OMV-Chef Alfred Stern © APA - Austria Presse Agentur
Um aus dem Gas-Liefervertrag mit Russland aussteigen zu können, will die OMV auf der genauen Einhaltung des Vertrages durch den russischen Gazprom-Konzern bestehen. "Lieferort ist die slowakisch-österreichische Grenze", erklärte OMV-Chef Stern. Wenn die Ukraine den Gas-Transitvertrag mit Russland nicht verlängert, kann Gazprom den Vertrag ab Jahresende nicht einhalten. Die OMV sei auf das russische Gas nicht mehr angewiesen, sagte Stern am Mittwoch zur APA.
"Wir haben jetzt über zwei Jahre daran gearbeitet, unsere Quellen für Gas und die Transportwege so zu diversifizieren, dass wir nicht länger abhängig sind von diesen Lieferungen durch Gazprom", sagte Stern. "Wir können alle unsere Vertragskunden beliefern, auch wenn das russische Gas nicht kommt. Wir haben von der OMV-Seite damit diese Abhängigkeit nicht mehr." Im übrigen will die OMV das russische Gas gar nicht. "Wir haben als OMV die Abnahmemengen von Gazprom gegenüber vor dem Ukraine-Krieg signifikant reduziert."
Zwischen der OMV und Gazprom wird jetzt vor allem über die Anwälte kommuniziert, es laufen mehrere Verfahren vor Schiedsgerichten. "Wir haben seit Anfang 2023, seit über eineinhalb Jahren, eine dezidierte Rechtsstrategie, die dazu dient, die Rechte der OMV zu wahren", so Stern. In der zweiten Jahreshälfte werde man vermutlich mehr dazu sagen können. "Man wird sicher nicht alle Schiedsurteile durchsetzen können, aber es wird durchaus die Möglichkeit geben, verschiedene Teile davon umzusetzen", meint der OMV-Chef. "Wichtig ist, dass man sich zumindest die Rechtstitel sichert und dass man nicht im rechtsfreien Raum Entscheidungen trifft." Die OMV verhalte sich immer rechtskonform und halte die Sanktionsbestimmungen ein - Pipeline-Gas sei nach wie vor nicht von Sanktionen umfasst.
Mit den heute präsentierten Ergebniszahlen für das zweite Quartal zeigte sich der OMV-Chef zufrieden. "Wir haben ein Clean CCS Operating Result (bereinigtes Betriebsergebnis, korrigiert um Bewertungseffekte, Anm.) von 1,2 Mrd. Euro erzielt, das liegt 4 Prozent über dem gleichen Quartal des Vorjahres." Der operative Cashflow von 1,2 Mrd. Euro liege um ungefähr 950 Millionen über dem gleichen Quartal des letzten Jahres. Der Gewinn je Aktie nach CCS betrage 1,51 Euro und liege damit um 5 Prozent über dem Vorjahresquartal.
Im zweiten Quartal hat die OMV eine reguläre Dividende und eine Sonderdividende ausgeschüttet. Mit über 12 Prozent Dividendenrendite "heben wir uns auch im Markt ab", sagte Stern.
Insbesondere das Chemiegeschäft sei wesentlich besser gelaufen als im gleichen Quartal des letzten Jahres. Der Betriebsgewinn habe sich im Chemiebereich um über 100 Mio. Euro verbessert. Einerseits habe man um über 10 Prozent mehr verkauft, aber auch die höheren Referenzmargen hätten geholfen. Auch die Joint Ventures, insbesondere Borouge, hätten höhere Gewinnbeiträge geliefert.
Die OMV hat im zweiten Quartal einen den Aktionären zuzurechnenden Periodenüberschuss von 378 Mio. Euro erzielt, nach 380 Mio. Euro im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im Halbjahr legte er um 10 Prozent auf 846 Mio. Euro zu. Das CCS Operative Ergebnis vor Sondereffekten (bereinigt um Lagerhaltungseffekte) stieg um 4 Prozent auf 1,23 Mrd. Euro. Der Konzernumsatz sank im zweiten Quartal vor allem wegen gesunkener Erdgaspreise um 4 Prozent auf 8,6 Mrd. Euro, zum Halbjahr betrug der Rückgang 16 Prozent auf 16,8 Mrd. Euro.
