Die Zusammenhänge verstehen

NEW BUSINESS Guides - INDUSTRIE GUIDE 2023/2024
Wissensvermittlung ist eine Herzensangelegenheit des gebürtigen Salzburgers Roman Oberauer, Country Managing Director von NTT Ltd. in Österreich. © RNF

Längst schon ist die Industrie digital geworden. Aber mittlerweile basiert fast jeder Businessprozess auf Bits und Bytes.

Unternehmen wie NTT Ltd. helfen dabei, die entstandene Komplexität nicht nur zu beherrschen, ­sondern daraus auch echten Mehrwert zu generieren.

IT durchzieht heute nicht nur jedes Unternehmen, egal welcher Branche, sondern ist auch zur Grundlage der Businessprozesse geworden – neuer wie alter. Die Zusammenhänge zwischen einzelnen Systemen, aber auch zwischen der Technologie und den Menschen, die sie nutzen, haben eine enorme Komplexität erreicht. Um sie nicht nur zu verstehen, sondern auch zum Vorteil des eigenen Unternehmens nutzen zu können, braucht es Unterstützung von externen oder internen Experten.

Einer dieser Experten ist der weltweite IT-Dienstleister NTT Ltd., der mit seinen rund 50.000 Mitarbeiter:innen Dienstleistungen in mehr als 200 Ländern erbringt und so seine globale Expertise zu den Kunden in lokale Märkte bringt. NEW BUSINESS hat sich mit Roman Oberauer, dem Country Managing Director von NTT Ltd. in Österreich, über die Spannungsfelder zwischen dem Einsatz modernster Technologien und dem einzelnen Nutzer, aber auch zwischen den verschiedenen Generationen im Arbeitsleben mit ihren individuellen Zugängen zur Nutzung von IT unterhalten.

Herr Oberauer, wir befinden uns heute in einer Situation, in der Homeoffice etabliert ist, geschätzt wird, aber auch viele Mitarbeiter:innen gerne im Büro arbeiten. Durch diese Mischung ist alles noch ein Stück komplizierter geworden. Wo drückt da Ihrer Erfahrung nach die Unternehmen der Schuh am meisten?
Ich glaube, der ganze Onboarding-Prozess ist im Zusammenhang mit Hybrid Work sicher anders geworden und ein bisschen schwieriger. Es sind nicht immer alle potenziellen Kollegen, die einem New Hire helfen, auch verfügbar. Gerade in der Lernphase sind kurze Rückfragen und Hinweise ganz wichtig. 

Kann da Technologie als Problem­löser fungieren?
Natürlich, und das wird auch genutzt. Ich habe über diverse interne Chats die Möglichkeit, kurz rückzufragen. Das ist technisch möglich, es ist aber trotzdem eine Hürde. Wenn ich mir beispielsweise einen Kaffee im Büro hole, dann kann ich auf dem Weg Dinge besprechen. Ich sehe jemanden, mir fällt etwas ein, das ist dann ganz schnell abhandelbar. Das mache ich vielleicht online eher nicht, oder mir fällt es gar nicht ein, weil ich die Person nicht sehe. Man muss diese Möglichkeiten bewusster nutzen. Die jüngere Generation kommuniziert generell schon so. In der älteren Generation gibt es doch noch die eine Welt und die andere Welt, und der Mix ist noch nicht so etabliert.

Sie sprechen damit die Unterschiede zwischen den Generationen im Arbeitsleben an. Beschäftigen Sie sich schon länger damit?
Im Bereich der Wissensvermittlung, die eine Herzensangelegenheit von mir ist, war das immer schon ein Thema. Erfahrene Expertinnen und Experten bringen den Jüngeren etwas bei. Und auch umgekehrt, das ist ganz ein wichtiger Punkt! Gerade über neue Technologien, künstliche Intelligenz, Social Media oder neue Tools können die Älteren von den Jüngeren etwas lernen. Da braucht es viel Offenheit dafür, dass man immer etwas Neues lernen kann.

Fakt ist, dass die unterschiedlichen Generationen die Dinge anders sehen, dass sie ihr Wissensnetz unterschiedlich aufgebaut haben bzw. aufbauen, dass die Wege, um zu neuem Wissen zu kommen, ganz andere sind. Die ältere Generation hat sich faktisches Wissen als Gesamtes angeeignet, und die jüngere Generation weiß, wo sie es findet. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Menschen lernen nur dann, wenn sie einen Anknüpfungspunkt zum eigenen Wissensnetz haben. Das muss man irgendwie vereinen und abbilden. Wenn man sich abfällig darüber äußert, dass die Jungen alles googeln oder bei Chat GPT eingeben, übersieht man, dass das auch definitiv ein Skill ist – und ein großer Mehrwert. Wir können von den Jungen wirklich etwas lernen.

