EZB warnt vor Preisschock © APA - Austria Presse Agentur

Die EZB darf aus Sicht ihrer Direktorin Isabel Schnabel trotz des deutlichen Rückgangs der Teuerung seit Herbst 2022 die Inflationsgefahren nicht aus den Augen verlieren. Man solle den Tag nicht vor dem Abend loben, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der EZB am Sonntag anlässlich der Verleihung des Weltwirtschaftlichen Preises in Kiel.

"Und wir bleiben nach wie vor wachsam", sagte sie. Es gebe Risiken bei den Löhnen, bei der Produktivität, bei den Gewinnen, und es könnten neue Preisschocks drohen. "Deshalb bleiben wir wachsam und haben uns eben noch nicht auf einen festen Zinspfad festgelegt, sondern bleiben faktenbasiert und treffen unsere Entscheidungen entsprechend." Die deutsche Volkswirtin ist bei der EZB für die konkrete Umsetzung der Geldpolitik zuständig.

Die Inflation im Euroraum liegt derzeit mit 2,6 Prozent im Mai nicht mehr weit von der EZB-Zielmarke von 2,0 Prozent entfernt. Zum Vergleich: Noch im Herbst 2022 hatte die Rate zeitweise bei über zehn Prozent gelegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) lockerte daher Anfang Juni erstmals seit 2019 wieder die Zinszügel. Sie senkte den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Banken erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder horten, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent. Zum weiteren Zinskurs hielt sich die EZB-Führung aber bisher eher bedeckt.

Die letzte Meile beim Inflationsrückgang erweist sich Schnabel zufolge als etwas holprig. "Unsere Projektionen gehen davon aus, dass wir gegen Ende des nächsten Jahres auf unser Ziel von zwei Prozent zurückkehren," sagte sie. Wenn das gelänge, ohne gleichzeitig die Wirtschaft in eine schwere Rezession zu stürzen, wäre das ein großer Erfolg. Die EZB hatte im Kampf gegen die Inflation seit Sommer 2022 zehn Mal in Serie die Zinsen angehoben. Die Notenbank beobachte den Themenkomplex Löhne, Produktivität und Gewinne sehr genau. "Aber die jüngeren Entwicklungen deuten in die richtige Richtung", sagte sie.

Zu den neuen Risiken zählte die EZB-Direktorin geopolitische Schocks. Diese könnten unter anderem Auswirkungen auf die Energiepreise und auf die Lieferketten haben. Dabei verwies Schnabel auf den Konflikt im Nahen Osten. Zwar hätten die Energiepreise in den vergangenen Monaten kaum reagiert, aber es seien wieder gewisse Lieferketten-Störungen zu sehen. Zu den neuen Risiken zählten auch Schocks durch Extremwetterereignisse im Zuge des Klimawandels. Diese träten inzwischen viel häufiger auf und könnten sich etwa auf die Lebensmittelpreise auswirken.