Wandel birgt Chancen

NEW BUSINESS Guides - FACILITY MANAGEMENT-GUIDE 2024
Der IFM-Kongress ist zu einer fixen Größe in der heimischen und internationalen FM-Branche ­geworden und erfreut sich Jahr für Jahr regen Zulaufs. © IFM

Der 16. IFM-Kongress fand von 23. bis 24. November 2023 statt und gab einen innovativen und fundierten Einblick in die Herausforderungen der nächsten Zeit, vor allem im Bereich ESG und Workplace-Manag

Nachhaltigkeit gewinnt wesentlich an Bedeutung, ESG (Environmental, Social und Governance) ist in aller Munde. Zugleich setzen die höheren Zinsen und die erheblich gestiegenen Baukosten der Branche zu, die Immobilienbranche befindet sich im Wandel. Die möglichen Chancen, die sich dabei ergeben, zu erkennen, war eines der Themen am 16. IFM-Kongress an der TU Wien. 

Was bedeutet die Gesetzesflut
ESG wird vielfach besprochen, aber was bedeutet die Gesetzesflut aus Brüssel? Andrej Grieb, Richter am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, zeigte den Zusammenhang zwischen der EU-Taxonomie und der Corporate Social Responsibility Directive (CSRD) sowie den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) auf. Die Taxonomie gibt die Aktivitäten vor, die nachhaltig sein können, und die einzuhaltenden Kriterien. Gebäudezertifikate können dann ein Nachweis sein, dass die Wirtschaftsaktivität tatsächlich konform ist. Zusätzlich haben betroffene Unternehmen die erweiterte nicht finanzielle Berichterstattung im Bereich Nachhaltigkeit zu erfüllen.

Die ESRS geben hier die Kennzahlen, die für ein Unternehmen relevant sind, vor. Energieverbrauch und CO₂-Ausstoß, basierend auf den Verbrauchskennzahlen, und die Indizes der eigenen Mitar­bei­ter:innen werden wohl von fast allen zu berichten sein. Zusätzlich geht es um die Ziele in diesen Bereichen und die Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele, aber „die Schwierigkeit besteht darin, zwischen Zivilrecht – Nutzung eines Gebäudes – und Sachenrecht – Bestandteil des Gebäudes – eine Trennung herzustellen“, erläuterte Andrej Grieb.

Derzeit gibt es aber noch wenige Best-Practice-Beispiele, wie man die neuen Vorgaben effizient umsetzt und welche Auswirkungen ESG für die Unternehmen haben. Dieses Thema behandelte Ulrike Gehmacher, Leiterin Group ESG Office der Erste Group in Österreich, indem sie die drei Sichtweisen auf ESG der Erste Bank erläuterte, denn „anders als andere Unternehmen ist die Erste Group als Bank durch ihre Tätigkeiten als kreditgebende:r Partner:in in allen Sektoren betroffen“.

Sie differenzierte zwischen der Finan­zierung, der Sicht der Eigentümer:innen und jener der Immobiliennutzer:innen. Dabei zeigte sie, dass ESG auch ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil sein kann. In Zukunft werden nur mehr „nachhaltige“ Investitionen und Unter­nehmen einen Kredit erhalten. Dafür sorgt die Green-Asset-Ratio-Rate. Das bedeutet, dass ein nicht nachhaltiges Geschäftsmodell eines Kreditnehmers oder einer Kreditnehmerin oder der Wert von nicht energieeffizienten Immobiliensicherheiten im Rahmen der Kreditvergabe negativ berücksichtigt wird. 

Es ist zu befürchten, dass in Zukunft nicht nachhaltige Projekte oder Unternehmen nicht mehr oder zu wesentlich höheren Kosten finanziert werden. Daher stellt eine effiziente Umsetzung der ESG-Reporting-Pflichten nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung dar, sondern sie kann auch helfen, rascher und einfacher Finanzierungen zu erhalten und sich zu differenzieren.

Das ist besonders für Immobilien-Deve­loper:in­nen und Immobilien­eigen­tümer:innen ein wesentliches Thema. Neben den Kund:innen wollen auch Mit­arbeiter:innen immer mehr für nachhaltige und vor allem soziale Unternehmen arbeiten. So lässt sich auch der War for Talent meistern und der langfristige Unternehmens­erfolg auch aus dieser Perspektive sicherstellen. Dies ist vor allem für die Mieter:innenperspektive auf ESG wichtig.

