zum Stopfen anderer Budgetlöcher genützt", vermerkte er. Mit einer Zweckbindung könnte mit den Fördergeldern wieder Wohnraum geschaffen werden anstatt Länderbudgets zu sanieren.

Die nunmehr vorgestellte Initiative "Mehr Zuhaus' in Österreich" bestehend aus bisher 18 Unternehmen und Institutionen aus der Branche, die sowohl die Öffentlichkeit als auch die Politik wachrütteln wollen, damit der Wohnungsbau wieder in Schwung kommt, strich auch das rückläufige Fördervolumen bei gleichzeitig steigenden Baukosten hervor. Früher seien etwa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dafür vorgesehen gewesen, 2023 seien es nur noch etwa 0,4 Prozent des BIP gewesen, was rund 1,9 Mrd. Euro an Förderungen für den Wohnungsneubau entsprochen habe. Heute wären 1,5 Prozent des BIP also etwa 6 Mrd. Euro, sagte Baumit-Österreich-Geschäftsführer Georg Bursik. Die erhöhten Bauausgaben würden im Land bleiben: "Wir produzieren hier in Österreich, das heißt die Wertschöpfung bleibt in Österreich", hielt Wienerberger-Österreich-Chef Johann Marchner fest.

"Der großvolumige Wohnungsbau ist sehr stark rückläufig, der private Familienhausbau fast weggebrochen", betonte Jägersberger. Generell sei die Bautätigkeit - im privaten und großvolumigen Wohnbau - um 30 Prozent eingebrochen. Fehlende Privatinvestitionen und gestiegene Zinsen bremsten die Investitionen, was eine weitere Verknappung des Wohnungsbaus nach sich ziehe. Es werde nicht genügen, vom Rückwärtsgang in den Vorwärtsgang zu kommen - "wir werden wahrscheinlich vier Gänge raufschalten müssen", meinte Bursik. Wohnungsknappheit sei ein sozialpolitisches Problem. Außerdem bestehe die Gefahr, dass ein Gutteil der über 300.000 Beschäftigten im Baubereich in andere Branchen abwandere und nicht wieder zurückkäme, sagte er und verwies auf ähnliche Vorgänge in der Gastronomiebranche während der Corona-Pandemie.

Ebenfalls Teil des politischen Forderungskatalogs der Brancheninitiative ist eine Aufweichung der KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung der Finanzmarktaufsicht), die seit August 2022 gilt und Banken verschärfte Kreditvergaberichtlinien vorgibt, um Käuferinnen und Käufer vor Überschuldung zu schützen. "Die strengere Kreditvergabe verhindert privaten Wohnbau", so der Standpunkt Jägersbergers. Dem Wunsch der Bauwirtschaft zufolge soll die Obergrenze für die monatliche Kreditrate von derzeit 40 auf 60 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens angehoben werden. Weiters regt sie die Einführung eines zinsfreien Darlehens zur Erreichung der Eigenkapitalquote an. Aktuell brauchen die zukünftigen Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer für den Kauf ihrer Immobilie mindestens 20 Prozent des Gesamtkostenaufwands in Form von Eigenkapital, um für die restlichen 80 Prozent einen Kredit zu bekommen.

Die Wohnbauinitiative fordert weiters eine "radikale Vereinfachung der Bauförderungen und den Abbau bürokratischer Hürden", um die Bautätigkeit anzukurbeln. "Wir sind heute in einer Situation mit Baugenehmigungen von einem Jahr aufwärts für ein Einfamilienhaus", kritisierte Jägersberger exemplarisch. "Hier ist der politische Wille gefordert."

Auch steuerliche Maßnahmen wie etwa eine Mehrwertsteuerbefreiung für den Erwerb und die Schaffung von neuem Wohnraum bis zu maximal 100.000 Euro pro Wohneinheit sowie eine steuerliche Anerkennung von Immobilieninvestitionen für gewerbliche Vermieter stehen auf dem Forderungskatalog an die Politik. Zudem sollen die AfA-Abschreibungssätze geändert und die Amortisationsfristen deutlich verlängert werden, um Immobilieninvestitionen zu fördern. Hilfreich wären den Angaben zufolge auch raschere Umwidmungen von geeigneten Flächen in Bauland, einfachere Gebäudeaufstockungen beispielsweise in Ballungszentren, sowie Baustarts ehe "100 Prozent aller Detailanforderungen" erfüllt seien.

Trotz steigenden Wohnbedarfs werde in Österreich immer weniger gebaut, hielten die Branchenvertreter mit Blick auf das erwartete Bevölkerungswachstum fest. Alleine die bewilligten Wohneinheiten im Neubau seien in den vergangenen Jahren regelrecht eingebrochen. 2017 bis 2019 seien noch rund 70.000 Wohnungsbewilligungen jährlich gewesen. "Das sichert in etwa den Bedarf", so Kreft. Seit 2020, mit noch 63.600 Bewilligungen habe es dann aber einen deutlichen Rückgang und in den vergangenen beiden Jahren einen Absturz auf zuletzt 33.900 (2023) Baubewilligungen gegeben, nach 47.000 im Jahr 2022. "Innerhalb von vier Jahren halbierten sich die genehmigten Wohnungen."

Davon werde wahrscheinlich ein erheblicher Teil angesichts der gegenwärtigen Situation - "fehlgeleiteter Wohnbauförderungen, fehlender privater Investitionen, bürokratischer Hürden beim Neubau und bei der Förderung sowie strengere Kreditvergaben" - nicht umgesetzt. Bewilligte Wohnungen bedeuteten noch nicht auch tatsächlich gebaute Wohnungen. "Das Thema ist, glaub ich, angekommen, aber wir müssen jetzt rasch ins Tun kommen", mahnte Marchner.