AMS-Vorständin Petra Draxl und AMS-Chef Johannes Kopf © APA - Austria Presse Agentur
Die beiden Vorstände des Arbeitsmarktservice (AMS), Petra Draxl und Johannes Kopf, plädieren angesichts der tiefsitzenden Krise in der Industrie für den Ausbau von Arbeitsstiftungen für Arbeitslose. "Da sollten wir uns strukturell besser aufstellen und auch Mittel zur Verfügung haben", sagte Draxl im APA-Interview. Für das kommende Jahr steht dem AMS trotz der steigenden Arbeitslosenzahlen weniger Geld für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung.
Arbeitsstiftungen dienen dem Zweck, Arbeitslose weiterzubilden und wieder in den Beruf einzugliedern. Menschen, denen wie derzeit bei KTM oder Kika/Leiner der Jobverlust droht, kann so kurzfristig und gezielt geholfen werden. Eine solche Stiftung wurde in der Vergangenheit beispielsweise im Zuge der Schließung des Opel-Werks in Wien-Aspern geschaffen. Parallel dazu gibt es ähnliche Einrichtungen wie die Umweltstiftung, die unabhängig von Stellenabbauplänen oder einzelnen Insolvenzen die Ausbildung von Fachkräften für Green Jobs fördert.
Sorge vor neuerlichem Rezessionsjahr
Nach der jüngsten Reihe an Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft sei auch aus Sicht des AMS die Sorge vor einer weiteren Verschlechterung der Situation groß. "Wir haben jetzt ein offensichtlich längeres Konjunkturproblem, zumal wir uns bereits das zweite Jahr in Rezession befinden. Und ich habe keine Kennzahlen, dass es im nächsten Jahr besser wird", so Kopf. Sollte 2025 - entgegen jüngster Vorhersagen von Wifo und IHS - ein weiteres Rezessionsjahr für die österreichische Wirtschaft werden, "dann wird die Arbeitslosigkeit massiv ansteigen", warnte Draxl. Manchen Industrien, etwa den angeschlagenen Automobilzulieferern, drohe schon jetzt eine Schrumpfung.
Tatsächlich gibt es mit Blick auf die heimischen Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung im kommenden Jahr viele Fragezeichen. Der schwache Geschäftsverlauf in Teilen der Industrie, des Handels und Baus sowie die Zolldrohungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump erschweren einen Aufschwung. Im Oktober prognostizierten die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS für 2025 noch ein reales Wirtschaftswachstum von 1,0 bzw. 0,8 Prozent nach zwei Jahren mit schrumpfender Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote soll kommendes Jahr um 0,2 Prozentpunkte auf 7,2 Prozent steigen. Ob all das bei der am 20. Dezember anstehenden aktualisierten Konjunkturprognose für 2025 halten wird, ist offen. Nach Einschätzung von Kopf besteht jedenfalls eher die Gefahr "einer Korrektur nach unten" als einer "Korrektur nach oben".
Eine neuerliche Ausrollung der Kurzarbeit ist aus Sicht der AMS-Führung selbst bei einer weiteren Zuspitzung der schwierigen Lage nicht vonnöten. Diese sei ein gutes Instrument zur Überbrückung von Krisenereignissen wie der Coronapandemie, nicht aber bei Flauten, wie sie die heimische Wirtschaft aktuell erlebe. "Die Kurzarbeit ist kein Konjunkturinstrument", erinnerte Kopf.
Weniger Geld für die aktive Arbeitsmarktpolitik
Trotz des erwarteten Anstiegs der Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr werden die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik voraussichtlich geringer ausfallen. Derzeit rechnet der AMS-Vorstand für 2025 mit 1,3 Mrd. Euro an fixen Fördermitteln, nach gut 1,4 Mrd. Euro für 2024. Maßnahmen wie die Qualifizierung von Arbeitslosen dürfte das AMS damit leicht zurückschrauben müssen, was auch Trainer von externen Bildungseinrichtungen, die beim AMS zum Einsatz kommen, den Job kosten könnte. Wie viele das sein werden, könne man zum aktuellen Zeitpunkt aber nicht sagen, meinte Draxl.
