Google erprobte neue Anwendungsmethode für Quantencomputing © APA - Austria Presse Agentur

Google ist nach eigenen Angaben ein entscheidender Schritt zur Überwindung einer der größten Herausforderungen im Quantencomputing gelungen. Mit dem neuen Spezialchip "Willow" und einer neuen Anwendungsmethode habe man den Weg für die Entwicklung praktisch nutzbarer Quantencomputer geebnet, sagte der deutsche Informatiker Hartmut Neven, Gründer und Leiter des Quantum Artificial Intelligence Laboratory von Google.

Fehlerraten unter Schwellenwert

In der Wissenschaftszeitschrift "Nature" berichten Neven und sein Team, dass zum ersten Mal eine Quantenfehlerkorrektur mit Fehlerraten unter einem relevanten Schwellenwert erreicht wurde. Die Fehlerkorrektur ist entscheidend für die Entwicklung von skalierbaren und anwendbaren Quantencomputern.

Quantencomputer können mathematische Probleme sehr viel schneller lösen als bisherige Computer, beispielsweise beim Verschlüsseln von Daten, in der Materialforschung oder beim maschinellen Lernen für Anwendungen Künstlicher Intelligenz. Die bereits entwickelten Systeme sind jedoch zu klein und machen zu viele Fehler, um einen Mehrwert zu liefern. Problematisch ist auch, dass bisher mit zusätzlichen Recheneinheiten ("Qubits") die Fehlerquote ansteigt.

Bündelung der Recheneinheiten

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, fasste das Google-Team mehrere fehleranfällige physikalische Qubits zu einem weniger fehleranfälligen logischen Qubit zusammen. Für die Demonstration dieses Zusammenhangs verwendete die Forscherinnen und Forscher den neu entwickelten Quantenprozessor "Willow".

Neven und sein Team betonen, mit der verwendeten Methode und dem neuen Chip seien skalierbare, fehlerkorrigierte Quantencomputer möglich. Allerdings merken die Forschenden auch an, dass die erzielte Fehlerrate weiterhin nicht für einen anwendbaren Quantencomputer ausreiche. Das Team rechnet damit, dass sie für zufriedenstellende Raten deutlich mehr physikalische Qubits bräuchten. Der Einsatz von mehr Qubits mit der verwendeten Methode werde außerdem zu einer längeren Rechenzeit führen.

"Arbeit erfüllt hohe Standards"

Markus Müller, Professor für theoretische Quantentechnologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH), erklärte, dem Google-Team sei es zum ersten Mal experimentell gelungen, Quantenfehlerkorrektur deutlich unterhalb der kritischen Fehlerschwellenwerte und mit einer im Prinzip skalierbaren Methode zu zeigen. "Die Arbeit erfüllt methodisch die im Forschungsfeld üblichen hohen Standards."

Michael Hartmann, Professor für Theoretische Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, lobte ebenfalls die wissenschaftliche Qualität der Arbeit. "Der gegebene Ausblick ist nicht unbegründet." Zu beachten sei jedoch, dass ein fehlertolerantes Rechnen von den Autoren an die Bedingung geknüpft worden sei, dass es gelinge, die Ergebnisse zu deutlich größeren Qubit-Zahlen zu skalieren.

"Noch ein weiter Weg"

"Mit der derzeitigen Qualität von Qubits wird man 100.000 bis eine Million Qubits benötigen, um große, fehlertolerante Rechnungen durchführen zu können, die für klassische Supercomputer jenseits des Möglichen sind", schrieb Hartmann im Science Media Center (SMC). In der vorliegenden Arbeit würden Ergebnisse eines Chips mit 105 Qubits präsentiert. "Damit wird ersichtlich, wie weit der Weg noch ist."