Die Abhängigkeit von russischem Gas soll reduziert werden © APA - Austria Presse Agentur

Die Bundesregierung hat am Mittwoch in ihrer Regierungssitzung den schon angekündigten Ausbau der Gaspipeline zwischen Deutschland und Österreich auf den Weg gebracht. Ebenso wurde im in der Ministerratssitzung verabschiedeten "Energiepaket" der Plan des Ausbaus der Stromnetze festgeschrieben. Ziel ist die Energieversorgungssicherheit und die Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Gas.

Österreich solle unabhängiger und krisenfester gemacht werden, erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Pressefoyer gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler, Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (beide Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).

Ziel der Pipeline sei, Liefersicherheit zu garantieren, betonte Nehammer. Sie gehe in den Westen, nach Deutschland und es könne mit Blick in die Zukunft auch Wasserstoff durch sie transportiert werden, Es sei ein deutliches Signal Richtung Russland, dass sich Österreich unabhängiger mache.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sah in den heutigen Beschlüssen einen weiteren Beleg, dass gerade im Klimabereich in der Regierung etwas weiter gehe. Die notwendige Energiewende werde weiter beschleunigt. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) berichtete, dass heuer bisher 84 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen gekommen seien und das in den diesbezüglich schwierigsten Monaten des Jahres. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) unterstrich, es sei immer klar gewesen, dass die Leitung nicht an der Finanzierung scheitern werde.

Die Regierung strich dann auch die schon von Nehammer letzten Freitag in den Grundzügen angekündigte Einigung auf den Ausbau der West-Austria-Gasleitung ("WAG-Loop") im Mühlviertel hervor. Um die Gasdiversifizierung und die Unabhängigkeit von russischem Erdgas weiter zu stärken, müsse die Transportkapazität von Deutschland nach Österreich erhöht werden, hieß es in einer Presseunterlage zum entsprechenden Ministerratsvortrag.

Die Stärkung der Unabhängigkeit gehe nur durch den Ausbau der Infrastruktur, dazu soll nun eine zweite Pipeline nach Deutschland gebaut werden. Ziel sei es, mehr Flüssiggas (LNG) und norwegisches Gas nach Österreich zu bringen. Bei dem Vorhaben geht es um eine 40 Kilometer lange Pipeline. Ziel sei eine "deutliche Steigerung der Kapazität", so Nehammer. Ein genaues Datum für den Bau gibt es noch nicht. Aber jetzt wo das Geld zur Verfügung stehe, solle es so rasch wie möglich los gehen, erklärte Gewessler.

Bereits letzten Freitag hatte der Kanzler gegenüber der APA angekündigt, dass der Ausbau eine 30-prozentige Steigerung der Importkapazität zwischen Deutschland und Österreich bringen soll. Zur Frage des Zeitrahmens der Realisierung verwies er dabei darauf, dass der Bau einer Pipeline im Schnitt ein bis zwei Jahre dauere.

Die Gas Connect Austria ist bereits durch die Aufnahme in den Koordinierten Netzentwicklungsplan (KNEP) verpflichtet, das Projekt umzusetzen, heißt es in den Medienunterlagen der Regierung zu dem Projekt. Um die Umsetzung zu beschleunigen, werden nun seitens des Finanzministeriums Budgetmittel für den Ausbau dieser West-Ost-Route zur Verfügung gestellt.

Ebenso im Paket enthalten ist das Ziel des rascheren Ausbaus der österreichischen Stromnetze. Jeder, der selbsterzeugten Strom einer Photovoltaik-Anlage ins Netz einspeisen möchte, solle dies auch tun können, so die Botschaft. Man stelle mit dem Vorhaben sicher, dass die Netze dabei nicht überlastet werden, hieß es seitens des Kanzleramts. Dazu soll das Elektrizitätswirtschaftsgesetz klare Regeln für den schnelleren Ausbau bringen.

Um die Unabhängigkeit der österreichischen Energieversorgung zu erhöhen, soll zudem auch mit anderen gesetzlichen Maßnahmen der Ausstieg aus fossilen Energieträgern vorangetrieben werden, auch der Ausbau von erneuerbaren Energien soll beschleunigt werden.

