Risikofaktor Klimawandel

NEW BUSINESS Guides - UMWELTTECHNIK- & ENERGIE-GUIDE 2017/18
Wetter- und klimabezogene Extremereignisse, die Katastrophen wie Überschwemmungen und Dürren nach sich ziehen, werden in vielen Regionen häufiger auftreten und an Intensität gewinnen. © Pixabay

Extremwetterereignisse verursachen wirtschaftliche Schäden in Höhe von mehr als 400 Milliarden Euro

Wie der Klimabericht 2016 der Europäischen Umweltagentur zeigt, haben  die ­beobachteten Klimaveränderungen bereits weitreichende Auswirkungen auf Ökosysteme, die Gesundheit der Menschen und die Wirtschaft in Europa.

Die Temperaturen weltweit und in Europa erreichen immer neue Höchstwerte, die Meeresspiegel steigen auf Rekordwerte, und das Meereis in der Arktis schwindet auf den geringsten je beobachteten Wert. Die Niederschlags­muster verändern sich – in den regenreicheren Regionen Europas nehmen die Niederschläge generell zu, die niederschlagsärmeren Regionen werden hingegen trockener. Die Gletscher gehen zurück, die Schneebedeckung nimmt ab. Gleichzeitig steigt in vielen Regionen die Häufigkeit und Intensität klimabedingter Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen und Dürreperioden. Verbesserte Klimaprognosen liefern weitere Hinweise darauf, dass klimabedingte Extreme in vielen Regionen Europas weiter zunehmen werden.
„Der Klimawandel wird sich über viele Jahrzehnte hin fortsetzen. Ausmaß und Auswirkungen des künftigen Klimawandels werden von der Effektivität der Umsetzung der weltweiten Vereinbarungen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen abhängen, aber auch davon, dass es uns gelingt, die richtigen Strategien und Konzepte zu entwickeln, um die durch aktuelle und prognostizierte Klimaextreme hervorgerufenen Risiken zu verringern,“ so Hans Bruyninckx, Exekutivdirektor der Europäischen Umweltagentur (EUA).

Die „Hotspots“ des Klimawandels
Alle Regionen Europas sind für den Klimawandel anfällig, aber einige Regionen werden von den negativen Auswirkungen stärker betroffen sein als andere. Den Prognosen zufolge werden Süd- und Südosteuropa besonders unter dem Klimawandel zu leiden haben, da hier mit den meisten negativen Auswirkungen zu rechnen ist. Bereits jetzt sind in der Region eine starke Zunahme der Hitzeex­treme und ein Rückgang der Niederschläge und der Flusspegel zu verzeichnen, wodurch die Gefahr ausgeprägterer Dürreperioden, niedrigerer Ernteerträge sowie eines Rückgangs der biologischen Vielfalt und die Waldbrandgefahr steigen. Man geht davon aus, dass häufigere Hitzewellen und Veränderungen bei der Ausbreitung klimasensitiver Infektionskrankheiten dazu führen werden, dass Gesundheit und Wohlergehen der Menschen wachsenden Gefährdungen ausgesetzt sind.
Auch die Küsten‑ und Überflutungsgebiete in den westlichen Regionen Europas gelten als „Hotspots“, denn steigende Meeresspiegel und eine mögliche Zunahme von Sturmfluten lassen auch hier die Gefährdung wachsen. Für die marinen Ökosysteme bringt der Klimawandel infolge der Versauerung und zunehmenden Erwärmung der Meere und der Ausweitung der sauerstoffarmen Totzonen ebenfalls weitreichende Veränderungen mit sich.
Die Ökosysteme und die menschlichen Aktivitäten in der arktischen Region werden durch den besonders raschen Anstieg von Luft- und Meerestemperaturen und das damit verbundene Abschmelzen von Land- und Meereis ebenfalls in hohem Maße betroffen sein.
Zwar ergeben sich für einige Regionen auch positive Folgen, wie z. B. bessere Bedingungen für die Landwirtschaft in Teilen Nordeuropas, doch werden negativen Folgen in den meisten Regionen und Wirtschaftszweigen überwiegen.

Ökosysteme stark gefährdet
Überall in Europa geraten Ökosysteme und Schutzgebiete durch den Klimawandel und andere Stressfaktoren, z. B. veränderte Landnutzung, unter Druck. Wie in dem Bericht hervorgehoben wird, stellen die Auswirkungen des Klimawandels für die biologische Vielfalt an Land und in den Meeren eine Bedrohung dar. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sehen sich Veränderungen ihres Lebenszyklus ausgesetzt und wandern nordwärts und in höher gelegene Regionen ab, während sich verschiedene invasive Arten dauerhaft ansiedeln oder ihren Lebensraum ausgeweitet haben. Marine Arten, darunter auch wirtschaftlich wichtige Fischbestände, wandern ebenfalls gen Norden. Von diesen Veränderungen sind unterschiedliche Ökosystemdienstleistungen und Wirtschaftszweige betroffen, wie Land- und Forstwirtschaft und Fischerei.

