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Doris Schlaffer (li.), Astrid Wieland (Mitte) und Kristina Maria Brandstetter (re.) setzen sich mit viel Engagement ehrenamtlich dafür ein, Frauen den Weg in die IT-Branche zu erleichtern. © thenewITgirls/Luiza Puiu

Wer an die IT-Branche denkt, der denkt oft immer noch an Nerds in dunklen Zimmern. Männliche Nerds, wohlgemerkt. Initiativen wie #thenewITgirls setzen alles daran, das zu ändern.

Festgefahrene Geschlechterrollen, noch immer vorherrschende Klischees über Berufsbilder in der IT und mangelnde Sichtbarkeit weiblicher Vorbilder – es gibt viele Gründe, warum die Informationstechnologie noch immer von Männern dominiert wird. Gut, dass es Initiativen wie #thenewITgirls gibt, einen 2019 gegründeten, ehrenamtlichen Verein aus Branchenexpertinnen, der sich dafür einsetzt, mehr Frauen in die IT-Branche zu bringen.
Schon mit dem gewählten Namen haben Astrid Wieland (Founder), Doris Schlaffer (Co-Founder) und Kristina Maria Brandstetter (Board Member) ihre kreative Herangehensweise unter Beweis gestellt. Denn #thenewITgirls ist einerseits eine liebevolle Hommage an die „It-Girls“ der 1990er-Jahre, also starke und selbstbewusste Frauen, die ihren eigenen Weg gingen. Andererseits hat er auch einen ganz praktischen Hintergrund: Mit dem Hashtag soll der Begriff aufgebrochen werden, um die vor den Vorhang geholten weiblichen Role-Models in den sozialen Medien sichtbarer zu machen. NEW BUSINESS hat sich bei den drei IT-Girls erkundigt, wie sich die Situation in den letzten Jahren entwickelt hat und was – und von wem – noch getan werden sollte.

 

Auf der einen Seite hört man aus der IT-Branche ständig vom Fachkräftemangel. Auf der anderen Seite steigt der Frauenanteil in der IT nur sehr langsam. Beides weiß man seit Jahren, und doch sieht es heute nicht viel besser aus. Können Sie sich einen Reim darauf machen?
Astrid Wieland:
Für den schleppenden Fortschritt bei der Erhöhung des Frauenanteils in der IT-Branche trotz des bekannten Fachkräftemangels gibt es mehrere Gründe. Ein Grund ist ein Mangel an Vielfalt und Inklusivität innerhalb der Branche, der Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen davon abhält, in die Branche einzusteigen oder dort zu bleiben. Ein weiterer Grund ist der Mangel an breiter Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, die darauf abzielt, Mädchen und Frauen zu ermutigen, eine Karriere in der Technologie zu verfolgen. Gesellschaftliche Vorurteile und Stereotype über Frauen in MINT-Bereichen spielen ebenfalls noch immer eine Rolle. Außerdem ist nach wie vor die Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern und Mentorinnen in der Branche zu gering, was es für Frauen schwieriger macht, sich eine solche Karriere vorzustellen.

Was muss Ihrer Meinung nach getan werden, damit sich die Situation weiter verbessert?
Doris Schlaffer: Um den Anteil der Frauen in der IT-Branche zu erhöhen, sind eine Reihe von Änderungen erforderlich. Die Unternehmen und Organisationen der Branche müssen beispielsweise bei ihren Einstellungs- und Beförderungspraktiken auf Vielfalt und Integration setzen und ein einladendes und unterstützendes Arbeitsumfeld für alle Mitarbeiter:innen schaffen. Außerdem muss mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Dazu gehört auch, wie schon von Astrid erwähnt, gesellschaftliche Vorurteile und Stereotype infrage zu stellen. Die Branche braucht mehr weibliche Vorbilder, die junge Frauen gut vertreten und ihnen den möglichen Karriereweg aufzeigen. Auch die Regierung und Bildungseinrichtungen müssen verstärkt eine Rolle bei der Förderung von Vielfalt und Integration in der IT-Branche spielen. Etwas, das wir alle ganz einfach selbst ändern können, ist zur Sichtbarkeit von Frauen beizutragen, indem wir etwa Events mit Expertinnen besetzen oder entsprechende Mediencover und Artikel veröffentlichen. Wichtig ist hier, dass es sich um ein komplexes Thema handelt, für das es nicht nur eine einzige Antwort gibt. Es erfordert die Bemühungen mehrerer Parteien, Unternehmen, Regierungen, Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft als Ganzes.