Also eigentlich haben sie das verinner­licht, was als Zitat Albert Einstein zugeschrieben wird: Wissen heißt ­wissen, wo es geschrieben steht.
Genau. Und wir selbst, die schon ein bisschen länger im Berufsleben sind, vergessen gern, dass es bei uns auch schon so geworden ist. Kaum jemand merkt sich noch Telefonnummern. Wir selbst haben uns auch stark verändert. Wir glauben manchmal, wir sind noch die Alten, aber das sind wir lange schon nicht mehr.

Welche Gruppe ist die größere ­Herausforderung, wenn es darum geht, die Generationen im Unternehmen unter einen Hut zu bringen?
Wenn ich beide Gruppen betrachte, ist es nur dann schwierig, wenn ich mich auf eine Seite schlage. Weil dann wird es schwer, die andere Seite zu überzeugen. Ich muss als Führungskraft die unterschiedlichen Zugänge respektieren und dann eine Schnittmenge suchen beziehungs­weise Lücken, die ich möglicherweise schließen kann. Ich muss das Verbindende finden, dann ist es machbar. Das war schon immer eine Challenge. Ob das im alten Griechenland war oder jetzt in der modernen Neuzeit, es gab immer eine Kluft zwischen den Generationen.

Es geht also nicht darum, Die Unterschiede „auszubügeln“ und Menschen „zurechtzubiegen“, sondern sie mit ihren individuellen Fähigkeiten an der richtigen Stelle einzusetzen?
Ja, natürlich. Es gibt eine große Diversität, und ich glaube, das hat sich auch verändert. In den Unternehmen gibt es immer weniger Standard-Jobprofile. Ich merke das selbst. Wenn wir in letzter Zeit eingestellt haben, haben wir nie eins zu eins nachbesetzt. Wir haben uns angesehen, was die Person an Skills mitbringt und wie wir die Aufgaben in den Teams verteilen. Das wird immer maßgeschneidert, um die Stärken einer Person zu nutzen. Wenn ich darauf Rücksicht nehme, sieht die Person eher den Sinn im eigenen Tun. Das hat natürlich auch irgendwo eine natürliche ­Grenze, es ist nicht nur Cherry­-picking. Aber wenn es Wünsche gibt, versuchen wir, darauf einzugehen.

Oft hört man, dass manche jüngere Arbeitnehmer mit überzogenen Vorstellungen in Unternehmen kommen.
Das kommt darauf an, aus welcher Sicht das Ganze betrachtet wird. Junge Menschen haben andere Vorstellungen hinsichtlich Arbeitszeiten, andere Vorstellungen hinsichtlich der Freizeitgestaltung. Auch sind die Grenzen ein bisschen verschwommener, was Privates und Berufliches angeht. Jemand, der das Berufsleben anders kennt, sagt vielleicht, das ist überzogen. Die Jungen sehen das überhaupt nicht so. Es sind weniger junge Menschen, die nachkommen. Sie sind gut – meistens sehr gut – ausgebildet und werden gebraucht. 

Das heißt, wir haben einen großen Bedarf. Sie kennen definitiv ihren Wert – den wir ihnen auch über Jahre vermittelt haben. Man muss sich dann irgendwo in der Mitte finden. Ich habe auch schon echt überzogene Vorstellungen gehört. Es ist aber so, dass man mit den Menschen reden kann.

Wo kommt da NTT ins Spiel? Wie kann man Unternehmen als IT-Dienstleister und IT-Berater dabei unterstützen, diese teilweise sehr unterschiedlichen Anforderungen unter einen Hut zu bringen?
Wir bieten, was das Hybrid Work angeht, genau diese Lösungen an. Sei es in der Hardware, in der Software und vor allem in der Beratung. Es gibt viele verschiedene Tools, und ganz selten haben wir den Fall, dass es ein Greenfield-Ansatz in einem Unternehmen ist. Es sind ja bestehende Systeme vorhanden.

