Dr. Alexander Lille und seine Contentmanufaktur begleiten bei der Transformation und kommunikativen Umsetzung von New Work in die Praxis. © Contentmanufaktur

New Work ist mehr als nur Homeoffice. Echte Flexibilität beginnt in den Köpfen der Menschen, unterstreicht der Kommunikationsexperte Dr. Alexander Lille von der Contentmanufaktur.

Corona wirkt für viele Unternehmen wie ein Turbo in Sachen Digitalisierung. Dabei geht es aber um weit mehr als nur neue Technologien. New Work steht im Fokus. Und das jetzt allgegenwärtige Homeoffice war da bestenfalls der Anfang. NEW BUSINESS hat mit Dr. Alexander Lille, Geschäftsführer der Contentmanufaktur, über die kommunikativen Herausforderungen der Arbeitswelt von heute und morgen gesprochen.

Man liest und hört viel von „New Work“. Warum ändert sich unsere Arbeitswelt und wo geht es hin?
Alexander Lille: Schon vor Corona standen die beiden eng verknüpften Themen Produktivität und Flexibilität in vielen Unternehmen ganz oben auf der Agenda. Digitalisierung ist ein wichtiger Schlüssel dazu. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass Bits und Bytes nur ein Teil der Antwort sind. Denn die Arbeitswelt verändert sich oft rascher als die IT. Agilität ist Trumpf. Gefragt sind smarte Prozesse und Mitarbeiter, die flexibel sind und über sich hinauswachsen. Covid, Homeoffice und Co. waren in dieser Hinsicht für viele Firmen ein intensives Learning, aber nur der Anfang.

Sie erwarten also nachhaltige Veränderungen?
Der Wandel, in dem wir uns befinden, ist nicht nur eine Phase, die mit Corona vorübergeht – er bleibt permanent und wird sogar zur Maxime. Uns erwartet fortwährende Transformation – „Changeability“ wird zum Erfolgsfaktor. Das lässt sich aber nicht – 1, 2, 3, los – einfach anordnen. Echte Flexibilität beginnt nämlich in den Köpfen der Menschen und verlangt nach einem neuen Mindset – der Mitarbeiter und des Unternehmens. Das heißt Agilität statt Komfortzone. Teamgeist und organisierte Selbstverantwortung statt Hierarchie. Das ist die Welt von „New Work“.

Ist Corona so etwas wie ein „Enabler“ für New Work?

Wenn ja, dann sollte uns das zu denken geben. Die Pandemie hat diese Entwicklung jedenfalls deutlich beschleunigt. Plötzlich waren Flexibilität und Eigenverantwortung gefragt. Das Homeoffice hat nämlich so manche straffe „Führungsleine“ abrupt gekappt. Zudem sind „Top-down-Systeme“ grundsätzlich langsam und neigen zur Komplexität. Viel schneller ist es, Entscheidungen direkt vor Ort zu treffen, unmittelbar dann, wenn sie benötigt werden. Da gibt es jedoch einen Haken: Das muss man auch können und natürlich wollen.

Und wo sehen Sie diesen „Haken“ – bei den Menschen oder den Unternehmen?
Das variiert von Unternehmen zu Unternehmen und von Mitarbeiter zu Mitarbeiter. Darum gibt es auch keine Universalrezepte und keine standardisierte Definition von New Work. Sie ist das, was man daraus macht – ein individueller Weg, den Mitarbeiter und Unternehmen gemeinsam erarbeiten. Dabei geht es beispielsweise um ein neues Verständnis von Leadership, Teamwork und eine gemeinsame Vision. Die Sinnfrage rückt in den Fokus und das oft alles entscheidende Thema Vertrauen – das Vertrauen der Mitarbeiter in sich selbst, in das Unternehmen und umgekehrt. Denn Vertrauen ist keine Einbahnstraße. Wer möchte, dass die Mitarbeiter Verantwortung übernehmen, der muss ihnen auch Vertrauen entgegenbringen.

Der Weg ist also das Ziel?
So ist es. Erfolgreiche New Work ist im Idealfall kein Projekt, das man startet, durchzieht und abschließt. Es geht darum, das Unternehmen zukunftsfit und zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen – allerdings in einem sich ständig ändernden Umfeld. Das verlangt nach einem vielschichtigen, äußerst sensiblen Sensorium und starkem Durchhaltevermögen. Auf und Abs sind da garantiert.

