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Martin Wallner, Vice President Austria & Switzerland, Vivo Europe, im Interview © Christina Haeusler

Mit Martin Wallner hat der Smartphone-Hersteller Vivo von Anfang an einen erfahrenen Steuermann ans Ruder der noch jungen österreichischen Niederlassung geholt.

Für Martin Wallner ist es nicht das erste Mal, dass er für ein asiatisches Unternehmen tätig ist, und auch nicht das erste Mal, dass er bei den ersten Schritten auf dem österreichischen Markt dabei ist. Ein bisschen hat es ihn aber doch auch selbst überrascht, dass er diesen Weg noch einmal geht. Diesmal mit dem chinesischen Smartphone-Hersteller Vivo, für den sich der Branchenkenner als Vice President Austria & Switzerland in den aktuell nicht ganz einfachen Zeiten ins Zeug legt. Mit NEW BUSINESS sprach er unter anderem über die Gründe für den Markteinstieg, die Unternehmenskultur von Vivo und die Pläne des Unternehmens.

Können Sie uns vielleicht das „Verwandtschaftsverhältnis“ der Unternehmen Vivo, Oppo, OnePlus und Realme erklären? Da herrscht doch noch etwas Verwirrung.
Aus der chinesischen BBK Electronics sind Oppo und Vivo entstanden. Oppo ist aus der Consumer-Electronics-Sparte von BBK entstanden, Vivo aus der Telekommunikationssparte. Das sind aber heute völlig eigenständige Unternehmen, mit eigener R&D und eigenen Fabriken, die sowohl in Asien als auch in Europa als Konkurrenten auftreten. Aus der Oppo wiederum sind Realme und OnePlus entstanden. Die haben mit Vivo überhaupt nichts mehr zu tun.

Sie sind aber alle nicht mehr unter dem Dach der BBK, oder?
Nein. Das wird aber manchmal verwechselt oder vermischt. Es sind zwei eigenständige Unternehmen, die beide ihren Ursprung in der BBK hatten und aus denen wiederum Sub-Brands entstanden sind.

Wie kam es zu der Gründung der österreichischen Niederlassung von Vivo, und wie ist es in diesen ungewöhnlichen Zeiten gelaufen?
Den Brand Vivo gibt es seit 2011. Wir haben im Jahr 2021 unseren zehnten Geburtstag gefeiert. Man hat sich am Beginn auf den Heimmarkt konzentriert und dann begonnen, in Asien zu expandieren. Am chinesischen Heimmarkt ist Vivo seit drei Quartalen in Folge mit Abstand die Nummer eins und in anderen asiatischen Ländern in den Top drei. Dann erfolgte 2020 die Entscheidung, nach Europa zu kommen. Ein denkbar schwieriger Start mit Beginn der Pandemie. So wurde vieles verschoben. Die Euro 2020, bei der Vivo Hauptsponsor war, war ja auch für 2020 geplant, und eigentlich hätte der Start schon ein bisschen früher stattfinden sollen. So wurde 2020 mit den sechs großen Ländern in Europa begonnen. Wir hätten auch schon 2020 anfangen sollen, haben das dann aber um ein Jahr nach hinten verschoben und haben die Firma letztendlich am 1. Jänner 2021 gegründet. Es fühlt sich fast wie ein Start-up an – ein Start-up mit Konzernhintergrund. Wir haben in den ersten Monaten selbst die Möbel zusammengeschraubt, Mitarbeiter eingestellt, erste Kundengespräche geführt, die technischen Voraussetzungen geschaffen, die Serviceverträge. Eben alles, was dazugehört, wenn man bei null startet. 

