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„Public Sector Matters“, sagt Florian Kidman, Public Sector Lead bei Microsoft Österreich. © Microsoft Österreich

Florian Kidman von Microsoft im Gespräch mit NEW BUSINESS über den digitalen Wandel des Public Sector in Österreich.

Der öffentliche Bereich in Österreich hat zwar einige gute Beispiele in Sachen Digitalisierung zu bieten, es ist aber noch immer genug Luft nach oben. Wenn es nach Florian Kidman von Microsoft geht, soll sich daran, so rasch es geht, etwas ändern.

 

Der gebürtige Salzburger Florian Kidman ist seit 2018 bei Microsoft tätig, aktuell als Public Sector Lead bei Microsoft Österreich sowie Mitglied der Geschäftsleitung. Mit seinem Team unterstützt er Verwaltung, Städte und Gemeinden, aber auch die öffentliche und nationale Sicherheit sowie das Gesundheits- und Bildungswesen in Österreich beim gegenwärtigen digitalen Wandel. Er bringt über ein Jahrzehnt an Digitalisierungserfahrung mit in die Führungsebene, unter anderem aus seiner vorherigen Position als Public Sector Lead für Microsoft Consulting Services bei Microsoft in Deutschland. Im Gespräch mit NEW BUSINESS zeichnet er ein Bild der gegenwärtigen Lage, gibt einen Ausblick auf künftige Entwicklungen und fordert nicht zuletzt mehr Mut zur Innovation.

Herr Kidman, Sie kommen ursprünglich aus Salzburg, waren zwischendurch in Deutschland auch für den Public Sector zuständig. Wenn man schon in Deutschland, beim „großen Bruder“, für das Thema zuständig war, warum kommt man dann wieder zurück nach Österreich?
Sie meinen, ob die Karriere jetzt vorbei ist? (lacht) Ich bin seit insgesamt fünf Jahren bei der Microsoft. Seit 1. Juni habe ich in Österreich die Gesamtverantwortung für den öffentlichen Sektor, und davor war ich viereinhalb Jahre in Deutschland tätig und habe dort das Beratungsgeschäft für den öffentlichen Sektor geleitet. Dass ich wieder nach Österreich zurückgekommen bin, hat zwei Gründe. Der eine ist privat. Ich habe einen vier Jahre alten Sohn, ein zweiter ist unterwegs. Deswegen bin ich auch jetzt gerade aus Salzburg zugeschaltet. Der zweite Grund ist, dass ich, bevor ich zu Microsoft gegangen bin, auch sieben Jahre in der IBM tätig und zum Schluss auch für den öffentlichen Sektor in Österreich zuständig war. Mir ist das eine Herzensangelegenheit. Der Public Sector ist unheimlich spannend. Man hat das Gefühl, man trägt in dem Land, in dem man wohnt, wo Freunde, Familie wohnen, wo die eigenen Kinder in den Kindergarten, in die Schule gehen, zur Digitalisierung bei. Und das macht unheimlich viel Freude. Wir haben einen Slogan, der heißt „Public Sector Matters“. Damit will ich ausdrücken, dass es mehr ist als „nur ein Job“. Wir sind wirklich Überzeugungstäter. 

Wo steht denn der österreichische Public Sector in Sachen Cloud und Digitalisierung im internationalen Vergleich, vielleicht auch gerade im Vergleich zu Deutschland?
Vor Deutschland brauchen wir uns definitiv nicht zu verstecken, da sind wir vergleichbar unterwegs. Was ich in meinen fünf Jahren in Deutschland gemerkt habe, ist, dass es einen Kulturwandel braucht. Digitalisierung ist in Österreich nach wie vor sehr negativ behaftet. Es geht darum, das Sentiment, das in vielen Köpfen steckt und das auch von der Politik besser gemanagt werden könnte, aufzugreifen und ins Positive zu wandeln. Was in der Schweiz und in Deutschland anders ist, weil es dort einfach eine andere Kultur gibt, das ist der Mut zur Innovation. Aus meiner Sicht wäre mehr Mut zur Innovation, mehr Mut zur Digitalisierung, auch mehr Mut zur Cloud gut. Was wir mit meinem Team versuchen, ist genau dieses Klima zu verbessern, damit Digitalisierung als Chance und Cloud als Lösung gesehen wird. Eine der Initiativen, die wir als Microsoft dazu überparteilich und unabhängig gestartet haben, ist „Mach heute morgen möglich“. Mittlerweile sind es über 200 Unternehmen, die mit uns gemeinsame Sache machen. Das Kernziel ist, eine positive Stimmung in die breite Masse zu heben.