Die Kapazitätsauslastung der Raffinerien sei gestiegen. Im letzten Jahr habe es im gleichen Quartal einen Turnaround (geplante wartungsbedingte Produktionsunterbrechung, Anm.) bei der rumänischen Raffinerie Petrobrazi gegeben. "Ungefähr die Hälfte unseres Resultates im ersten Halbjahr kommt aus dem Retail-Geschäft, die Tankstellen haben sehr gut performt, sowohl im Fuel-, als auch im Non-Fuel-Bereich."
Das Ergebnis im Energiebereich sei schlechter ausgefallen, besonders wegen regulatorischer Änderungen in Rumänien. Im zweiten Quartal habe man Übergewinnsteuern bezahlen müssen, außerdem habe es in Rumänien regulierte Gaspreise gegeben. Dieser Preisdeckel sei im April aufgehoben worden, aber der Marktpreis liege jetzt ohnehin unter diesem Deckel. Darüber hinaus sei es in Rumänien nicht möglich, die CO2-Preise weiterzugeben.
Für das Gesamtjahr rechnet die OMV mit einem durchschnittlich realisierten Erdgaspreis von rund 25 Euro je Megawattstunde (MWh) und einem durchschnittlichen Brent-Preis von 85 Dollar pro Fass.
Nach wie vor gibt es keine neuen Nachrichten zu den Verhandlungen über ein Joint Venture der OMV-Chemietochter Borealis mit Borouge in Abu Dhabi. Dass der Borouge-Eigentümer und OMV-Großaktionär ADNOC (Abu Dhabi National Oil Company) parallel auch Übernahmeverhandlungen mit dem deutschen Kunststoffkonzern Covestro führt, beunruhigt Stern nicht. Covestro mache etwas komplett Anderes: "Die machen keine Polyolefine, die machen Polyurethane, Polycarbonat, anderes Kunststoffe. Das hat mit dem nichts zu tun, was die Borealis macht." Man stehe nicht im Wettbewerb, auf den Anlagen der Borealis und der Covestro könnte man auch nicht die gleichen Produkte machen.
Ein neues Geschäftsmodell der OMV ist die Speicherung von CO2 - im Juni hat die OMV Norge in einem Dreier-Konsortium mit Vår Energi (40 Prozent) und Lime Petroleum (30 Prozent) vom norwegischen Energieministerium eine zweite CO2-Speicherlizenz erhalten. In einem älteren Projekt in Norwegen werde man in den nächsten Monaten mit Explorationsaktivitäten beginnen. Das erste Projekt soll ungefähr 2029 in Betrieb gehen, das neue Projekt knapp nach 2030.
Beim Gasprojekt Neptun Deep im rumänischen Schwarzen Meer sei man mitten in der Umsetzung, berichtete Stern. "Wir haben mittlerweile 90 Prozent der Umsetzungsverträge vergeben." Man gehe nach wie vor davon aus, 2025 mit den Bohrungen zu beginnen und Anfang 2027 in Betrieb zu gehen. "Das ist Europas größtes Offshore-Projekt und wird Rumänien zum größten Gasproduzenten in der EU machen und zur Energieunabhängigkeit der EU beitragen." Die Produktion dort werde sehr geringe CO2-Emissionen haben und viel umweltverträglicher als LNG sein. Im Juni hat die OMV auch von Total Energies alle Anteile am Öl- und Gasfeld Khan Asparuh im bulgarischen Schwarzen Meer übernommen. "Wir werden uns dort, so wie es in der Öl- und Gasindustrie üblich ist, einen starken Partner suchen."