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten von Kommunikationskanälen, und unterschiedliche Generationen brauchen unterschiedliche ­Kommunikationskanäle. Unsere Aufgabe ist es, mit dem Investment, das ein Unternehmen in die Infrastruktur tätigt, am weitesten zu ­kommen. Das heißt, die Lizenzierungen zu beachten, und die Möglichkeiten der Nutzung der Features so gut wie möglich zwischen den Systemen zu verheiraten, um so auszureizen, was möglich ist, und dabei die Kosten im Blick zu haben. Und so die Produktivität mit den neuen Möglichkeiten zu erhöhen. Da geht es nicht nur um Office und Homeoffice.

Unter unseren Kunden sind auch Industrieunternehmen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Fabrikhallen oder auf Montage unterwegs sind, fernab von einem PC oder von einem Notebook. Auch die müssen kommunizieren, zum Beispiel auch mit Augmented-Reality-Brillen, wie wir es in der Corona-Zeit für einen unserer Kunden umgesetzt haben. Er musste in Mexiko Wartungen durchführen, es war aber nicht möglich, dort hinzufliegen. Ob es Montagetechniker:innen sind, Wartungs­tech­niker:innen oder Hubschrauber­pilot:innen, es geht letztendlich darum, alle Arbeitsplätze in die IT-Infrastruktur einzubinden. Das ist dann der nächste Schritt. Office und Homeoffice sind schon relativ gut abgedeckt.

Eine der verbliebenen Challenges sind Mixed Meetings. Manche sitzen in einem Raum im Office, die anderen zu Hause, und alle müssen sich gut sehen und hören. Da trennt sich bei den verschiedenen Systemen die Spreu vom Weizen, wenn man eine gute Experience für alle schaffen will.

Wenn verschiedene Menschen verschiedene Tools brauchen und nutzen, klingt das nach Wildwuchs in der IT.
Es ist zum Teil ein Wildwuchs und manchmal auch ein geordneter Wildwuchs. Das ist eine große Challenge, weil sich die Tools, die Anwendungen sehr schnell entwickeln. Unsere Aufgabe ist es, das alles so weit wie möglich zu konsolidieren, wartbar und im Überblick zu behalten. Man muss auch gewisse Freiheitsgrade zugestehen, solange das nicht gegen Compliance-Regeln oder IT-Rules verstößt.

Wir konzentrieren uns im Wesentlichen darauf, die Hauptsysteme miteinander zu verbinden und zu konsolidieren. Diesen Wildwuchs, den gibt es, da brauchen wir uns nichts vorzumachen, weil es hunderte Tools gibt. Die Unternehmen brauchen einen Überblick über ihre Lizenzen, und wir achten darauf, ihre Kosten und den Nutzen in Balance zu halten. Das ist anders als früher, als man ein monolithisches System hingestellt hat, etwa eine Telefonanlage, und das war’s. Heute entwickeln sich die Dinge sehr schnell. Wenn wir etwas implementieren, ist das eine laufende Betreuung und Optimierung. Wir reden ja von Use-Cases. Ich habe eine bestimmte Plattform, wie bilde ich darauf diesen Use-Case, diesen neuen Business-Prozess beim Kunden am besten ab?

Derzeit wird viel über künstliche Intelligenz gesprochen. Besonders über generative KI, denn „normale“ KI umgibt uns ja schon lange. Wo ergibt es für NTT Sinn, KI einzusetzen?
Generative KI ist die nächste Stufe. Machine-Learning gibt es seit Jahren. Das beste Beispiel dafür ist unser Cyber Security Center. Man hat extrem viele Daten und muss eine Quintessenz daraus generieren. Das wäre ohne Machine-Learning unmöglich. Der nächste Schritt ist, auf dieser Basis automatisiert Maßnahmen zu setzen, sei es im Bereich Cybersecurity oder generell im Betrieb von großen Infrastrukturen. Wir haben einen großen, globalen Getränkekonzern genau in diese Richtung begleitet, um die notwendige menschliche Interaktion, um Fehler zu bearbeiten und zu beheben, auf einen Bruchteil zu reduzieren. Algorithmen bereiten die Informationen im Hintergrund auf, generieren automatisch Tickets und setzen auch aktiv Taten. 

Oder auch in der Optimierung von Netzen. Beispielsweise wenn sich ein Wireless-LAN-Netz selbst optimiert und aufgrund der Lasten und der Menschen, die sich in dem Netz befinden, für einen Lastausgleich sorgt. Das ist ein großer Mehrwert, denn das muss in Echtzeit passieren. Predictive Maintenance ist auch ein gutes Beispiel. Wenn in einem Bereich gehäuft Fehler auftreten, kann man bestimmte Fehlermuster ableiten und vorausschauend eingreifen.