Mit Ihrer Initiative #thenewITgirls setzen Sie sich seit 2019 sehr engagiert dafür ein, mehr Frauen in die IT zu bringen. Haben Sie das Gefühl, dass sich seitdem etwas bewegt hat?
Kristina Maria Brandstetter: Seit Astrid und Doris den Verein 2019 ins Leben gerufen haben, hat es einige Fortschritte bei der Sensibilisierung für die Notwendigkeit von mehr Frauen in der IT-Branche und bei der Bereitstellung von Ressourcen und Unterstützung für Mädchen und Frauen, die sich für eine Karriere in der Technologie interessieren, gegeben. Wir haben mittlerweile eine Community mit über 1.700 Mitgliederinnen allein auf Meetup (eine Social-Media-Plattform für reale und virtuelle Events, Anm.)
Die Erhöhung des Frauenanteils in der IT-Branche ist jedoch eine komplexe und andauernde Herausforderung, die nachhaltige Anstrengungen von mehreren Parteien erfordert. Deswegen setzen wir hier sehr stark auf Kooperationen und Multiplikator:innen.

Welche Aktionen setzen Sie mit Ihrem Verein konkret?
Astrid Wieland: Einige Beispiele dafür sind etwa der Aufbau eines Netzwerks von Frauen, die in der IT-Branche arbeiten und bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen, oder die Organisation von Veranstaltungen wie Workshops, Vorträgen und Networking-Möglichkeiten, um Mädchen und junge Frauen mit Vorbildern und Fachleuten aus der IT-Branche zusammenzubringen. Außerdem stellen wir Ressourcen und Informationen über Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten in Technologiebereichen bereit, führen Sensibilisierungskampagnen durch, um Stereotype und Vorurteile zu bekämpfen, und gehen Partnerschaften mit Initiativen, Verbänden, Unternehmen, Schulen, Universitäten und anderen Organisationen ein, um die MINT-Ausbildung und Karrieremöglichkeiten für Mädchen und junge Frauen zu fördern. 
Doris Schlaffer: Eines unserer Highlights hier ist das „#thenewITgirls Boost Camp“, das 2022 mit dem deutschen Impact of Diversity und dem internationalen WomenTechGlobal Award in der Kategorie Community Initiative ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit starken Partnern wie Microsoft und ETC bieten wir Frauen einen konkreten und leistbaren Plan für den Zugang zu vielfältigen und attraktiven Karrieremöglichkeiten. Das Programm ist eingebettet in unser Community-Netzwerk, stellt Top-Trainerinnen wie Katja Radlgruber oder Martina Ernst zur Verfügung und wird zu einem Pro-forma-Beitrag angeboten. So wird die Hemmschwelle so gering wie möglich gehalten. 2022 absolvierten schon über 150 Teilnehmerinnen das Camp mit Erfolg.

Wie sind Sie selbst zur IT-Branche gekommen – und würden Sie diese Entscheidung heute wieder treffen?
Astrid Wieland:
Tatsächlich sind wir alle mehr oder weniger Quereinsteigerinnen, die durch Zufall in die Branche gekommen sind – genau deswegen wollen wir hier eine Veränderung herbeiführen. Es kann und darf nicht mehr dem Zufall überlassen werden.
Kristina Maria Brandstetter: Damals hätten wir gerne das Know-how, den Zugang zu diesen Informationen und unser Netzwerk gehabt, um schon früher in die Branche einzusteigen – und nicht erst über Umwege. Gemeinsam können wir das ändern und „Frauen in der IT“ zur neuen Normalität machen. (RNF)

 

www.thenewitgirls.com
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