Die aktive Arbeitsmarktpolitik des AMS umfasst vor allem die Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung (u.a. Schulungen) sowie der Mobilität und die befristet geförderte Beschäftigung in kommerziellen Betrieben oder in sozialen Unternehmen. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sind dagegen Versicherungsleistungen und werden aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt. Wegen geringerer AMS-Fördermittel verloren in den Jahren 2018 und 2019 hunderte externe Erwachsenenbildner ihren Job.
Unzufrieden zeigten sich die beiden Vorstände mit dem veranschlagten Förderbudget dennoch nicht, da damit vor dem Regierungswechsel immerhin eine gewisse Planungssicherheit gegeben sei. Sonst hätte man schon jetzt "Programme aus kaufmännischer Vorsicht heraus stoppen müssen", erklärte Kopf. Außerdem bestehe immer die Option von Sonderbudgets, etwa für die Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten. Dazu bringe der AMS-Vorstand seine Expertise auch aktiv mit Vorschlägen in die laufenden Regierungsverhandlungen ein.
Wünsche an die künftige Regierung
Den Koalitionsverhandlern von ÖVP, SPÖ und NEOS haben Kopf und Draxl unter anderem einen Ausbau der vom AMS finanzierten Jugendcolleges vorgeschlagen. Derzeit absolvieren über 5.000 Jugendliche in Wien im Alter von 15 bis 25 Jahren ein derartiges College und können dort ihre handwerklichen Fähigkeiten erproben oder bereiten sich auf den Pflichtschulabschluss oder die Lehre vor.
Geht es nach den AMS-Chefs, sind weitere Impulse am Arbeitsmarkt notwendig - trotz der vielen wirtschaftspolitischen und budgetären Herausforderungen, die zu bewältigen sind. Beispielsweise sollten angesichts der Digitalisierung sowie der ökologischen Transformation - zwei der wichtigsten Trends am Arbeitsmarkt - neben Arbeitslosen auch Beschäftigte in Qualifizierungsprogramme einbezogen werden.
Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen
Der Wiener Arbeitsmarkt steht besonders unter Druck. Von 372.000 Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmern in Österreich wohnten zuletzt rund 155.000 in Wien. Rund 45.000 Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte in Österreich waren arbeitslos oder in Schulungen, davon drei Viertel in Wien. Im Wiener AMS-Förderbudget steige der Anteil der Basisbildung "enorm", sagte AMS-Vorständin Draxl. Um anerkannte Flüchtlinge österreichweit besser zu verteilen, sprechen sich die AMS-Chefs für eine österreichweite Angleichung der Sozialhilfebezüge und für eine zwei- bis dreijährige Residenzpflicht in den Bundesländern aus. Die AMS-Spitze verwies auf den erwarteten Rückgang der Erwerbsbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten. Nur mit Arbeitskräften von außerhalb der EU via Rot-Weiß-Rot-Karte könne man dies nicht ausgleichen. Deswegen müsse man sich intensiv um alle Arbeitskräftepotenziale kümmern, unter anderem Teilzeitkräfte, Flüchtlinge und die sogenannte "stille Reserve", die trotz Arbeitswunsches nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv ist.
Auch das Thema Lehrstellenmangel in Österreich ist vor allem ein Thema in der Bundeshauptstadt. In Wien hat es zuletzt fünfmal mehr Lehrstellensuchende als Lehrstellen gegeben. Etwa gleich viele Lehrplätze wie Suchende gab es in Niederösterreich und Vorarlberg. Viel mehr Angebot als Lehrstellensuchende verzeichneten Tirol, Oberösterreich und Salzburg.