Ganz wichtig ist mir zu betonen, dass das immer als Unterstützung für die Mitarbei­ter:innen zu sehen ist. Die KI macht nicht alles für mich, und ich sehe keine Gefahr, dass uns KI dominieren wird, weil immer noch Menschen gebraucht werden, um Entscheidungen zu treffen. Um eine KI „klug“ zu machen, braucht es zwei Elemente: die Analyse großer Datenmengen aus der Machine-Learning-Welt und Supervised Learning, wo Menschen einen Algorithmus gezielt trainieren, auch für spezielle Fälle, die nicht gehäuft auftreten, aber eventuell drastische Auswirkungen haben. Man braucht immer beides, um einen Algorithmus weiterzuentwickeln und wirklich gut zu machen.

Es gibt gewisse Ressentiments gegen KI. Wie kann man die Menschen da abholen?
Ich glaube, die Angst vor KI kann man am besten dadurch nehmen, indem man erklärt, wie sie funktioniert. Die Technologie ist menschengemacht und an sich neutral. Menschen setzen sie ein, und das kann zum Guten wie zum Schlechten passieren. Nehmen wir das Beispiel Cybercrime, eine reife und hoch automatisierte Industrie, die künstliche Intelligenz und Machine-Learning sehr effektiv und erfolgreich nutzt. Aber auch im Cybersecurity-Bereich wird KI zur Verteidigung eingesetzt, ebenfalls sehr effektiv und erfolgreich. Die Unternehmen bereiten sich darauf vor und schützen sich.

Automatisierung und Standardisierung hat es immer gegeben. Als der Kopierer erfunden wurde, gab es ganze Hallen mit Schreibmaschinen, die nicht mehr gebraucht wurden. Ich sehe aber keine Gefahr, dass auf lange Sicht deswegen Arbeitsplätze verloren gehen. Besonders in Anbetracht dessen, dass immer weniger Menschen dem Arbeitsmarkt zufließen.

Sind es diese „fancy“ Themen wie ­Augmented Reality oder künstliche Intelligenz, die in den Unternehmen vorherrschen? Oder sind es doch „bodenständigere“ Dinge? Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen Ihrer Kunden im Industriebereich?
Ein Grundthema ist es, wie ich mein System auslege, um damit möglichst weit in die Zukunft zu kommen, und wie das Lifecycle-Management dahinter aussieht. Wie kann ich meine Investition in zwei, drei, vielleicht fünf Jahren auch noch nutzen, wie kann ich darauf aufbauen? Lifecycle-Management klingt vielleicht abgedroschen, aber das ist ein ganz wichtiges Thema. Was bekomme ich aus meinem investierten Euro raus? Das zu antizipieren, ist nicht immer ganz leicht, weil niemand weiß, was in fünf Jahren sein wird. Die eine Sache ist also, so weit wie möglich Investitionsschutz zu geben, ganz nüchtern und simpel. 

Ein anderer Punkt ist, das Ganze sicher zu machen. Security ist ein extrem weites Feld. Sprechen wir von OT-Security, ist es IT-Security? Da schauen die Kronjuwelen der Unternehmen jeweils unterschiedlich aus. Wir identifizieren sie, und von dort arbeiten wir uns weiter. Und natürlich die Kommunikation, über die wir schon gesprochen haben. Wie kommunizieren meine Mitarbeiter:innen, wie erreiche ich die Menschen? Mit allgemeinen Informationen, aber auch in Notfällen. Das sind die großen ­Themen.

Das klingt so, als würden sich die Unternehmen nach der „guten alten Zeit“ sehnen, wo man ein System implementiert hat, und das läuft dann für Jahrzehnte ohne große Eingriffe.
Diese Welt gibt es nicht mehr, auch wenn man es sich vielleicht wünscht. Heutzutage muss man mehr in Abhängigkeiten, in Schnittstellen und Durchgängigkeiten denken. In jedem Business-Case, jedem Use-Case habe ich viele Schnittstellen und Datenquellen. Es geht mehr um Orchestrierung, sei es jetzt in der Basisinfrastruktur oder auf Applikationsebene. Ich brauche Menschen, die end to end die Zusammenhänge verstehen, um abschätzen zu können, was sich im System Z ändert, wenn ich im System A etwas verändere. Das ist ein wesentlicher Skill, und es ist unsere Aufgabe, den Unternehmen einen Überblick darüber zu verschaffen. (RNF)