Die Zeitleiste ist herausfordernd
Ein wesentliches Ziel der Gesetzgebung wird meist übersehen. Die EU verpflichtet Unternehmen, bis 2050 CO₂-neutral zu sein. Bernd Hanke, Leiter des Technischen Facility Managements der Deutschen Bahn (DB) Station & Service, erläuterte anhand zahlreicher Praxisbeispiele, wie er und sein Team dieses Ziel umsetzen werden. Die Zeitleiste ist herausfordernd, da die DB bis 2038 nur mehr Grünstrom verwenden, 2040 ein vollständig klimaneutrales Unternehmen sein und Kreislaufwirtschaft zu diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent umsetzen will. 

Bernd Hanke betonte neben der ökologischen vor allem die soziale und unternehmerische Verantwortung. Um die Ziele zu erreichen, bewertet er die bekannten Maßnahmen und erstellte einen Maßnahmenkatalog mit rund 200 Aktivitäten. Beispiele sind bekannte Bereiche wie die Optimierung der Gebäudetechnik oder neue Methoden in der Wartung: „Predictive Maintainance ist uns dabei behilflich“, so Bernd Hanke. Dazu kommen noch der Ausbau von PV-Anlagen und der nachhaltige Umgang mit Bauabfällen sowie Dachbegrünungen.

Aber auch auf Mitarbeiter:innen wird ein Fokus gelegt. Hier investiert die DB in Weiterbildung und Zufriedenheit. Zusätzlich werden Analysen von Kund:innen und Anrainer:innen zur Gestaltung von Bahnhofsplätzen und zu Zusatzservices wie Postabholboxen herangezogen. „Die DB geht dafür auch neue, zeitgemäße Partnerschaften ein, um auf die Bedürfnisse der Kund:in­nen zu reagieren“. Darüber hinaus sollen Bahnhofsneubauten durch Standardelemente, die in Serienfertigung aus Holz produziert werden, CO₂-neutral errichtet und bewirtschaftet werden. 

Kreislaufwirtschaft im Fokus
Harald Hauke, Vorstandssprecher der ARA – Altstoff Recycling Austria AG, zeigte eine weitere Perspektive auf: Neben den bekannten Zielen der ESG wird die Kreislaufwirtschaft in den nächsten Jahren ein bedeutender Fokus der EU. Die Kreislaufwirtschaft ist schon in den ESRS-Kriterien enthalten. Zusätzlich zählt die Branche „Bauwirtschaft und Gebäude“ im EU-Aktionsplan KLW 2020 zu den Bereichen, in denen die meisten Ressourcen genutzt werden.

Derzeit liegt der Fokus auf der Planungs- und Ausschreibungsphase als großer Hebel für die KLW am Bau. Hier liegen die Ziele auf Langlebigkeit, modularer Bauweise, Trennbarkeit, Wiederverwendbarkeit von Bauteilen und der Verwendung von nachhaltigen Baustoffen und Sekundärrohstoffen: „Es geht darum, Material zu sammeln, aufzubereiten und wieder als Rohstoff zur Verfügung zu stellen. Wir müssen Abfall als neuen Rohstoff verstehen“, erläuterte Harald Hauke. 

Zusätzlich soll die Nutzungsdauer bestehender Gebäude durch Wartung und Sanierung verlängert und die stoffliche Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen erhöht werden. Harald Hauke betonte hierbei das Recycling von Alt­asphalt bei der Produktion von Neuasphalt, Recyc­lingbeton und die Verwertung von Bodenaushubmaterial. Dabei müssten Herausforderungen im Bereich Sortenreinheit und in der Vermeidung von Verbundstoffen (Stichwort: Wärmedämmung), Kosten und Logistik, vor allem aber die Vernetzung von Bedarf und Angebot über neue Plattformen überwunden werden.

Die ARA setzt hier schon einige Beispiele um und arbeitet für weitere innovative Lösungen eng mit der Wissenschaft zusammen: „So kann aus Baumaterialien wie jahrzehnte­alten Rigipsplatten Gips rückgewonnen werden, oder aus Kaffeesatz, unter Zuhilfenahme von Bindemitteln, neue Produkte wie z. B. Möbel oder Blumentöpfe mit integrierten Düngereigenschaften hergestellt werden.“

Innovative Lösungen im derzeitigen Zins- und Finanzumfeld sind ebenfalls gefragt. Das zeigte der Vortrag von Valentin Hofstätter. Während die Gas- und Ölpreise im Großhandel wieder unter dem Vorkriegsniveau liegen und auch die Inflation weiter zurückgeht, erwartet uns eine Rezession und gegebenenfalls auch Herausforderungen im Immobilienbereich, wie eine teilweise Neubewertung einiger Immobilien.

