Der Minister spricht sich für freien Warenhandel aus © APA - Austria Presse Agentur

Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) warnt im Lichte zunehmender geopolitischer Spannungen vor protektionistischen Tendenzen in der WTO-Staatengemeinschaft. "Wir leben in einer Zeit, in der eine gewisse Gefahr der Fragmentierung des Welthandels besteht", sagte der Politiker bei der 13. WTO-Ministerkonferenz in Abu Dhabi. Für die Erhaltung des Wohlstands sei es wichtig, sich nicht voneinander abzuschotten, mahnte Kocher im Gespräch mit der APA.

Zur Tagung der Welthandelsorganisation traten die Vertreter zahlreicher Nationen die Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate an, um über neue Regeln für den Welthandel zu beraten. Die Abkommen der WTO bilden das Grundgerüst für den freien Warenaustausch, der in den vergangenen Jahrzehnten konsequent gewachsen war. Aufgrund der Coronapandemie und der Folgen der jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen zeichnet sich momentan aber ein Umdenken ab. Der WTO gehören 166 Nationen an, Österreich ist seit 1995 Mitglied. Fortschritte in Bezug auf die wesentlichen Streitthemen sind bei den am Freitag beendeten Gesprächen ausgeblieben.

"Man spürt, dass alle großen Regionen der Welt sich Gedanken darüber machen (...), gegenseitige Abhängigkeiten zu reduzieren", schilderte der Politiker die Problematik. In manchen Bereichen wie der Medikamentenproduktion sei dies zwar sinnvoll. Der entscheidende Faktor sei aber, in welchem Ausmaß die unterschiedlichen Nationen ihre wirtschaftliche Autonomie forcieren. "Man sieht dann in Einzelentscheidungen, dass Märkte nicht mehr ganz so offen sind, wie sie sein sollten."

Nach der Darstellung Kochers manifestieren sich die Risse im Welthandel beispielsweise in der Gefahr von Subventionswettläufen, die im Endeffekt allen Handelspartnern schaden würden. "Typisches Beispiel ist die Mikroelektronikindustrie (Halbleiterindustrie, Anm.). Wenn alle ihre Mikroelektronikindustrie subventionieren, dann führt das dazu, dass niemand wirklich mehr Wettbewerbsfähigkeit hat, aber viel öffentliches Geld verwendet wird."

Derartige Entwicklungen seien schon vor einigen Jahren bemerkbar gewesen, die Erfahrungen in der Coronapandemie hätten sich dann als Brandbeschleuniger erwiesen und das Bedürfnis der Länder nach sicheren Lieferketten und ökonomischer Unabhängigkeit zusätzlich verstärkt. In der Konsequenz würden die Staaten nun vermehrt auf strategische Partnerschaften setzen. "Wir sehen eine Entwicklung, wo es mehr Tendenzen gibt, bilateral oder plurilateral zu arbeiten, nicht multilateral." Sollte sich der Trend verstärken, "kommen wir irgendwann in eine Situation, wo der Welthandel schwieriger wird und Entscheidungen gefällt werden, die für alle schlecht sind".

Zeichen einer Blockbildung durch die erstarkende BRICS-Gruppe erkennt der Minister indes nicht - zumindest mit Blick auf die Welthandelsorganisation. Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen seien aber definitiv "multipolarer" und die Position von Staaten des Globalen Südens stärker geworden. Kocher verwies auf aufstrebende Großmächte wie Indien, das ein enormes Wirtschaftswachstum aufweist und dem Vernehmen nach auch eine sehr aktive und selbstbewusste Rolle beim Tauziehen um Regelungen in der WTO-Konferenz einnahm.

An die WTO-Staaten appellierte Kocher, den globalen Austausch zu stärken und der zunehmenden Fragmentierung des Handels entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund traf der Minister im Rahmen der Konferenz auch zu bilateralen Gesprächen mit Bulgarien, Nepal, Taiwan und Hongkong zusammen. An den Verhandlungen zu den in Abu Dhabi diskutierten Texten selbst nahm Kocher nicht teil, da Österreich über die Gruppe der EU-27 vertreten ist. Allerdings machte sich Kocher im parallel laufenden EU-Handelsministerrat für die österreichischen Positionen stark, in der auch die weitere Verhandlungsstrategie der EU-Kommission für die WTO-Sitzungen festgelegt wurde.