Bernd Stockinger, Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der Grazer Citycom © Helmut Lunghammer

Citycom-Geschäftsführer Bernd Stockinger im Interview über den 5G-Ausbau in der Steiermark, die Möglichkeiten des neuen Mobilfunkstandards und die Auswirkungen von Corona.

Bernd Stockinger ist Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der Grazer Citycom, des regionalen Marktführers für Netzwerk- und Telekom-Services im Businessbereich und Betreibers des zweitgrößten städtischen Glasfasernetzes Österreichs. Im Interview sprach Stockinger unter anderem über die Auswirkungen und Möglichkeiten des neuen Mobilfunkstandards 5G, aber auch über die aktuelle Krise. In Bezug auf Corona richtet er einen Appell an Österreich: „Nicht alles ist zur Zeit in der Krise, daher sollte man nicht alles zur Krise werden lassen!“ Was Stockinger mehr Sorgen macht als Corona, lesen Sie hier.

Welche Services und Dienstleistungen umfasst das Angebot der Citycom?
Alles rund um die Sprachtelefonie, das Internet, regionale, nationale und internationale Netzwerke. Wir sind bereits mit einigen Firmen in 44 Ländern weltweit vertreten. Unsere Rolle ist die Betriebsführung komplexer Vernetzungslösungen und wir betreiben zwei eigene Rechenzentren, also gehört auch alles um die Rechenzentrumsinfrastruktur dazu.

Hat Corona Auswirkungen auf Ihre Ausbaupläne oder Investitionen?
Das bleibt unverändert. Wir haben einen ausreichenden Etat, in Summe zwischen zwei und drei Millionen Euro im Jahr. Die Corona-Zeit hat gezeigt, dass Telekommunikation mittlerweile zur Grundversorgung zählt und gleich wichtig ist wie Energie. Ohne Telekommunikation könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Konzernen schlicht und ergreifend ihrer Arbeit nicht nachgehen. Wir haben bei sehr vielen Firmen die Bandbreite auf bis zu 600 Prozent aufgedreht, da die Mitarbeiter von zu Hause auf die Firmennetze zugreifen mussten. In den meisten Fällen haben wir noch am selben Tag die Bandbreiten angepasst, spätestens am folgenden Arbeitstag. Das hat gezeigt, dass wir auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden und Mitarbeiter unbürokratisch eingegangen sind. Unser Pragmatismus hat uns gerade in dieser Zeit stark vom Mitbewerb unterschieden.

Wie ist Citycom mit der Corona-Krise umgegangen?
Die Citycom hat das Glück, in einem sehr prosperierenden Geschäftsumfeld tätig zu sein – Telekommunikation im Premium-Segment. Wir haben eine gute Auslastung. Um die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherzustellen, haben wir das Unternehmen im Lockdown ab 14. März in zwei Gruppen mit abwechselnder Anwesenheit gesplittet. Diese Gruppen wurden wöchentlich getauscht und auch von diesen Gruppen war jeweils nur die Kern-Mannschaft in der Firma und der Rest zu Hause auf Telearbeit oder Bereitschaft. Es wurde auch vereinbart, dass sich die Gruppen nicht privat treffen. Wir haben auch bei jedem Mitarbeiter das Datenpaket am Mobiltelefon maximal erhöht, verbunden auch mit der Bitte, dass die Mitarbeiter im Bedarfsfall auch in ihrer Freizeit erreichbar sind – sofern es ihnen möglich ist. Die Mitarbeiter haben alle ihre Laptops jeden Tag mit nach Hause genommen und jeden Tag überprüft, ob der VPN-Zugang funktioniert. Die Einsatzfahrzeuge wurden auf die Mitarbeiter aufgeteilt, wurden mit nach Hause genommen und mussten jeden Tag voll betankt sein. So musste kein Mitarbeiter in die Firma kommen, um ein Fahrzeug zu holen und auf die Baustelle zu fahren. Und wir sind sehr stolz auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Umsatzausfälle haben Sie keine gespürt?
Nein. Nachdem wir nicht das Gastro- und Hotelsegment bedienen, hatten wir nur minimale Ausfälle in der Tourismusbranche. Aber wir haben das sehr gut verdaut.

Wie sieht es mit Ihren 5G-Plänen aus?
Die Citycom hat im Auftrag der Holding Graz Frequenzen für Graz und die Steiermark für 20 Jahre erworben. Wir haben im Juni die Vergabe abgeschlossen, unser Hardwareausstatter für das Core-Netzwerk und die Antennen ist Nokia. Wir sind nicht nach China gegangen, sondern wir haben uns mit Finnland arrangiert. Es war aber ein knappes Rennen. Planung, Bau und Montage der Antennen werden von der österreichischen Firma ms-CNS durchgeführt. Bis Jahresende sind wir mit der Erstumsetzung beschäftigt und werden spätestens bis Jahresanfang 2021 die erste Ausbaustufe in Graz und der Steiermark abschließen.

