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Cindy Chen, Deputy CEO Huawei Technologies Austria, macht den Standpunkt von Huawei deutlich. © Sebastian Philipp

Cindy Chen, Deputy CEO Huawei Technologies Austria, im Interview zur Diskussion über den Status von Huawei als „Hochrisikoanbieter“ im Zusammenhang mit 5G-Netzwerkinfrastruktur.

Das Misstrauen in der EU gegenüber chinesischen Unternehmen steigt angesichts geopolitischer Spannungen. In einer Mitteilung der Europäischen Kommission von Mitte Juni (hier als PDF) wurde das Unternehmen Huawei, gemeinsam mit ZTE, jetzt sogar als „Hochrisikoanbieter“ im Zusammenhang mit 5G-Netzwerkinfrastruktur bezeichnet. Wie darin zu lesen steht, ist die Kommission „der Auffassung, dass von Huawei und ZTE in der Tat wesentlich höhere Risiken ausgehen als von anderen 5G-Anbietern“. 

Betont wird in der Mitteilung auch die „große Besorgnis über die Risiken, die von bestimmten Mobilfunk-Netzausrüstungsanbietern für die Sicherheit der Union ausgehen“. Die Kommission selbst will deswegen Maßnahmen ergreifen um zu vermieden, dass ihre interne Kommunikation über Mobilfunknetze geleitet wird, die Ausrüstungen von Huawei und ZTE nutzen, und hat alle Mitgliedstaaten aufgefordert, „einschlägige Maßnahmen zu ergreifen wie im EU-Instrumentarium empfohlen“. Konkrete Anlassfälle oder spezifische Gefahren werden in der Mittelung jedoch nicht erwähnt.

Im Interview mit NEW BUSINESS macht Cindy Chen, Deputy CEO Huawei Technologies Austria, den Standpunkt von Huawei in dieser Sache deutlich und spricht über die möglichen Auswirkungen eines solchen Verbots – auch auf Österreich.

Frau Chen, warum wurden Ihrer Meinung nach von der EU-Kommission einzig Huawei und ZTE explizit als „Hochrisikoanbieter“ genannt, und nicht auch andere Anbieter aus anderen Staaten? 
Sicher können wir uns nicht sein. Klar ist jedoch, die 5G-Infrastruktur ist wesentlich komplexer und durchdringender als ihre Vorgänger. Auch wenn manche Anwendungsgebiete von 5G heute noch Zukunftsmusik sind, sind essenzielle Veränderungen ohne sie nicht umsetzbar. Egal ob selbstfahrende Autos, roboterunterstützte Fernoperationen oder die „Smartification“ der modernen Gesellschaft. All das wird unser Leben maßgeblich verändern, gleichzeitig muss die Technologie sicher sein. Dieser Tatsache sind wir uns bei Huawei bewusst, daher haben wir im Juni auch gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) Europas erste 5G Cybersicherheitsübung im „AIT Cyber Range - Training Center“ durchgeführt. Dort konnten die Teilnehmer:innen ihre taktisch-operativen Fähigkeiten in diesem wichtigen Bereich trainieren. 
Zusätzlich muss man sagen, in der Telekommunikationsbranche gibt es nicht so viele Anbieter und Huawei und ZTE zählen zu den vier größten Anbietern. Aufgrund der geopolitischen Konflikte und des weltweiten Technologiewettbewerbs werden chinesische Anbieter zu Unrecht als „High Risk Vendor“ (HRV) bezeichnet. Marktausschlüsse die auf solchen unrechtmäßigen Urteilen beruhen, das muss an dieser Stelle ebenfalls betont werden, verstoßen gegen die Grundsätze des freien Handels und basieren auf reinen Vermutungen, nicht jedoch auf konkreten Vorfällen. 