Wie ist es dann weitergegangen?
Unsere Strategie war es, mit nur drei Kunden zu starten, diese dafür aber in jeder Hinsicht ordentlich zu bedienen. Darunter verstehen wir in der gesamten Wertschöpfungskette Dinge wie Lieferfähigkeit oder Termintreue, trotz des derzeit mehr als schwierigen Umfelds. Begonnen zu verkaufen haben wir mit einem Mobilfunkanbieter, einem Elektrofachhandel und einem Onlineshop, zeitgleich mit dem Beginn der Euro 2020/21, also am 18. Juni. Bis heute (Anm.: das Interview wurde im Dezember 2021 geführt), nach knapp sechs Monaten, haben wir einen Marktanteil von fast fünf Prozent. Das ist in meiner Laufbahn einzigartig. Ich bin seit 20 Jahren im Geschäft, nach sechs Monaten bereits ein Marktanteil von fünf Prozent ist schon recht cool. Natürlich ist das auch von ein paar „glücklichen Fügungen“ beeinflusst. Wir haben gutes Feedback von unseren Kunden bekommen. Im September/Oktober haben wir mit der zweiten Welle begonnen, da sind A1 und der restliche Handel dazugekommen. In Österreich fehlt uns nur noch Magenta, das ist der nächste Schritt 2022. Dann ist Vivo flächendeckend in Österreich verfügbar. 
Die nächsten Schritte sind mannigfaltig. Natürlich auch mit einem neuen Produkt-Line-up am Point of Sale. Wir bauen schon die ersten Shop-in-Shops, Tische im Handel, investieren auch in unsere Marke. Nach fünf Prozent wird es ja deutlich schwieriger, dann muss man in die eigene Marke und Brand-Awareness investieren. Es gibt viel, das wir für 2022 planen. Wir sind wieder Hauptsponsor der Fußball-WM 2022, die im Winter stattfinden wird. Bis dahin wollen wir schon ein ganzes Stück weiter sein, aber ohne uns selbst Ziele, wie einen gewissen Marktanteil, vorzugeben. Wenn wir unsere Arbeit richtig machen, dann ist das Resultat nur eine Folgeerscheinung. Das ist auch ein bisschen die Vivo-Story. Wir hatten gestern zufällig ein Meeting mit dem Founder von Vivo. Der wiederholt gebetsmühlenartig, dass es nicht so wichtig ist, wie schnell oder aggressiv wir am Markt agieren, sondern dass es ihm viel wichtiger ist, ordentlich zu arbeiten und Kundenvertrauen zu gewinnen. Das hat nichts mit Altruismus zu tun. Aber es ist trotzdem ein deutlicher Unterschied unserer Firmenkultur zu anderen, egal von wo.



„Wenn wir unsere Arbeit richtig machen, dann ist das Resultat nur eine Folgeerscheinung.“ 
Martin Wallner, Vice President Austria & Switzerland, Vivo Europe


Als Nummer Eins in China, was keine einfache Sache ist, wenn man sich ansieht, welche Unternehmen es dort gibt, und weltweite Nummer Vier frage ich mich: Was macht Vivo aus? Es kann nicht nur um den Preis gehen.
Vivo ist ein bisschen ruhiger als der Mitbewerb. Weniger ist mehr. Das zieht sich auch bis zu den Produkten. Kamera first, dann Ausdauer und Design, mit einem Fast-Stock-Android. Bei uns hören Sie auch nur sehr selten Produktsuperlative wie Ultra, Zero, oder was auch immer. Natürlich sagen wir, zum Beispiel auch jetzt durch unsere Kooperation mit Zeiss, dass wir das beste Kamera-Erlebnis der Welt bieten wollen. Andere Brands haben das in der Vergangenheit auch durchaus gut umgesetzt. Das ist zwar noch ein hoher Anspruch, aber es ist unser Anspruch. Ebenso wie jener, dass wir unsere Geräte nicht mit Bloatware (Anm.: vorinstallierte zusätzliche Software/Apps) überfüllen. Keep it simple! Das zieht sich durch die Firmenkultur. Wir unterscheiden uns nicht nur über den Preis. Wir sind, abgesehen von den Top-Flagship-Phones, für die vierstellige Preise verlangt werden, in fast jeder Preis-Range vertreten, vom Highend bis zum Einstieg, und versuchen dort in jeder Klasse wertiges Design mit super Technik zu platzieren.
Jeder Hersteller hat in Wirklichkeit zwei Kunden. Der eine ist der Kunde, dem wir die Telefone verkaufen, und die anderen sind die Millionen von Endkunden, die letztendlich unsere Telefone nutzen. Was sehr wichtig ist, ist das Vertrauen unserer B2B-Kunden wie Netzbetreiber oder Handelspartner. Es ist egal, ob wir unsere Vorhaben 2021, 2022 oder 2023 umsetzen, aber wir wollen keine verbrannte Erde hinterlassen. Kein Heuschreckentum, bei dem irgendetwas auf den Markt geworfen wird, und dahinter kommt die Sintflut. Unser Firmenslogan lautet „Benfen“, was so viel bedeutet wie „das Richtige richtig machen“. Ich kenne viele Firmen, bei denen irgendein Slogan an der Wand hängt. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir das jeden Tag leben. Manchmal ist das schwierig, weil man sich einbremsen muss, wenn man eigentlich gern aggressiver oder schneller handeln würde. Aber dann besinnen wir uns darauf, es ordentlich zu machen – gerade in Zeiten von Chipmangel oder unterbrochenen Lieferketten durch Corona. Ich kenne viele Beispiele in der Branche, wo mehr verbrannte Erde hinterlassen wurde, als es vielleicht gut war. Wir wollen ordentlich abliefern.
Zusammengefasst: Wir wollen unseren B2B-Kunden ein vertrauenswürdiger Partner sein und gleichzeitig für die vielen Endkunden den Vivo-Brand etablieren, der in Asien schon weiter ist als in Europa. Bei den Geräten nach dem Motto „Keep it simple. Don’t overload it“.