Wo soll man Ihrer Ansicht nach starten, wenn man sich für New Work interessiert?
Die klare Antwort lautet: Man muss lernen zuzuhören. Das ist der Ausgangspunkt für einen umfassenden kulturellen Wandel – eine nachhaltige (R)Evolution von innen. Echte Kommunikation ist der erste Schritt in Richtung New Work. Es geht aber nicht nur darum, selbst zu einem guten Zuhörer zu werden – was im Alltagsstress schon schwierig genug ist. Vielmehr kommt es darauf an, das Zuhören im Unternehmen zu institutionalisieren und einen Dialog mit den Mitarbeitern zu ermöglichen.

Unternehmen sollten mehr auf ihre Mitarbeiter hören?
Hinhören wäre ein erster Schritt – die Menschen sind das wichtigste Sensorium, um den Puls des Unternehmens zu spüren. Ihr psychologisches Empowerment wird mit New Work angepeilt. Einseitige Kommunikation ist da zu wenig, auch wenn sie naturgemäß die Stärke von Unternehmen ist. Klassischerweise steht in Betrieben das Marketing hoch im Kurs und damit die nach außen gerichtete Marktkommunikation. Das ist gut und wichtig! Aber wie steht es um die Mitarbeiter? Wie läuft die interne Unternehmenskommunikation – welchen Stellenwert hat sie? Wer ist dafür zuständig und ist HR maßgeblich beteiligt? Wie wird die Vision greifbar gemacht, und wie werden die Werte vermittelt, um die es geht, oder das Feuer der Motivation geschürt? Und vor allem: Welche Möglichkeiten bestehen für einen echten Dialog – also Kommunikation, die nicht nur einseitig ist? Auch Anonymität kann dabei ein wichtiger Baustein sein. Man sollte sich unbedingt die Frage stellen, wie das im eigenen Unternehmen ist? Hört man selbst zu und hat man das Gefühl, dass einem zugehört und das Gesagte zudem wirklich verstanden wird?

New Work heißt also auch aktive Kommunikationsarbeit?
Anderenfalls ist scheitern vorprogrammiert. Denn der beste Kick-off und der motivierteste New-Work-Coach können nur wenig ausrichten, wenn die Ausrollung und die praktische Umsetzung im Alltag nicht klappen. Das ist Pflicht und Kür in einem. Gerade Corona hat gezeigt, was es heißt, den Spirit und Drive bei den Mitarbeitern auch im Homeoffice aufrecht zu erhalten. Der Bildschirm führt uns zusammen und er trennt uns – das ist der Fluch und Segen einer digital vernetzten Welt.

Das ist aber die Arbeitsrealität von heute …
Auf jeden Fall. Darum wird in immer mehr Unternehmen über New Work nachgedacht. Denn mit alten Strukturen, Prozessen und Denkmustern werden wir die Hürden von morgen nicht nehmen. Das ist der Wandel, der uns begleitet, und Begeisterung ist der beste Treibstoff für diese Veränderung. Die Menschen müssen stolz sein auf das, was sie machen. Auf ihr Unternehmen, ihren Beitrag als Mitarbeiter und das, was sie verbindet.

Und wie schafft man das?
Durch konsequente Bewusstseinsbildung. Eine Transformation und New Work Communication lassen sich nicht mit einem sporadisch erscheinenden internen Newsletter erledigen. Es geht nämlich um einen nachhaltigen Wandel der Unternehmenskultur, der bis ins Homeoffice wirkt. Dazu gehören unter anderem Wertschätzung, ein respektvoller Umgang, Verbundenheit, die Frage nach dem Sinn und Selbstwert. Das muss man leben, spüren, und darüber muss gesprochen werden. In etlichen Vorzeigeunternehmen wird das längst nicht mehr als esoterisch angesehen. Dabei geht es um harte Zahlen, Erfolg und den Kampf um die besten Mitarbeiter. Die können sich nämlich aussuchen, wo sie arbeiten. Eine schöne Fassade alleine reicht nicht, damit lassen sich Top-Mitarbeiter dauerhaft nicht halten.

Was raten Sie Unternehmen, die sich bisher noch nicht mit New Work beschäftigt haben?
Die Arbeitswelt hat sich verändert und sie wird sich weiter ändern – schneller, als manch einer es möchte. Darauf müssen sich Unternehmen und ihre Mitarbeiter vorbereiten. Tatsache ist, dass wir privat heute alle bestens vernetzt sind. Kommunikation ist das Thema unserer Zeit. Das dürfen Unternehmen nicht vergessen – gerade wenn es um die eigenen Mitarbeiter geht. Und zuhören lohnt sich auf jeden Fall!

(VM)

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