Bedrohung für menschliche Gesundheit
Die wesentlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit hängen mit Extremwetter­ereignissen, Veränderungen bei der Ausbreitung klimasensitiver Krankheiten und Veränderungen der Umweltbedingungen und der sozialen Bedingungen zusammen. Millionen Menschen in Europa waren im zurückliegenden Jahrzehnt von Überschwemmungen an Flüssen und in den Küsten­regionen betroffen. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen zählen Verletzungen, Infektionen, Exposition gegenüber chemischen Gesundheits­risiken und Folgen für die psychische Gesundheit. Hitzewellen nehmen in ihrer Häufigkeit und Intensität zu und sind für zehntausende vorzeitige Todesfälle in Europa verantwortlich. Diese Entwicklung wird sich weiter intensivieren, wenn nicht geeignete Maßnahmen zur Anpassung getroffen werden. Durch die Ausbreitung von Zeckenarten, der asiatischen Tigermücke und anderer Krankheitsüberträger wächst das Erkrankungsrisiko für Borreliose, durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung, West-Nil-Fieber, Denguefieber, Chikungunyafieber und Leishmaniose.

Wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe
Die mit dem Klimawandel verbundenen wirtschaftlichen Kosten können sehr hoch ausfallen. Seit 1980 wurden in den EWR-Ländern durch klimabedingte Extremwetterereignisse wirtschaftliche Schäden in Höhe von mehr als 400 Milliarden Euro verursacht. Die vorliegenden Schätzungen der zukünftigen Kosten des Klimawandels in Europa beziehen nur einige wenige Wirtschaftszweige ein und weisen eine erhebliche Unsicherheit auf. Am höchsten fallen die prognostizierten Schadenskosten durch den Klimawandel jedoch für den Mittelmeerraum aus. Durch Auswirkungen auf Handel und Infrastruktur, geopolitische Risiken und Sicherheitsrisiken sowie Migration ist Europa auch von den Folgen des Klimawandels betroffen, die außerhalb Europas eintreten.

Bessere Anpassung und Verbesserung des Kenntnisstands
Bei der Einbeziehung der Anpassung an den Klimawandel in andere Politikfelder sind Fortschritte zu verzeichnen, doch besteht hier noch weiteres Potenzial. Weitere mögliche Maßnahmen sind die Verbesserung der Kohärenz politischer Maßnahmen über unterschiedliche Politikfelder und ‑ebenen (EU-, transnationale, nationale und subnatio­nale Ebene) hinweg, flexiblere adaptive Konzepte für den Umgang mit dem Klimawandel sowie die Kombination technischer Lösungen, ökosystembasierter Konzepte und „weicher“ Maßnahmen.
Die Entwicklung und Inanspruchnahme von „Klimaservices“ und „Anpassungsservices“ in Europa schreiten voran. Verbesserte Informationen in verschiedenen Bereichen wären hilfreich, so zum Beispiel im Bereich der Anfälligkeits- und Risikobewertungen auf unterschiedlichen Ebenen und von Monitoring, Berichterstattung und der Auswertung von Anpassungsmaßnahmen, deren Kosten und Nutzen sowie Synergien und Zielkonflikten mit anderen politischen Maßnahmen. (BO)

INFO-BOX
Hintergrund
Bei dem Bericht handelt es sich um eine auf Indikatoren basierende Einschätzung des bereits eingetretenen und des prognostizierten Klimawandels und seiner Auswirkungen auf Ökosysteme und Gesellschaft. Außerdem geht der Bericht auf die Anfälligkeit der Gesellschaft für diese Auswirkungen und auf die Entwicklung von An­passungs­strategien und den zugrunde liegenden Wissensstand ein.
Der Bericht wurde von der EUA in Zusammen­arbeit mit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission, dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, dem Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation und drei Europäischen Themenzentren (ETC-CCA, ETC-BD, ETC-ICM) erarbeitet. Dies ist der vierte der im Vierjahresrhythmus vorgelegten Berichte über den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Europa sowie die Anfälligkeit Europas für den Klima­wandel. Diese Ausgabe hat zum Ziel, die Um­setzung und den Prozess der für 2018 vorgesehenen Überprüfung der EU‑Strategie von 2013 zur Anpassung an den Klimawandel sowie die Entwicklung nationaler und transnationaler Anpassungsstrategien und ‑pläne zu unterstützen.
www.eea.europa.eu