Mit der Einigung können weitere Bahnstreiks abgewendet werden © APA - Austria Presse Agentur

Bahn-Reisende in Deutschland können aufatmen. Die Lokführergewerkschaft GDL und die Deutsche Bahn (DB) haben in ihrem monatelangen Tarifstreit eine Einigung erzielt und damit weitere Streiks abgewendet. Details wurden am heutigen Dienstag verkündet. So wird die wöchentliche Regelarbeitszeit schrittweise von 38 auf 35 Stunden gesenkt. Wer mehr arbeiten möchte, könne das tun und erhalte pro zusätzliche Wochenstunde um 2,7 Prozent mehr Lohn, teilte die DB mit.

Damit ist die Deutsche Bahn der Lokführergewerkschaft GDL bei der Tarifeinigung im Kernstreitpunkt Arbeitszeit entgegenkommen. Es gebe ein Wahlmodell zur Wochenarbeitszeit für das Schichtpersonal, teilte der deutsche Staatskonzern am Dienstag mit. "Die Auseinandersetzung war hart, aber wir konnten uns nun auf einen intelligenten Kompromiss einigen", sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler.

"Kernelement ist ein innovatives Optionsmodell, mit dem Mitarbeitende im Schichtdienst künftig selbst über ihre Wochenarbeitszeit entscheiden." Der Korridor gehe bis 2029 von 35 bis 40 Stunden. "Dabei gilt das Leistungsprinzip: Wer mehr arbeitet, verdient entsprechend mehr", erklärte Seiler.

Zudem gibt es 420 Euro Lohnerhöhung in zwei Schritten: 210 Euro mehr pro Monat mit 1. August 2024 und noch einmal 210 Euro mit 1. April 2025. Eine Inflationsausgleichsprämie über 2.850 Euro soll in zwei Stufen ab März ausgezahlt werden. Bis Ende Februar 2026 gilt nun Friedenspflicht mit der GDL. Der Tarifvertrag läuft 26 Monate bis 31. Dezember 2025, danach folgt eine zweimonatige Verhandlungsphase, in der ebenfalls keine Streiks möglich sind.

Nach der Tarifeinigung mit der GDL wird es laut Deutsche Bahn-Personalvorstand Martin Seiler keine Nachverhandlungen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geben, die mit der GDL um Mitglieder konkurriert. "Wir haben mit der EVG bestehende Tarifverträge, die laufen bis Ende März nächsten Jahres", sagte Seiler am Dienstag in Berlin. "Wir haben keine Nachverhandlungsklausel vereinbart, und insofern sehen wir uns mit der EVG in rund einem Jahr am Verhandlungstisch." Der EVG-Tarifvertrag läuft noch bis Ende März des kommenden Jahres.

Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, bezeichnete die Tarifeinigung mit der Deutschen Bahn als Erfolg. "Wir haben keinen Misserfolg, sondern einen Erfolg, fast auf der ganzen Linie", sagte er am Dienstag in Berlin. "Ich beginne mit dem Hinweis, dass die 35 Stunden Woche auch bei der Deutschen Bahn AG schrittweise Stück für Stück normativ in den Tarifverträgen eingeführt wird und dass das Entgelt nicht abgesenkt wird."

Nur in einem Punkt habe die Gewerkschaft sich nicht durchsetzen können: Die GDL wird auch künftig keine Tarifverträge für die Beschäftigten in der Infrastruktur abschließen. Weselsky räumte ein, dass sich in diesem Bereich zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Arbeitskämpfen beteiligt hätten, um eine solche Ausweitung zu rechtfertigen.

Nach sechs Arbeitskämpfen in der aktuellen Verhandlungsrunde, einer gescheiterten Moderation und Streit vor Gericht gab es zuletzt wieder Gespräche. Als Knackpunkt galt vor allem die von der GDL geforderte Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Personal im Schichtdienst auf 35 Stunden bei gleichem Lohn.

Die Gewerkschaft hatte in den vergangenen Monaten immer wieder den Bahnverkehr weitgehend lahmgelegt. Neben hunderttausenden Berufspendlern und anderen Reisenden war durch den Ausfall von Güterzügen auch die Industrie unmittelbar betroffen.