Die Reallöhne dürften dagegen heuer und 2025 deutlich steigen © APA - Austria Presse Agentur

Deutschland steuert auf ein zweites Jahr in Folge ohne wirkliches Wirtschaftswachstum zu. Die führenden Forschungsinstitute kürzten am Mittwoch ihre Prognose drastisch zusammen und rechnen 2024 nur noch mit einem Plus von 0,1 Prozent, also eigentlich mit einer Stagnation. Die Hoffnung liegt nun darauf, dass nächstes Jahr besser wird. Dazu könnten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) beitragen, die ab diesem Sommer erwartet werden.

"Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen", sagte Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Derzeit falle eine schwache Weltwirtschaft zusammen mit strukturellen Problemen in Deutschland. Erst zur Jahresmitte sollte sich die Lage langsam verbessern. Die deutsche Ampel-Regierung trage mit internen Dauerstreitigkeiten zur Finanz- und Wirtschaftspolitik zur Verunsicherung bei. "Man spielt auf Sicht." Unternehmen bräuchten aber langfristige Planbarkeit für Investitionen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck, der den Standort Deutschland zuletzt als nicht mehr wettbewerbsfähig bezeichnet hatte, verwies auf gute Voraussetzungen für mehr Investitionen: "Energiepreise und Inflation haben sich beruhigt, intensiv arbeiten wir am Bürokratieabbau, die Türen für Fachkräfte haben wir weiter geöffnet." Die Einkommen der Menschen stiegen zudem merklich, so der Grünen-Politiker. Steuerliche Entlastungen im Volumen von gut 3 Mrd. Euro sollten zusätzlich Wirkung zeigen. "Notwendig sind weitere Wachstumsimpulse, daran arbeiten wir in der Regierung", so Habeck.

Die Wirtschaft sieht die Lage allerdings skeptischer. "Die Energiekosten sind noch immer deutlich höher als in anderen Industrieländern", warnte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. "Hinzu kommen hohe Bürokratiebelastungen, ein sich verschärfender Fachkräftemangel und geopolitische Unsicherheiten, die das Exportgeschäft belasten." Wansleben sprach sich für Steuersenkungen und noch umfangreichere Abschreibungsmöglichkeiten aus. "An konkreten Vorschlägen mangelt es nicht. Es mangelt an der Umsetzung."

Die sich abzeichnenden Zinssenkungen wirkten sich am Bau bereits positiv aus, sagte Ökonom Timo Wollmershäuser vom Münchner Ifo-Institut. Die volle Wirkung werde sich aber erst innerhalb von ein oder zwei Jahren entfalten. Die Ampel ist weit von ihrem Ziel entfernt, dass in Deutschland pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht beispielsweise davon aus, dass dieses Ziel mit etwa 265.000 Wohnungen 2024 erneut klar verfehlt wird.

Im Gutachten der Forschungsinstitute für die Bundesregierung heißt es, 2024 sei noch mit einem Rückgang der Bauinvestitionen um 2,2 Prozent zu rechnen. "Sinkende Zinsen, kräftig steigende Einkommen und stagnierende Baupreise dürften dann die Wende einleiten." 2025 sollten die Bauinvestitionen erstmals seit dem Jahr 2020 wieder steigen, und zwar um ein Prozent. Aktuell stecke der Bau noch tief in der Rezession, so die Forscher. Im Verhältnis zum ungebrochen hohen Bedarf bleibe die Entwicklung der Wohnbauinvestitionen sehr schwach. "Daran können auch die aufgestockten Förderprogramme kaum etwas ändern."

Bisher hatten die Institute für dieses Jahr noch ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent erwartet. Für 2025 nahmen sie ihre Vorhersage leicht von 1,5 auf 1,4 Prozent zurück. Die Wirtschaftsleistung falle dann aber infolge der verzögerten Erholung um über 30 Mrd. Euro niedriger aus. Im vergangenen Jahr ist Europas größte Volkswirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft.