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„Die Rentabilität der Unternehmen gerät durch die hohe Inflation, steigende Zinsen und den engen Kapitalmarkt zunehmend unter Druck. Längere Zahlungsfristen und ein höheres Risiko von Zahlungsausfällen sind deshalb wahrscheinlich.“ Michael Kolb, Vorstand Acredia © Acredia/L. Schedl

Wie schätzen Exporteure ihre Chancen für 2023 ein? Welche Herausforderungen stehen an oberster Stelle?

Antworten auf diese und weitere Fragen gibt eine weltweite Umfrage unter 3.000 Exportunternehmen des Kreditversicherers Acredia gemeinsam mit Allianz Trade.

Die Herausforderungen im Welthandel sind nach wie vor groß. Die Krisen der letzten Jahre, von der Covid-19-Pandemie bis zur Invasion der Ukraine, sind noch nicht ganz ­vorüber, schon ziehen neue Wolken in Form von hoher ­Inflation und steigenden Zinsen am Wirtschaftshimmel auf. Acredia, die führende Kreditversicherung in Österreich, wollte wissen, wie sich die aktuelle Situation auf den Welthandel auswirkt, und hat gemeinsam mit Eigentümer Allianz Trade eine globale Umfrage durchgeführt. „Wir haben weltweit rund 3.000 Exporteure aus Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Polen, dem Vereinigten Königreich und den USA zu ihren Erwartungen für 2023 befragt“, sagt Michael Kolb, Vorstand bei Acredia. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Exporteure zwar optimistisch hinsichtlich des Umsatzwachstums sind, jedoch steigt die Angst vor Zahlungsausfällen.“

Steigende Unsicherheit verdirbt Appetit auf neue Märkte
Etwa 70 Prozent der befragten Unternehmen erwarten dieses Jahr einen Umsatzanstieg durch Exporte, letztes Jahr waren es noch 80 Prozent. „Das Ergebnis reflektiert das derzeit ungünstige Umfeld für den globalen Handel“, so Kolb. „Für 2023 erwarten wir im Welthandel ein geringes ­Volumenwachstum (+ 0,7 Prozent) und einen leichten Rückgang in Bezug auf den Wert (– 0,1 Prozent).“ Gleichzeitig rechnen 40 Prozent der befragten Unternehmen mit einem höheren Risiko von Zahlungsausfällen, das sind elf Prozentpunkte mehr als bei der Umfrage im letzten Jahr.

Insbesondere in Großbritannien (+ 33 Prozentpunkte), Deutschland und den USA (jeweils + 29 Prozentpunkte) steigt die Angst vor Zahlungsausfällen deutlich. Außerdem erwarten mehr Exporteure, dass sich die Zahlungsfristen verlängern (42 Prozent gegenüber 31 Prozent). Vor allem in den USA und Großbritannien bereiten sich fast 50 Prozent der Befragten darauf vor, dass sie länger auf ihr Geld warten werden. „Die Rentabilität der Unternehmen gerät durch die hohe Inflation, steigende Zinsen und den engen Kapitalmarkt zunehmend unter Druck. Längere Zahlungsfristen und ein höheres Risiko von Zahlungsausfällen sind deshalb wahrscheinlich“, macht Kolb die derzeitige Situation deutlich. Die wirtschaftliche Unsicherheit zeigt sich auch in der Insolvenzprognose für 2023, in der der Kreditversicherer davon ausgeht, dass die Zahl der Firmenpleiten weltweit um 21 Prozent steigen wird (2022: + 2 Prozent).

Das Interesse an neuen Märkten scheint gedämpft. 63 Prozent der Befragten bevorzugen eine Erhöhung der Investitionen in Ländern, in denen sie bereits präsent sind, während 47 Prozent planen, in neuen Ländern zu investieren. Auch beim Ausbau der Marktanteile konzentriert sich der Großteil, nämlich 55 Prozent, auf bestehende Märkte. 52  Prozent streben eine Diversifizierung und Erschließung neuer Länder an.

Lieferkettenproblematik liegt schwer im Magen
Als Herausforderung für das laufende Jahr nennen fast 75 Prozent der Befragten logistische Hürden und hohe Transportkosten. Vor allem Unternehmen in Deutschland, Italien und Polen liegen Lieferkettenprobleme schwer im Magen. Hingegen sind in den USA und Spanien steigende Kosten und Finanzierungsprobleme am dringlichsten, während die Betriebe in Großbritannien unter hohen Energiepreisen leiden. In Frankreich machen sich Unternehmen am meisten Sorgen um das Risiko von Zahlungsausfällen.

Bargeld ist nach wie vor der König für Exportfinanzierung
Um ihre Exportentwicklungspläne zu finanzieren, planen Unternehmen weiterhin, auf Bargeld, Bankkredite und Zahlungsbedingungen zu setzen. Die ersten beiden Optionen lagen auch in der Umfrage des letzten Jahres vorn, obwohl der Abstand zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten in diesem Jahr deutlich geringer ist. Grund dafür dürften sinkende Bargeldreserven der Unternehmen und die verschärften Bedingungen für Bankkredite sein.

„Interessant ist, dass Unternehmen neben den traditionellen Finanzierungsquellen vermehrt auf Buy-Now-Pay-Later-Programme zurückgreifen, um ihre Exporte zu finanzieren“, hebt Kolb hervor. „Solche Programme könnten auch für kleine und mittlere Unternehmen interessant sein, die zuvor vom globalen Handel zurückgeschreckt sind.“ Vor allem für Unternehmen in Großbritannien und Frankreich sind Buy-Now-Pay-Later-Programme die drittbeliebteste Finanzierungsquelle nach Bargeld und Bankkrediten.

Finanzielle Stabilität hat Priorität vor ESG 
Angesichts der abnehmenden Wirtschaftsdynamik und der restriktiveren Kreditvergabe geben mehr als 80 Prozent der Befragten an, dass die Geschäftskontinuität derzeit gegenüber ESG-Verpflichtungen Vorrang hat. Dennoch haben Unternehmen ihre ESG-Ziele nicht vollständig aufgegeben: Die meisten Befragten (85 Prozent) intensivieren ihre ­Bemühungen, langfristig auf grüne Energiequellen ­umzusteigen, insbesondere in Spanien, den USA und Frankreich. Vor allem die Energiekrise beschleunigt den grünen ­Übergang.

„Der Hauptaugenmerk in Bezug auf ESG liegt immer noch auf kurzfristigen Maßnahmen. Dazu zählt etwa die Wahl umweltfreundlicher Transportmittel, die sorgfältige Auswahl von Lieferanten nach ESG-Kriterien oder die Verbesserung von Gesundheits- und Sicherheitsstandards innerhalb der Lieferkette“, so Kolb. „Es werden jedoch auch strukturellere Maßnahmen gesetzt, wie die Entwicklung nachhaltiger und innovativer Produkte und Dienstleistungen und die Reduzierung von nicht nachhaltigen Aktivitäten.“ (red./PR)

www.acredia.at