 

„Aus meiner Sicht wäre mehr Mut zur Innovation, mehr Mut zur Digitalisierung, auch mehr Mut zur Cloud gut.“ 
Florian Kidman, Public Sector Lead Microsoft Österreich

 

Sie werden bei Ihrer Arbeit sicher mit Vorurteilen konfrontiert – hinsichtlich des Datenschutzes in der Cloud, Microsoft als US-Konzern usw. Gibt es noch weitere Ressentiments, denen Sie im Alltag begegnen?
Ja, das sind die häufigsten Themen. Natürlich nicht von allen, das ist sehr, sehr vereinzelt. Was ich aber schon sehe, gerade jetzt, wo im negativen Sinn viele Beispiele zum Thema Sicherheit in den Medien kursieren, ist, dass von Unternehmen und auch vom öffentlichen Sektor erkannt wird, dass Cloud die Sicherheit erhöht. Gerade wir in der Microsoft erfüllen wirklich sämtliche DSGVO-Vorgaben usw. Wir investieren sehr viel Geld, sehr viel Zeit, um die Cloud sicher zu gestalten. Und neben der Sicherheit bietet die Cloud natürlich auch andere Vorteile, wie zum Beispiel Geschwindigkeit oder Skalierbarkeit. Wir versuchen, das mit einer sehr starken lokalen Präsenz und mit dem gewissenhaften Eingehen auf die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich zu verbessern und dem vereinzelt negativen Bild damit entgegenzuwirken.

2020 hat Microsoft die „Cloud Region Österreich“ angekündigt. Man munkelt, es wären schon drei Grundstücke angeschafft worden. Wie ist da der Fortschritt?
Das ist eine große Investition für uns, vor allem in den Standort Österreich und für die Kunden in Österreich, öffentliche wie private. Die Kundendaten der österreichischen Unternehmen und öffentlichen Institutionen bleiben im Land. Natürlich geht es auch sehr stark um Latenzzeit. Die Standorte wurden so gewählt, dass sie nah an möglichst vielen Kunden liegen und auch die Infrastruktur, wie Glasfaser, sehr gut ausgebaut ist. 
Wir sehen das als großes Commitment zum Standort. Für die Kunden, gerade im öffentlichen Sektor, ist es immer wichtiger, lokale Präsenz zu haben. Bei den Standorten geht es natürlich auch um Wertschöpfung, um Arbeitsplätze. Wir freuen uns sehr darauf, die „Cloud Region“ final zu eröffnen. Der Baufortschritt verläuft nach Plan, und wir freuen uns, unsere Kunden bald hier begrüßen zu dürfen. Was wir jetzt schon anbieten, sind hybride Führungen. Das heißt, man kann sich als Kunde schon einmal ansehen, wie das final aussehen wird. Ich glaube, es ist auch ganz wichtig zu sagen, dass nicht immer alles in der Cloud sein muss. Es kann auch nur ein Teil der Daten, der Rechenleistung aus der Cloud kommen. Und ein anderer Teil kann weiterhin bei einem selber liegen.

Stichwort Fachkräftemangel: Sie haben gesagt, die österreichische „Cloud Region“ schafft auch Arbeitsplätze. Hat man da als Microsoft einen Vorteil im Recruiting?
Ich glaube schon. Ich durfte mein Team ein bisschen umstrukturieren. Es ist aktuell sehr schwer, gute Fachkräfte zu bekommen. Im Vergleich haben wir es, weil wir gewisse Rahmenbedingungen bieten, weil unser Brand bekannter ist und ein bisschen mehr Strahlkraft hat, wahrscheinlich leichter. Aber da sehe ich auch wieder Chancen für den öffentlichen Sektor. Gerade die jungen Absolventen wollen etwas Nachhaltiges, Regionales machen. Hier hat der öffentliche Sektor Chancen – auf der anderen Seite aber sicher noch Aufholbedarf. Ich glaube, das Gehalt ist nicht der entscheidende Faktor. Der öffentliche Sektor hat einen großen Hebel, weil er die Themen, die aktuell gefordert werden, gut trifft.
Und wir als Microsoft wiederum haben auch sehr viele regionale Partner, die österreichweit ihre Standorte haben und mit denen wir sehr gut zusammenarbeiten, die uns mit Fachkräften unterstützen. Das ist ein großer Vorteil.