„Unser Firmenslogan lautet ‚Benfen‘, was so viel bedeutet wie ‚das Richtige ­richtig machen‘.“ 
Martin Wallner, Vice President Austria & Switzerland, Vivo Europe


Sie haben genau das, was Sie jetzt tun, auch schon mit Samsung „durchgemacht“ und eine Niederlassung in Österreich von Anfang an mit aufgebaut. Was hat Sie bewogen, das noch einmal anzugehen?
Genau das, worüber wir gerade gesprochen haben. Da ich schon 2019 angesprochen wurde und sich alles durch Corona verzögert hat, hatten wir viele Gespräche. Nachdem ich mit Samsung bei null angefangen habe und wir es zur Nummer eins geschafft haben, habe ich gedacht, dass es für mich das jetzt war mit der Branche. Ich bin nicht umsonst von Samsung weggegangen. Ich wollte etwas anderes machen. Es gab dann zwei Faktoren: Erstens hat mir die Branche ein bisschen gefehlt, weil es kaum etwas Schnelleres und Cooleres gibt, und das Zweite war, dass mich Vivo vom ersten Gespräch an nie gefragt hat, wie ich es anstellen will. Man hat mir geglaubt, dass ich ein Professional bin, wichtiger war aber, ob ich zur Firmenkultur passe. Es gab viele Gespräche, ob ich zu „Benfen“ passe. In der Zwischenzeit mache ich das ähnlich. Wir haben schon einige Mitarbeiter eingestellt und suchen auch noch eine Handvoll Leute. Natürlich stellen wir Professionals ein. Aber die finale Auswahl findet danach statt, ob sie oder er zu unserer Firmenphilosophie passt. Das ist ein komplett anderer Ansatz und der Grund, warum ich mich für Vivo entschieden habe.

Gibt es einen Grund, warum sich Vivo Gerade jetzt nach zehn Jahren entschlossen hat, den europäischen Markt anzugehen? Oder war einfach die Zeit reif dafür?
Das ist einfach erklärt. Wenn du heute nicht in Europa bist, bist du kein globaler Brand. Das war einfach der nächste Schritt. Vivo ist auch nicht der Erste, der das macht, das haben andere, die es noch gibt, und manche, die es auch nicht mehr gibt, genauso gemacht. Egal aus welcher Ecke der Welt ein Unternehmen kommt: Wenn man in Europa nicht erfolgreich ist, ist man kein globaler Brand.

Apropos erfolgreich in Europa: Wie hat sich aus Ihrer Perspektive der heimische Markt entwickelt?
Gerade erst hatten wir drei Wochen Lockdown, beginnend in einer Black Friday Week, was hart und traurig ist. Auf der anderen Seite ist es spektakulär, dass der österreichische Markt sich trotzdem nicht verändert. Wenn man die Stückzahlen betrachtet, sind es relativ stabil 2,5 Millionen. Immer wenn Lockdown war, wurde das nachher wieder aufgeholt. Das lässt sich über die vergangenen zwei Jahre hinweg verfolgen. Vom Wert steigt der Markt sogar zweistellig.
Dafür gibt es natürlich Gründe. Österreich ist ein sanduhrenförmiger Markt. Es gibt einen großen Anteil an Highend, in der Mitte wird es deutlich dünner, und dann gibt es einen Einstiegsbereich. Der Einstiegsbereich verschiebt sich aber auch nach oben. Früher war er durch 4G und Co. deutlich unter 200 Euro. In der Zwischenzeit liegt er bei 250 bis 300 Euro. Das ist einer der Gründe, warum der Markt vom Wert steigt. Der zweite Grund ist, dass im Flagship-Bereich vierstellige Preise bezahlt werden. Das bringt mich zum nächsten Punkt. Man sieht zum ersten Mal einen wirklichen Trend zu 5G. Letztes Jahr lag das noch bei um die 20 Prozent, in der Zwischenzeit bewegt sich das rasant in Richtung 70 plus. Dadurch liegt das Einstiegssegment ein bisschen höher, was den Gesamtmarkt wertiger macht.
Das Verhältnis vom Betreiber- zum offenen Markt ist auch fast gleichbleibend, in Österreich, was die Stückzahlen betrifft, etwa 50 zu 50, was ich sehr gesund finde, und hinsichtlich des Werts bei ungefähr 60 zu 40. Natürlich sind wir noch immer von zwei großen Brands dominiert. Dann gibt es noch zwei, die jetzt im Kommen sind.

Ich habe kürzlich auch mit Herrn Woschitz von ZTE ein Interview geführt und dabei Vivo erwähnt. Er freut sich auf den Wettbewerb. 
Da bin ich mir nicht sicher, ob er das ganz ernst meint und sich wirklich darauf freut. (lacht)

Sie haben vorhin die Chipkrise angesprochen. Ist die ein Thema für Vivo?
Von der kann sich auch Vivo nicht entkoppeln, alle sind gleich betroffen. Der Vorteil, den wir haben, ist, dass für Vivo Europa strategisch so wichtig und zugleich noch so überschaubar ist, dass es derzeit komplett versorgt wird. Das hilft uns dabei, das Vertrauen, das unsere Kunden in uns setzen, zu rechtfertigen, da wir bisher auf Punkt und Beistrich alles gehalten haben, was wir versprochen haben. Aber weltweit ist es natürlich ein Thema. Was ein noch viel größeres Thema ist, das sind Frachtkapazitäten. Es ist heute ein Kampf um Flugzeuge. Die Kosten des Transports haben sich verzehnfacht, egal ob wir von Containern oder Flugzeugen sprechen. Das ist mittlerweile dramatisch.

Das Unternehmen hat doch auch eigene Fabriken in Pakistan und der Türkei bzw. baut es sie gerade auf. Werden Sie von dort beliefert?
Es ist geplant, dass die Fabrik in der Türkei einmal einen Großteil von Europa übernimmt. Aber da sie erst kürzlich eröffnet wurde, reden wir da noch von der Zukunft. Es sind auch Logistik-Hubs geplant, aber Europa ist wie gesagt erst im Aufbau. Das Ziel ist es, mit der Produktion näher an die Märkte zu rücken.



„Unser Ziel ist nicht, Nummer drei, zwei oder eins zu werden, sondern unsere Arbeit ordentlich zu machen und letztendlich unsere B2B- und unsere Endkunden davon zu überzeugen, dass wir eine coole Company sind.“ 
Martin Wallner, Vice President Austria & Switzerland, Vivo Europe


Mit seiner Gimbal-Handykamera hat Vivo aktuell ein tolles Ass im Ärmel. Im Foto-Bereich ist das beeindruckend. Man kennt das derzeit doch noch eher von Drohnen und Action-Kameras. Auch die Kooperation mit der Traditionsmarke Zeiss ist sicher ein gutes Verkaufsargument.
Bei uns geht das auch tiefer. Wir haben mit Zeiss eine gemeinsame Entwicklung. Es geht dabei nicht nur darum, eine Linse zu verbauen und auf das Mobiltelefon Zeiss zu schreiben. Man darf sich schon darauf freuen, was 2022 kommt.

Neben Smartphones hat Vivo auch in Österreich die schon fast obligatorischen Wireless-Kopfhörer auf den Markt gebracht. Ist es geplant, das Portfolio im Bereich Zubehör bzw. Gadgets zu erweitern?
Vivo konzentriert sich derzeit auf das Thema Smartphone mit den dazugehörigen Produkten wie natürlich Accessorys. Es wird auch eine Smartwatch geben, Tablets, alles, was Mobility betrifft. Aber darüber hinaus ist derzeit nichts geplant.

Es wird kräftig investiert. Gerade erst gab es die Meldung über ein neues 5G-Testlabor von Vivo, dann die neuen Fabriken. Da steht ein massiver Drive dahinter.
Wenn man heute ein globaler Player werden will – wir sind ja schon auf Platz vier –, bedarf der nächste Schritt entsprechender Investments, was Infrastruktur oder auch Forschung und Entwicklung betrifft. Weil technische Anforderungen sogar in Ländern, aber auf jeden Fall auf verschiedenen Kontinenten unterschiedlich sind.

Das Ziel ist also, global in die Top drei zu kommen, in Österreich sowieso, aber mit dem Ansatz „das Richtige richtig zu machen“. Kann man das zusammenfassend so sagen?
Diesen Satz werden Sie von keinem unserer Mitarbeiter hören. Unser Ziel ist nicht, Nummer drei, zwei oder eins zu werden, sondern unsere Arbeit ordentlich zu machen und letztendlich unsere B2B- und unsere Endkunden davon zu überzeugen, dass wir eine coole Company sind. Alles andere ergibt sich sowieso von allein. Es entspricht einfach nicht unserer Kultur. (RNF)