Vermuten Sie irgendeine bestimmte Motivation hinter der Forderung der EU-Kommission? 
Wir bei Huawei können das Anliegen der Europäischen Kommission, die Cybersicherheit in der EU schützen zu wollen, nachvollziehen. Dieses Ziel verfolgt auch Huawei. Das Problem ist jedoch, dass die Kommission mit ihren Bestrebungen genau das Gegenteil erreicht: Einschränkungen oder Ausschlüsse, die auf diskriminierenden Urteilen beruhen, führen zu ernsthaften wirtschaftlichen und sozialen Risiken. Es werden Innovationen verhindert und der EU-Markt verzerrt. Außerdem kostet ein solcher Eingriff auch viel Geld. Einem Bericht von Oxford Economics zufolge könnte der Ausschluss von Huawei die Investitionskosten für 5G um bis zu zehn Milliarden Euro erhöhen – eine Summe, die von den europäischen Verbraucher:innen getragen werden müsste. 

Den Zahlen des "5G Observatory Report 18" und des "Digital Economy and Society Index Report 2022" zufolge sind es gerade jene Länder, die Huawei schon früh aus ihren Netzen ausgeschlossen haben, die in diesen Digitalisierungs-Rankings jetzt zurückliegen. Sehen Sie da einen Zusammenhang oder ist das Zufall?
Wenn wir uns die Zahlen ansehen, dann wird ein klarer Zusammenhang sichtbar: Schweden hat bereits 2020 als erstes EU-Land über die Vergabebedingungen der Mobilfunkfrequenzen chinesische 5G-Ausrüster ausgeschlossen, die zuvor bei 4G als Ausrüster eingesetzt wurden. Mit nur etwa 20 Prozent Bevölkerungsabdeckung bildet Schweden heute das eindeutige Schlusslicht aller EU-Staaten. Im Bereich Connectivity entwickelte sich das Land vom Vorreiter zum Sorgenkind. Dieses Muster sehen wir auch in anderen Staaten, die chinesische Hersteller im Mobilfunkbereich verboten haben, darunter Großbritannien. Dort wurde Huawei 2020 zunächst zugelassen, jedoch kurze Zeit später wieder vom 5G-Ausbau ausgeschlossen. Der US-amerikanische Speedtest-Experte Ookla warnte bereits im Februar davor, dass die durchschnittliche Download-Geschwindigkeit im Land von einem eher niedrigen Niveau weiter sinkt: Sie lag im Dezember 2022 nur noch bei 129 MBit/s, im Vergleich zu 167 Mbit/s 2021.

 

   
© Sebastian Philipp


„Wir verstehen das Anliegen der Europäischen Kommission, die Cybersicherheit innerhalb der EU zu schützen. Einschränkungen oder Ausschlüsse, die auf diskriminierenden Urteilen beruhen, würden jedoch ernste wirtschaftliche und soziale Risiken mit sich bringen, die Innovation behindern und den EU-Markt verzerren.“

Cindy Chen, Deputy CEO Huawei Technologies Austria

   

 

Nehmen wir einmal an, Österreichs Netzbetreiber müssten einer entsprechenden Anordnung folgen: Was würde das für die heimischen Mobilfunk-Netze und die Versorgung der Bevölkerung bedeuten?
Nachdem die nationale Sicherheit in die alleinige Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt und Cybersicherheit eine Frage der nationalen Sicherheit ist, sollte auch sie den Mitgliedsstaaten überlassen werden. Wir glauben, dass die EU-Länder, einschließlich Österreichs, ihre eigene, kluge und unabhängige Meinung zu diesem Thema haben. Wir sind außerdem sehr dankbar für das faire, transparente und unparteiische Geschäftsumfeld für internationale Unternehmen in Österreich. Klaus M. Steinmaurer, Geschäftsführer der RTR-GmbH, betonte erst kürzlich im Standard, dass die chinesischen Telekommunikationsunternehmen keine Bedrohung für die Netzsicherheit in Österreich darstellen („RTR sieht aktuell kein Risiko für Netzsicherheit durch Huawei und ZTE“). Darüber hinaus hat das Telekommunikationsgesetz TKG 2021 bereits einen soliden und umfassenden Mechanismus zur Evaluierung von Hochrisikoanbietern eingerichtet, um ein sicheres und widerstandsfähiges Netz in Österreich zu gewährleisten. Österreich ist ein Vorreiter in der 5G-Entwicklung in Europa mit einer Abdeckung von 92 % der Haushalte (Q2-2022). Huawei ist bereit, sein Know-how kontinuierlich in die österreichische Telekommunikationsbranche einzubringen.

