Ein Meilenstein: Der Pilotteilnehmer Spedition Wildenhofer hat den ersten erfolgreichen Testtransport mittels eCMR absolviert. © Wildenhofer
2021 wurde der digitale Frachtbrief (eCMR) der Blockchain Initiative Logistik erstmals erfolgreich in der Praxis getestet ...
... Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen geht es nun in die finale Phase zum Aufbau einer allgemein nutzbaren Branchenlösung.
Blockchain-Technologien und Kryptowährungen werden gern in einen Topf geworfen. Das ist ja bis zu einem gewissen Grad auch nicht ganz falsch. Aber während es Bitcoin und Co. ohne Blockchain nicht geben kann, ist das umgekehrt überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil: Es gibt zahlreiche Anwendungsfälle, in denen Blockchain-Systeme große Vorteile bringen können, ganz ohne den anrüchigen Beigeschmack von zwielichtigen Spekulationen oder massiven Energieaufwänden.
Einer dieser Bereiche ist die Logistik und hier im Speziellen Frachtbriefe, die für die Abwicklung internationaler Transporte essenziell sind. In vielen Bereichen der Logistik ist die Digitalisierung in den vergangenen Jahren zwar rasch vorangeschritten, Frachtdokumente werden aber nach wie vor papierbasiert abgewickelt. Darum ist die zeitgerechte Verfügbarkeit von Transportinformationen und Unterschriften für Spediteure, Verlader, Frächter und Versicherungen oft nicht gewährleistet. Zudem wird dadurch Betrügern Tür und Tor geöffnet, und auch Irrtümer häufen sich. Deshalb hat sich die 2019 ins Leben gerufene „Blockchain Initiative Logistik“ in ihrem ersten Use-Case dieser Herausforderung gestellt und eine Branchenlösung zur Nutzung des eCMR (= digitaler Frachtbrief) entwickelt. EDITEL ist von Beginn an Teil dieser Initiative und konnte nun mit der Spedition Wildenhofer einen ersten Pilotteilnehmer gewinnen, der einen erfolgreichen Testtransport mittels eCMR absolvierte.
Von der Pilotphase zur Praxis
Dass sich die Blockchain als passende Technologie für die Digitalisierung des Frachtbriefs erweist, konnte bereits in der ersten Projektphase theoretisch bewiesen werden. Im Mittelpunkt der zweiten Phase stand nun die Entwicklung einer vollständigen und ausgereiften Anwendung für den professionellen Praxiseinsatz. Schwerpunkte waren die Identifizierung der Teilnehmer mittels digitaler Signaturen, der Datenschutz (DSGVO) sowie die Einbindung von Standards. Den letzten Teil dieser Phase bildeten die ersten praktischen Testtransporte. Der nun im Frühling abgeschlossene Test erfolgte auf Initiative von EDITEL durch die Salzburger Spedition Wildenhofer. Dabei wurden auch Warenversender und -empfänger miteinbezogen.
So konnte die neue Anwendung von der Spedition Wildenhofer sowohl im Backoffice als auch bei den Fahrern rasch eingeführt werden. Spezielle Vorkenntnisse mussten die Mitarbeiter nicht mitbringen. Ein kurzer Testdurchlauf vor Beginn des ersten echten Transports genügte den Angaben zufolge, um die Mitarbeiter von der intuitiven Lösung zu überzeugen. Auch die Einbindung der Warenversender und -empfänger, die jeweils die Übergabe bzw. den Empfang der Waren digital bestätigen mussten, verlief reibungslos.
Ein richtungsweisendes Ergebnis
Anhand dieser Erfahrung konnten die Spedition Wildenhofer und ihre Kunden auch wertvolle Ideen zum letzten Feinschliff der eCMR-Anwendung gewinnen. Die Vorteile der Digitalisierung wurden ebenfalls sofort sichtbar, denn alle Akteure (Auftraggeber, Spedition und Empfänger) konnten sämtliche Transportschritte live mitverfolgen. Zum Zeitpunkt der Warenübergabe standen allen zeitgleich die ausgefertigten Dokumente zur Verfügung. Digitale Frachtbriefe sorgen nicht nur für enorme Zeitersparnis, sondern machen in Zukunft auch etliche manuelle Arbeitsschritte überflüssig. In der Logistik ist das besonders wertvoll, denn dort gilt das Motto „Zeit ist Geld“.
