Europa verliert wegen seiner geringeren Produktivität wirtschaftlich den Anschluss an die USA, besagt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das BIP pro Kopf beträgt demnach in der EU gemessen an der Kaufkraftparität aktuell nur etwa 72 Prozent des US-Niveaus. "Siebzig Prozent dieses Rückstands sind auf ein geringeres Produktivitätswachstum zurückzuführen", sagte der Leiter der Europaabteilung des IWF, Alfred Kammer.

Die Produktivität in Europa wachse langsamer als in den Vereinigten Staaten. Zwar seien die beiden Märkte von der Größe her vergleichbar. Europa sei aber stark fragmentiert. Es gebe Handelsbarrieren zwischen den 27 EU-Ländern, die so in den USA nicht vorhanden seien. "Daher zielen die Unternehmen eher auf die nationalen Märkte als auf den größeren europäischen Markt", sagte Kammer. "Sie nutzen nicht den Umfang dieses großen Marktes." Würden die Handelsschranken zwischen den EU-Ländern auf das Niveau der US-Bundesstaaten gesenkt, würde dies die Produktivität in Europa um 7 Prozentpunkte steigern, sagte der IWF-Experte.

Einen weiteren Grund für den Rückstand sieht der IWF im Fehlen eines einheitlichen Kapitalmarktes in der EU. Europäische Firmen seien daher im Vergleich zu ihren amerikanischen Konkurrenten benachteiligt - etwa bei der Finanzierung durch Aktienemissionen oder auch bei Bankkrediten.

Europäische Technologieunternehmen verfügten häufig nicht über die traditionellen physischen Sicherheiten, die Banken für einen Kredit verlangen. Ihre wichtigsten Vermögenswerte sind geistiges Eigentum und Ideen. Solche Unternehmen suchen in der Regel nach frischem Geld bei risikofreudigen Risikokapitalgesellschaften, die jedoch in Europa unterentwickelt seien. Diese konzentrierten sich zudem auf die nationalen Märkte, um die komplexen grenzüberschreitenden Vorschriften zu vermeiden. Seit zehn Jahren arbeitet die EU an einer Kapitalmarktunion, um solche Hindernisse zu beseitigen.

Als weiteres Hemmnis für das Produktivitätswachstum in der EU gilt der Umstand, dass Arbeitnehmer bei Umzügen zwischen den Mitgliedsstaaten höhere Hürden zu überwinden haben als US-Beschäftigte, die sich von einem Bundesstaat in einen anderen bewegen. Auch mangele es an Wohnraum, so der IWF.

(APA)