Insgesamt bringt die Gesetzesflut rund um ESG viele neue Aufgaben nicht nur für große Unternehmen, sondern über die nächsten Jahre auch für eine Reihe kleinerer Unternehmen, wie GesmbHs und börsennotierte KMUs.

Neue Arbeitswelten 
Homeoffice und hybride Arbeitswelten waren ebenfalls ein Thema am 16. IFM-Kongress. Stefan Wolter, Head of Global Real Estate Management der deutschen thyssenkrupp Services GmbH, erläuterte, dass sich die zukünftige Arbeitgeber:innenattraktivität maßgeblich an Angeboten zum „hybriden Arbeiten“ ausrichten wird und thyssenkrupp auch die Effizienzpotenziale und CO₂-Einsparungen damit lukrieren kann.

Zugleich aber vermissen viele Mit­arbei­ter:innen den persönlichen Kontakt. Daher ist sein Ziel, Agilität zu steigern, die Potenziale der Mitarbeiter:innen zu heben und hybrides Arbeiten mit einer besseren Work-Life-Balance, aber auch einer höheren Lebensqualität der Mitarbeiter:innen zu ermöglichen. So setzt er auch die wesentlichen Ziele der Führungskräfte um.

Thyssenkrupp stellt Verbesserungsinitiativen in einen übergreifenden Kontext und ermöglicht Identität und Impulse. Ein kollaboratives und kommunikatives Umfeld wird geboten, und für jede Tätigkeit steht eine optimierte aktivitätsbezogene Arbeitsumgebung zur Verfügung: „Wir haben uns darauf konzentriert, Räume anzubieten, wo sich die Mitarbeitenden austauschen können.“ Insgesamt steht das neue „office4tk“-Konzept für eine effiziente Flächenplanung und Activity-based-Planungsprinzipien, die etwa Kommunikation, Kollaboration, aber auch gezielt Konzentration fördern.

Zusätzlich eröffnet das Konzept die Möglichkeit, an verschiedenen Orten zu arbeiten. Kommunikation soll dabei vorwiegend im Büro und Einzelarbeit größtenteils im Homeoffice stattfinden. Stefan Wolter betonte für eine erfolgreiche Umsetzung die Bedeutung des Change-Managements: „Nur eine Veränderung der Mindsets aller Beteiligten kann zu einem erfolgreichen Einsatz neuer Arbeitsplatzkonzepte führen.“

Neue Studien präsentiert
Diese Aussagen werden auch durch die präsentierten Studien der Forschungsgruppe Immobilien und Facility Management (IFM) der TU Wien bestätigt. In einer Langzeitstudie über die Arbeitsplatzstrategien des Top- und Middle Managements zeigte sich, dass vor allem das Middle Management neue Arbeitswelten und auch dezentrale Bürostandorte näher bei den Mitarbeiter:innen, wie Satelliten-Office-Standorte oder Coworking-Spaces, fordert.

Das soll zur Stärkung des Employer-Branding und der Mitarbeiter:innenzufriedenheit sowie Mitar­bei­ter:in­nenbindung beitragen. Man erkennt auch ein Umdenken bei Manager:innen, die vermehrt die Ausstattung des Homeoffice gezielt durch Firmenmittel fördern, um so effizientes Arbeiten zu begünstigen und auch im Home­office das Wellbeing sicherzustellen.

Eine zweite wissenschaftliche Studie des IFM analysierte die Faktoren, die die Arbeitsplatz­attraktivität vor allem bei Berufseinsteiger:innen beeinflussen, und zeigte ebenfalls die Bedeutung von Autonomie und Flexibilität. Der große Einfluss der Arbeitsplatzgestaltung auf die Arbeit­geber:innenauswahl wurde betont.

Insgesamt zeigte sich, dass die Bedeutung der Arbeitsplatzgestaltung und das Thema hybride Arbeitswelten für das Employer-Branding und die Mitarbeiter:innenbindung im War for Talent rasant an Fahrt aufnehmen. Neben Best-Practice-Beispielen, wie denen von thyssenkrupp, helfen auch wissenschaftliche Studien, wie die des IFM, einen Einblick zu bekommen, wie man die richtigen Schritte effizient setzt und somit die Wettbewerbsfähigkeit erhält oder sogar steigert.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Praktiker und Wissenschaftler beim 16. Internationalen Facility-Management-Kongress viele Möglichkeiten aufzeigten, um sich genau jetzt für die Zukunft fit zu machen. Apropos Zukunft: Das Datum für den nächsten IFM-Kongress steht bereits fest. Er findet am 21. und 22. November 2024 statt. (RNF)