Darüber hinaus will die Regierung erreichen, dass die gesunkenen Großhandelspreise möglichst rasch an die Endkundinnen und Endkunden weitergegeben werden. Die Bundesregierung prüft daher im Energiesektor "verschärfte Instrumente der Wettbewerbskontrolle", denn der "faire und transparente Wettbewerb" stelle "marktübergreifend ein elementares Anliegen der Bundesregierung dar".

Die heutige Ankündigung der Regierung hat für zahlreiche Reaktionen gesorgt, hier ein kurzer Auszug. Der projektverantwortliche Fernleitungsnetzbetreiber Gas Connect Austria zeigte sich erfreut: "Wir begrüßen, dass die Bundesregierung den WAG Loop 1 finanziell unterstützen wird und freuen uns, dass so die Bedeutung des Projekts für die Versorgungssicherheit Österreichs anerkannt wird." Die Unterstützung von mindestens 70 Mio. Euro werde von Gas Connect Austria, wenn sie zurückverdient wird, an den Staat zurückbezahlt. "Die nächsten wesentlichen Meilensteine sind eine Anpassung des Tarifsystems an die aktuellen Marktgegebenheiten durch die E-Control, um das wirtschaftliche Überleben und die Investitionsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Weiters die beihilferechtliche Prüfung durch die EU-Kommission in Brüssel und die Klärung der gesamten Finanzierung des Projekts."

Als "grundsätzlich erfreulich" kommentierte der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Nachmittag die im Ministerrat beschlossenen Maßnahmen zum Ausstieg aus russischem Gas. "Nun müssen den Ankündigungen aber endlich auch Taten folgen", forderte Hanke.

Der Stadt Wien geht es - etwa mit den dort noch vorhandenen rund 600.000 Gasthermen - geht es um die Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen: "Das Scheitern des lange angekündigten Erneuerbaren Wärmegesetzes war ein herber Rückschlag. Wenn der Bund nun aber endlich beim Ausstieg aus fossilem Gas in die Gänge kommt, ist das ein gutes Zeichen", so Hanke in einer Aussendung. "Denn es ist längst an der Zeit die Gesetze für den Ausbau erneuerbarer Energie zu novellieren. Wir fordern seit Jahren eine Änderung, die den Ausbau der Geothermie möglich macht." Derzeit sei die Gewinnung von Tiefen-Geothermie nicht eindeutig geregelt und auf mehrere Gesetze, etwa das Mineralrohstoffgesetz, das Wasserrechtsgesetz und die Gewerbeordnung zersplittert. "Dies hat umfangreiche Genehmigungsverfahren und eine geringe Rechtssicherheit zur Folge, was wesentliche Barrieren für Investoren darstellt. Tiefen-Geothermie ist in Österreich somit rechtlich schlechter gestellt als Öl und Gas. Das muss schleunigst geändert werden", forderte der Wiener Stadtpolitiker.

NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer forderte heute mehr Tempo beim Gas-Ausstieg: "Es muss Schluss sein, mit dem ewigen Prüfen und Verzögern." Die Pipeline müsse höchste Priorität haben. "Nach zwei Jahren Stillstand darf beim Ausstieg aus russischem Gas keine Zeit mehr verschwendet werden", betonte sie.

Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung der E-Wirtschaft, sprach von einem "klaren Bekenntnis zur Versorgungssicherheit" durch die Bundesregierung. Besonders das Elektrizitätswirtschaftsgesetz und das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz müssten unbedingt noch vor dem Sommer beschlossen werden.

Eine gemischte Reaktion kam von Greenpeace. Die Umweltschützer sprachen von einem wichtigen Paket, leider würden aber konkrete Schritte fehlen um den hohen Gasverbrauch weiter zu drosseln.

Die Wirtschaftskammer meinte: "Eine Lösung zur Finanzierung des WAG-Loops ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, für den sich die Wirtschaft seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einsetzt. Entscheidend ist nun, dass die rechtlichen Voraussetzungen rasch geschaffen werden." Der Wirtschaftsbund sprach von einem "positiven Signal". Die Industriellenvereinigung begrüßte ebenfalls das Vorhaben, es bräuchte aber Entlastungsmaßnahmen, wie beispielsweise durch das Modell der Strompreiskompensation (SAG).