Hätte das auch Auswirkungen auf die Industrie, Logistik und große Unternehmen aus anderen Bereichen, die planen für z. B. ihre Smart Factorys und IoT-Projekte eigene 5G-Campus-Netze aufzubauen?
In Ungarn entwickeln wir zurzeit ein 5G-Logistik-Projekt. In Fényeslitke 20 Kilometer von Budapest entfernt entsteht auf einer Fläche von 85 Hektar der erste intelligente 5G-Bahnhof Europas. Betrieben und verwaltet wird er über ein privates 5G-Netzwerk von Huawei. Die 5G-Technologie wird für die Fernsteuerung vollautomatischer Portalkräne genutzt, um in Zukunft intelligente Be- und Entladevorgänge zu ermöglichen. Wir sehen also allein anhand dieses Beispiels, welche Rolle 5G spielen kann und bereits spielt. Wenn es nun zu einem Verbot von chinesischen Herstellern kommen würde, wäre eine Verschlechterung für diese Bereiche unausweichlich. 

Was kann bzw. wird Huawei in dieser Sache unternehmen?
Huawei widerspricht den Äußerungen von Vertretern der Europäischen Kommission lehnt diese entschieden ab. Die Äußerungen beruhen eindeutig nicht auf einer überprüften, transparenten, objektiven und technischen Bewertung von 5G-Netzen. Wir verstehen das Anliegen der Europäischen Kommission, die Cybersicherheit innerhalb der EU zu schützen. Einschränkungen oder Ausschlüsse, die auf diskriminierenden Urteilen beruhen, würden jedoch ernste wirtschaftliche und soziale Risiken mit sich bringen, die Innovation behindern und den EU-Markt verzerren. 
Ein einzelnes Unternehmen ohne rechtliche Grundlage öffentlich als "HRV" zu bezeichnen, verstößt gegen die Grundsätze des freien Handels. Es ist von größter Wichtigkeit zu betonen, dass die diskriminierende "HRV"-Beurteilung nicht ohne gerechtfertigtes Verfahren und angemessene Anhörung auf irgendeinen Anbieter angewendet werden darf. Cybersicherheit hat für Huawei höchste Priorität. Huawei hat 2019 in Brüssel ein Zentrum für Cybersicherheitstransparenz eröffnet. Dieses Zentrum ist für Kunden und unabhängige Prüforganisationen zugänglich. Sie sind eingeladen, faire, objektive und unabhängige Sicherheitstests und Überprüfungen gemäß branchenweit anerkannten Cybersicherheitsstandards und Best Practices durchzuführen. Wir verpflichten uns weiterhin, weltweit zertifizierte und vertrauenswürdige Produkte und Dienstleistungen zu liefern, die Millionen von Europäer:innen miteinander verbinden.

Wie würde die Reaktion von Huawei aussehen, wenn aus der derzeitigen Empfehlung der EU-Kommission tatsächlich ein Verbot in Österreich und anderen Ländern der EU entstünde?
Wie bereits erwähnt, fällt die nationale Sicherheit in die alleinige Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten und da Cybersicherheit ebenfalls eine Frage der nationalen Sicherheit ist, sollte auch dieser Bereich den Mitgliedsstaaten überlassen werden. Wir glauben, dass die EU-Länder, einschließlich Österreichs, ihre eigene und unabhängige Meinung zu diesem Thema haben. (RNF)

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