Knapp 430.000 Personen beim AMS arbeitslos oder in Schulung gemeldet © APA - Austria Presse Agentur

Der Wirtschaftsabschwung in Österreich dauert bereits mehr als zwei Jahre an. Seit Frühjahr 2023 steigen die Arbeitslosenzahlen. Die neue schwarz-rot-pinke Regierung hat in den kommenden Monaten wohl wirtschaftspolitisch viel zu tun. Die schwache Geschäftsentwicklung in der Industrie und im Handel lässt die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Ende Februar waren 429.940 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos oder in Schulung gemeldet.

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer um 6,9 Prozent bzw. 27.643 Personen gestiegen. Die Arbeitslosenrate erhöhte sich Ende Februar im Jahresabstand um 0,5 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent."Es ist kein leichter Start für eine neue Bundesregierung", kommentierte AMS-Vorstand Johannes Kopf die aktuellen Arbeitslosenzahlen am Montag. Seit rund 2,5 Jahren befinde sich Österreich in einer Rezession und das zeige "auch der Arbeitsmarkt deutlich". Positiv bewertet Kopf das Regierungsprogramm der neuen türkis-rot-pinken Koalition. "Die neue Bundesregierung hat angekündigt, das AMS mit deutlich mehr Budget zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auszustatten. Das ist ein wichtiger erster Schritt", so der AMS-Chef.

Neue Regierung plant keine große Arbeitsmarktreform

Die Dreierkoalition plant beim Arbeitsmarkt keine große Reform, hat aber zahlreiche Einzelmaßnahmen vorgesehen. Der Zuverdienst beim Arbeitslosengeld soll deutlich strenger gehandhabt werden. Bei der Bildungskarenz ist ein eingeschränktes Nachfolgemodell ab 2026 geplant. In der Vorgängerregierung war Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) bei der Reform des Arbeitslosengeldes und der Bildungskarenz am Widerstand der Grünen gescheitert.

Die Rezession in Österreich belastet den Arbeitsmarkt deutlich. Eine merkbare Besserung ist noch nicht in Sicht. Die sofort verfügbaren offenen Stellen gingen Ende Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 11,1 Prozent auf 80.274 zurück. Der ÖVP-Wirtschaftsbund erfasst in seinem Stellenmonitor alle Jobportale und verzeichnete 148.444 offene Stellen. Die Zeitarbeitsfirma Randstad verwies auf sich ändernde Einstellungen von Arbeitskräften in Österreich. Zum ersten Mal in der 22-jährigen Geschichte der Randstad-Studie "Workmonitor" habe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die "Jobsicherheit" (79 Prozent) eine höhere Priorität als "Gehalt" (75 Prozent).

Den größten prozentuellen Zuwachs bei arbeitslosen Menschen und Personen in AMS-Schulung gab es Ende Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat in der Warenerzeugung/Industrie (+14,9 Prozent) und im Gesundheits- und Sozialwesen (+12,2 Prozent). Im Gesundheits- und Sozialwesen stieg besonders stark die Zahl der Schulungsteilnehmer, unter anderem weil das AMS-Pflegestipendium zur Ausbildung in Pflegeberufen in Anspruch genommen wird. Etwas niedriger fiel der Anstieg im Handel (+8,3 Prozent), in der Gastronomie und Beherbergung (+5,7 Prozent) sowie im Verkehr und Lagerwesen (+5,2 Prozent) aus. Einen geringen Arbeitslosenanstieg gab es am Bau (+2,5 Prozent) und bei der Arbeitskräfteüberlassung (+0,1 Prozent).

Stärkster prozentueller Arbeitslosenanstieg in Oberösterreich und Salzburg

Den höchsten Anstieg von Arbeitslosen und Schulungsteilnehmern verzeichnete Oberösterreich (+15,2 Prozent), gefolgt von Salzburg (+11,2 Prozent), Tirol (+8,8 Prozent), Steiermark (+7,7 Prozent), Vorarlberg (+6,3 Prozent) und Wien (+5,5 Prozent). Niedriger fiel das Plus in Niederösterreich (+3,6 Prozent), Kärnten (+3,5 Prozent) und dem Burgenland (+2,7 Prozent) aus. Die höchste Arbeitslosenquote wurde Ende Februar im Bundesländervergleich in Wien mit 12,4 Prozent registriert, gefolgt von Kärnten (9,5 Prozent), Burgenland (8,4 Prozent), Steiermark (7,7 Prozent) und Niederösterreich (7,5 Prozent). Eine geringe Arbeitslosenquote gab es in Oberösterreich (6,4 Prozent), Vorarlberg (5,7 Prozent), Salzburg (4,7 Prozent) und Tirol (4,4 Prozent).