 

Microsoft investiert viel Zeit und Geld, um seine Cloud noch sicherer zu machen, aber auch,
um Vorurteile in Verbindung mit der Cloud auszuräumen. (c) Pete Linforth/Pixabay

 

Gibt es vielleicht irgendwelche Leuchtturmprojekte mit Vorbildwirkung im öffentlichen Bereich, von denen sie uns etwas erzählen können?
Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit der ÖBB den Ticketshop in die Cloud gehoben. Das war eine super Zusammenarbeit. Der ÖBB-Ticketshop zeigt, dass man im – unter Anführungsstrichen – Kleinen sehr viel bewegen kann. 
Das Zweite ist, dass wir 2022 das Bildungsministerium ausgestattet haben, auch mit Devices. Kinder arbeiten in den Schulen ab sechs aufwärts mit unseren Produkten. Das macht stolz. Der Bildungsbereich ist für mich ebenfalls eine Herzensangelegenheit. Da sind wir auch noch nicht am Ende, sondern wollen weiterhin, gemeinsam mit Partnern und mit dem Bildungsministerium, die Schulen, die Universitäten usw. ausstatten. 
Ganz besonders stolz sind wir auf unsere Zusammenarbeit mit der BBU, der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen. Die BBU berät Asylsuchende in medizinischen Fragen. Wenn man die „Zettelwirtschaft“ digitalisiert und in die Cloud hebt, hat man einfach mehr Zeit, sich um den Asylsuchenden zu kümmern. Ein weiteres prominentes Beispiel, das viele Menschen kennen, ist gemeinsam mit dem BRZ FinanzOnline. 
Und dann gibt es noch ein sehr schönes Projekt, das wir mit der Med-Uni Wien gemacht haben, wo auch Artificial Intelligence eine große Rolle spielt. Dabei werden die Daten von bildgebenden Verfahren, wie CT oder MRT, von einer AI (Artificial Intelligence, Anm.) analysiert, die dem Radiologen dabei assistiert zu entscheiden, ob eine Biopsie notwendig ist oder nicht. Das heißt im Klartext: Hier hilft Technologie, den Patient:innen überflüssige und schmerzhafte Biopsien zu ersparen. Das ist ein ganz toller Fortschritt. 

Gibt es irgendein Entwicklungsprojekt oder einen Wunschkunden, den Sie besonders gern unterstützen würden, weil Sie das Gefühl haben, dass das wirklich etwas ändern könnte?
Einen bestimmten Kunden würde ich nicht nennen wollen, um ehrlich zu sein. Aber vielleicht zwei Bereiche. Das eine ist der Bildungsbereich und das andere der Gesundheitsbereich. Hier liegt noch unheimlich viel Potenzial in Sachen Digitalisierung brach. Auch hier ist das Credo, der Ärztin, dem Arzt, dem Gesundheitspersonal, dem Empfang mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe zu geben. 
Das ist aber auch nur dann möglich, wenn die Daten freigegeben sind. Man könnte weitaus mehr mit den Daten machen, wenn es die Möglichkeiten dafür gäbe. Und hier reden wir von pseudonymisierten Daten, nicht von personenbezogenen Daten, die man zum Beispiel für Machine-Learning verwenden könnte. Auch hier bräuchte es in Österreich mehr Mut zur Innovation. Ich glaube, da könnte man noch unheimlich viel bewirken.

Das ist oft der Knackpunkt, gerade wenn es um Machine-Learning und die Analyse von Daten geht. Es wäre viel Potenzial da, aber gerade im DACH-Raum ist man dann schnell bei Themen wie Privatsphäre oder Datenschutz. Und natürlich ist das auch wichtig, keine Frage.
Definitiv. Ich bin ein großer Freund von Datenschutz. Wir können froh sein, dass wir in Mitteleuropa leben. Es geht darum, den Nutzen und die Chancen zu sehen. Gerade in den vergangenen Jahren ist in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Digitalisierung unheimlich gestiegen. Und deswegen wäre aus meiner Sicht jetzt der Mut, die Chancen zu nutzen, so wichtig. Das Fenster ist jetzt offen, jetzt müssen wir was draus machen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Digitalisierung war noch nie so groß. (RNF)