Was ist das Neue an 5G?
5G wird für die Privatanwender sehr lange nicht greifbar und messbar sein. Warum? Ob ich heute mit 4G mit 120 MBit surfen kann oder mit 5G mit 200 MBit, werden sie nicht unterscheiden können. Dort, wo heute kein 4G geht, weil es keine Versorgung gibt, wird es morgen auch noch kein 5G geben. Aber diese neue Mobilfunktechnologie ist der erste digitale Datenfunk, der Verfügbarkeitsgarantien mitbringt. Das ist eine High Availability Infrastructure und wird auch für kritische Infrastruktur eingesetzt, wie Notrufsysteme, im Healthcare-Bereich oder für Überwachungssysteme.
Grundsätzlich ist der neue Mobilfunkstandard mit drei Säulen ausgestattet: Eine Säule ist Breitband, eine Säule Massive-MIMO (Massive Multiple Input Multiple Output) – also viele kleine Datenpakete zugleich, z.B. von Sensoren des IoT – und die dritte Säule ist Echtzeit. Es ist also garantiert, dass das Datenpaket zum Fahrzeug oder Herzschrittmacher immer in zehn Millisekunden ankommt. Das, was 5G heute kann, ist nur Breitband. Die anderen beiden Punkte kommen erst im Laufe diesen und des nächsten Jahres.

Welche neuen Technologien sind damit möglich?
Man wird in Zukunft z.B. auf irgendeinem Stromkasten einen Notruftaster haben, um einen Notruf abzusetzen. Es werden Hochgeschwindigkeitskameras oder Kameras mit hoher Bildqualität in Echtzeitverhalten zur Überwachung von öffentlichen Plätzen zum Einsatz kommen, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Oder z.B. ein Mistkübel mit einem Sensor, der, wenn er voll ist, eine Meldung absetzt, dass er ausgeleert werden soll.
Das hat alles nichts mit mobilen Endgeräten, wie wir sie gewohnt sind, zu tun. Der Fehler der großen Mobilfunker war, dass ventiliert wurde, dass alles breiter, schneller, höher wird. Das werden die Bürger aber nicht brauchen. Der Netflix-Film beginnt mit 4G zur selben Zeit wie mit 5G – und er dauert auch gleich lang.

Noch einmal zurück zu Corona: Wird es einen ­zweiten Lockdown geben?
Ich bin davon überzeugt, dass es keinen Lockdown von ganz Österreich mehr geben wird. Aber es wird punktuelle „Grippeherde“ geben, Ortschaften, über die im Anlassfall eine Ausgangssperre verhängt wird. Daran werden wir uns gewöhnen und das wird auch der neue Alltag werden.

Bis es etwas gibt, das uns hilft.
Der Alltag, den wir kannten, wird sich etwas verändern und auch nicht mehr wiederkommen. Wir hatten lange keine Krise und das, was uns jetzt trifft, ist der neue Alltag, den wir auch bewältigen werden. Die bis März kommenden Jahres verlängerten Kurzarbeitsmodelle des Staates verzerren aus meiner Sicht außerdem ein bisschen die Optik. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wo es auch längerfristig zu Geschäftseinbußen kommt und dort, wo in der Übergangszeit Arbeitsplätze gesichert werden, machen sie als Überbrückung und Sicherstellung natürlich auf jeden Fall Sinn. Aber was kommt danach? Das macht mir Sorgen, denn das lässt sich nur schwer abschätzen. Es gibt etwa Unternehmen, die jetzt draufgekommen sind, dass sie im Headquarter mit einem Drittel weniger Personal den Betrieb genauso schaffen. Auch bei Bürogebäuden wird optimiert werden, wenn es mehr Teleworker gibt. Die Telearbeit beeinträchtigt das Kulturelle im Unternehmen massiv, nicht nur zum Positiven. Die Mitarbeiter haben zwar mehr geleistet, weil die Gang-Gespräche weggefallen sind. Aber genau die sind meines Erachtens wichtig für ein gutes Unternehmensklima. Es ist der größte Fehler, alle Mitarbeiter nach dem Gießkannenprinzip ins Teleworking zu schicken. Das führt zu einer sozialen Vereinsamung. Teleworking macht absolut Sinn, aber es braucht eine Balance. (RNF)
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