ChatGPT-Entwickler OpenAI feuerte seinen Chef Sam Altman © APA - Austria Presse Agentur
Die Entwicklerfirma hinter dem populären Chatbot ChatGPT bekommt überraschend einen neuen Chef. Mitgründer und Firmenlenker Sam Altman verließ sein Unternehmen OpenAI, weil der Verwaltungsrat ihm das Vertrauen entzog. Altman war das Gesicht von OpenAI - und im weiteren Sinne auch des Booms bei Künstlicher Intelligenz. Die Mitteilung von OpenAI am Freitag war ungewöhnlich scharf formuliert: Altman sei nicht aufrichtig in seiner Kommunikation mit dem Aufsichtsgremium gewesen.
"Der Verwaltungsrat hat kein Vertrauen mehr in seine Fähigkeit, OpenAI weiterhin zu führen." Nähere Details gab es nicht. In der Tech-Industrie in San Francisco und dem Silicon Valley setzte ein Rätselraten ein, was vorgefallen sein könnte. Altman gilt als Meister der Geldbeschaffung. So hat er fast im Alleingang Microsoft-Chef Satya Nadella davon überzeugt, zehn Milliarden Dollar in OpenAI zu investieren. Zudem leitete Altman die OpenAI-Ausschreibungsgeschäfte und steigerte dabei die Bewertung des Startups von zuvor 29 Milliarden auf zuletzt mehr als 80 Milliarden Dollar. Auch Altman ließ offen, was zu dem Zerwürfnis führte. Er habe die Zeit dort sehr geliebt, schrieb er auf X lediglich. "Ich werde später mehr darüber sagen, was als nächstes kommt."
Die renommierte Technologie-Journalistin Kara Swisher schrieb, Auslöser seien Differenzen zwischen zwei Lagern von OpenAI gewesen - und zwar zwischen dem gewinnorientierten und dem Non-Profit-Flügel. OpenAI war 2015 von Altman und unter anderem auch Tesla-Chef Elon Musk ursprünglich als ein nicht auf Gewinn ausgerichtetes Start-up gegründet worden, das KI erforschen sollte. Mit der Zeit - und einer Milliarden-Investition von Microsoft - wurde OpenAI jedoch immer mehr zu einem profitorientierten Unternehmen. Unter anderem Musk kritisierte das immer wieder.
Schon die offizielle Mitteilung enthielt zwischen den Zeilen einen Hinweis auf solche Spannungen. Darin wurde betont, dass OpenAI für eine Mission aufgebaut worden sei: "um sicherzustellen, dass allgemeine Künstliche Intelligenz der gesamten Menschheit zugutekommt". Diesem Ziel sei man weiter verpflichtet.
Swisher zufolge war ein Auslöser für Altmans Rauswurf die Entwicklerkonferenz von OpenAI, bei der die Möglichkeit vorgestellt wurde, spezialisierte Versionen von ChatGPT zu entwickeln und damit Geld zu verdienen. Der Non-Profit-Fraktion von OpenAI sei das alles zu schnell gegangen, schrieb Swisher bei der Online-Plattform X. Einige Vertraute Altmans bei dem Unternehmen sprächen von einem "Umsturz". Swishers Quellen zufolge erfuhr Altman vom Beschluss des Verwaltungsrates nur 30 Minuten vor Veröffentlichung der Mitteilung.
Wenige Stunden nachdem Altman herausgedrängt wurde, nahm ein weiterer Mitgründer, Greg Brockman, ebenfalls seinen Hut. Er verwies auf "die heutigen Nachrichten". Brockman war bis Freitag Vorsitzender des Verwaltungsrates und sollte laut Mitteilung zwar diesen Posten aufgeben, aber bei dem Unternehmen bleiben.
Ein Initiator der Vorgehens gegen Altman war nach Informationen von Swisher und des ebenfalls gut vernetzten Branchendienstes "The Information" Chefwissenschaftler Ilya Sutskever - ein weiterer Mitgründer von OpenAI. Dem Finanzdienst Bloomberg zufolge gab es Meinungsverschiedenheiten darüber, wie schnell die KI-Software entwickelt werden sollte, wie man sie vermarktet und wie man Risiken minimiert. Auch hätten Versuche Altmans, Geld von Investoren für die Entwicklung eines eigenen KI-Chips zu sammeln, für Streit gesorgt.
Technologiechefin Mira Murati werde vorläufig den Chefposten übernehmen, während die dauerhafte Nachfolge geregelt werden solle, teilte OpenAI weiter mit. Altman stand bis zuletzt im Rampenlicht: Noch am Donnerstag sprach er auf dem Gipfel der APEC-Ländergruppe in San Francisco.
Der Chatbot ChatGPT kann Sätze auf dem sprachlichen Niveau eines Menschen formulieren. Seine Veröffentlichung vor rund einem Jahr löste einen KI-Hype aus. Das 2015 gegründete Unternehmen OpenAI wurde damit zu einem Vorreiter bei der Technologie. Microsoft ging einen milliardenschweren Pakt mit der Firma ein, um deren Technologie in Produkte des Konzerns zu bringen. Andere Tech-Schwergewichte wie Google, Amazon und der Facebook-Konzern Meta stellten Konkurrenz-Software vor.
Microsoft betonte, dass man an der Zusammenarbeit mit OpenAI festhalte. Zugleich stellte der Software-Riese unmissverständlich fest, dass die KI-Firma nicht einfach aus der Kooperation aussteigen könne: "Wir haben eine langfristige Vereinbarung mit OpenAI und haben Zugang zu allem Nötigen, um unsere Innovations-Agenda umzusetzen".
Für OpenAI ist die Vorreiter-Rolle lukrativ: Medienberichten zufolge wurde bei einem Verkauf von Mitarbeiter-Aktien von einer Gesamtbewertung von 86 Milliarden Dollar ausgegangen. Damit stieg OpenAI in die Riege der wertvollsten nicht an der Börse notierten Unternehmen auf - neben dem Videodienst TikTok und Musks Raumfahrt-Firma SpaceX.
Der Analyst Daniel Ives von Wedbush Securities sagte, der Rauswurf sei ein Schock. Altman sei ein wichtiger Bestandteil des Erfolgsrezepts von OpenAI gewesen. Microsoft werde nun wohl mehr Kontrolle auf das Unternehmen ausüben. Grundsätzlich zeigten sich Experten aber nicht besorgt. Altmans Abgang sei zwar nicht schön. Das werde aber weder die Popularität der generativen KI noch den Wettbewerbsvorteil von OpenAI oder Microsoft schmälern. "Die von OpenAI geschaffene Innovation ist größer als eine oder zwei Personen, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass OpenAI dadurch seine Führungsposition einbüßt", sagte der Analyst Gil Luria.
Altmans Ausstrahlung hat Beobachtern zufolge mit dazu beigetragen, KI-Talente auf dem hart umkämpften Markt für OpenAI zu gewinnen. Altman warb sie erfolgreich bei Google, Microsoft und anderen etablierten Tech-Giganten mit sichereren Vergütungs-Paketen Geld an und versprach ihnen, sie an der Entwicklung einer weltverändernden Technologie teilhaben zu lassen.
Glühenden Zuspruch bekam Altman vom ehemaligen Google-Chef Eric Schmidt. Altman sei für ihn ein Held, der die Welt für immer verändert habe, schrieb Schmidt bei X. Er könne nicht abwarten zu sehen, was Altman als nun mache - und Milliarden Menschen würden davon profitieren.