Seitens der Blockchain Initiative Logistik zeigt man sich überzeugt, dass der elektronische Frachtbrief somit einen Mehrwert für alle Teilnehmer darstellt und auch, dass die zur Anwendung gekommene Software allen Anforderungen gerecht wurde. Für die Spedition Wildenhofer erwies sich der Testtransport laut ihrem Prokuristen Rudolf Mieser „nicht nur als extrem spannend, sondern vor allem auch richtungsweisend, um die daraus resultierenden Vorteile künftig auch für uns und unsere Partner zu nutzen.“ EDITEL-Geschäftsführer Gerd Marlovits wiederum sieht diesen Praxistest, der vor allem wichtige Erkenntnisse zur Usability brachte, „als wertvolles Feedback, um die richtigen Schwerpunkte für die nächsten Entwicklungsschritte zu setzen“.
Nächste Phase im Mai gestartet
Nach Abschluss der zweiten Praxisphase startete Anfang Mai nun die dritte und letzte Phase, in der es vorrangig um den Aufbau einer allgemein nutzbaren, branchenweiten Plattform geht. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt hier vor allem auf der technischen und organisatorischen Integration weiterer Partner. Darüber hinaus sind mit dem Inkrafttreten der EU-Verordnung über elektronische Frachtbeförderungsinformationen (eFTI) im August 2024 noch einige Vorbereitungen zu treffen. (RNF)
INFO-BOX
Der Nutzen des digitalen Frachtbriefs
Allein die direkten Kosteneinsparungen durch den Wegfall manueller, repetitiver Tätigkeiten im Bereich des Dokumentenhandlings wurden von verschiedenen Institutionen mit mindestens 4,50 Euro je eCMR-Frachtpapier errechnet.
Zudem zeigt sich folgender Nutzen bei der Verwendung einer digitalen eCMR-Lösung:
• Prozesskostensenkungen durch Automatisierungspotenzial, wie z. B. eine direkte Anbindung an Transportmanagementsysteme
• Schneller Real-time-Zugriff auf Daten und Status durch alle Beteiligten (Absender, Empfänger, Frächter, Spediteure, Behörden und Versicherungen im Schadensfall)
• Exakte Protokollierung der Änderungen von Daten, die bisher nicht nachvollziehbar und handschriftlich auf einzelnen Durchschlägen vermerkt wurden
• Elektronischer Proof of Delivery zeitgleich mit der Unterschrift des Empfängers
• Leichte Archivierbarkeit und Auffindbarkeit, z. B. für Finanzprüfungen
INFO-BOX
Über die Blockchain Initiative Logistik
Mit dem Ziel, die Potenziale von Blockchain für die österreichische Logistikbranche zu nützen, gründete die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY 2019 gemeinsam mit den Transportunternehmen DB Schenker und LKW Walter, GS1 Austria, dem EDI-Dienstleister EDITEL Austria, der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL) und der WU Wien die Blockchain Initiative Logistik. Das erste Pilotprojekt der Initiative widmet sich der Digitalisierung des internationalen Frachtbriefs (CMR) und soll jährlich rund 75 Millionen Prozesse bei österreichischen Logistikern automatisieren und zwölf Millionen Blätter Papier einsparen. 2019 wurde die Blockchain Initiative Logistik mit dem futurezone-Award als „Blockchain-Projekt des Jahres“ ausgezeichnet.
Die bisherigen Erfahrungen haben unter Beweis gestellt, dass die Blockchain-Technologie abseits von Kryptowährungen für Projekte mit mehreren Teilnehmern unterschiedlicher Interessen einen signifikanten Mehrwert bietet. Dabei setzt die Blockchain Initiative Logistik auf Technologien, die vollständig ohne das sonst bei Kryptowährungen übliche energiehungrige Mining auskommen. Somit sollen die Vorteile der Blockchain-Technologie (Vertraulichkeit, Unveränderbarkeit, Verfügbarkeit) mit einem günstigen CO₂-Abdruck kombiniert werden können.