Die Zahl der arbeitslosen Inländer inklusive Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer stieg um 5,2 Prozent auf rund 244.371 und die Anzahl der arbeitslosen ausländischen Personen erhöhte sich deutlich um 9,2 Prozent auf 185.569. Derzeit werden laut Arbeitsministerium in österreichischen Unternehmen 97.424 Lehrlinge ausgebildet, 28.796 davon im ersten Lehrjahr. Aktuell gibt es etwas mehr lehrstellensuchende Personen als Lehrstellen: 7.891 junge Menschen sind beim AMS als lehrstellensuchend gemeldet und die Zahl der offenen Lehrstellen beläuft sich auf 7.616.

AMS-Chef: Rückgang der geleisteten Arbeitszeit muss gestoppt werden

Am österreichischen Arbeitsmarkt sind immer mehr unselbstständige Beschäftigte aktiv, Ende Februar waren es laut erster Schätzung 3,935 Millionen. Die Gesamtzahl an tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sinkt aber. Die Gründe für den Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit pro Kopf sind laut AMS "vielfältig": Die maßgeblichen Faktoren dafür seien Strukturveränderungen in manchen Branchen, die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen mit einer Teilzeitquote von über 50 Prozent, die Reduktion der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten und weniger geleistete Überstunden. "War Österreich im Jahr 2008 mit einer durchschnittlich tatsächlich geleisteten Arbeitszeit von 41,1 Stunden pro Woche und Vollzeitarbeitskraft noch auf Platz 3 in der EU, lag dieser Wert im Jahr 2023 mit 37,6 Stunden und unser Land damit nur mehr auf Platz 12", schreibt das AMS in einer aktuellen Spezialauswertung.

"Aktuell hilft der Trend zur reduzierten Arbeitszeit den Arbeitslosenzahlen, da die Betriebe dann mehr Menschen beschäftigen müssen", sagte der AMS-Chef. "Trotzdem ist der Umstand, dass wir in Österreich mit immer mehr Menschen in weniger Stunden insgesamt weniger leisten, alles andere als eine gute Nachricht", warnte Kopf. Zur Finanzierung der Sozialsysteme und für den Erhalt des Wohlstands sowie der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs müsse man "den Rückgang der insgesamt geleisteten Arbeitszeit jedenfalls stoppen". Auch die FPÖ sieht Handlungsbedarf bei der Arbeitszeit: Die geleisteten Arbeitsstunden hätten im Jahresvergleich um 1 Prozent zu 2023 abgenommen, "sie müssten aber steigen, wenn man aus der Rezession raus will", so die FPÖ-Wirtschaftssprecherin Barbara Kolm in einer Aussendung.

Damit mehr Arbeitnehmer wieder Vollzeit arbeiten, will die neue Regierung die gestaffelten Arbeitslosenversicherungsbeiträge "überdenken". Es sollen mehr Möglichkeiten für einen Wechsel von Teilzeit in Richtung Vollzeit geschaffen werden. Konkrete Maßnahmen dafür stehen nicht im Regierungsprogramm. Insgesamt soll das Modell der geringfügigen Beschäftigung "weiterentwickelt" werden.

Sozialpartner für schnelle Umsetzung des Regierungsprogramms

AK-Präsidentin Renate Anderl verwies auf die Insolvenzen der Händler Kika/Leiner und Palmers sowie des Motorradherstellers KTM und die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. "Dieser negative Trend muss gestoppt werden. Der Kampf gegen Jugend- und Frauenarbeitslosigkeit muss jetzt oberste Priorität haben", so Anderl. Die ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth fordert "jetzt rasch Offensiven für Beschäftigung", die im Regierungsprogramm der neuen türkis-rot-pinken Koalition angekündigt wurden.

Die Industriellenvereinigung (IV) drängt auf "rasche" Maßnahmen zur Entlastung des Arbeits- und Industriestandorts. "Erste positive Tendenzen sind bei den im Regierungsprogramm angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen erkennbar, etwa bei der bürokratischen Entlastung oder Maßnahmen in Richtung Leistungsanreiz", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Der ÖVP-Wirtschaftsbund wünscht sich für den Wirtschaftsstandort "ein Comeback der Leistung": "Steuerfreie Prämien, begünstigte Überstunden und Erleichterungen für das Arbeiten im Alter, sind essenziell, um den Arbeitsmarkt zu beleben und dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken", sagte Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger.