Gewessler verteidigt nunmehrige Regierungsbeschlüsse © APA - Austria Presse Agentur
Angesichts einer Entspannung der Preissituation auf dem Strommarkt hat die türkis-grüne Regierung am Mittwoch im Ministerrat eine Halbierung der Stromkostenbremse beschlossen. Grundsätzlich werden bis Ende des Jahres die ersten 2.900 kWh Strom pro Jahr für jeden Haushalt noch subventioniert, allerdings sinkt ab 1. Juli die Förderung von bis zu 30 auf maximal 15 Cent pro kWh. Die Obergrenze des Energiepreises, bis zu dem die Bremse wirkt, geht von 40 auf 25 Cent zurück.
Haushalte sollen für die ersten 2.900 kWh Strom pro Jahr im Endeffekt nur 10 Cent pro kWh zahlen. Mit der neuen Regelung bedeutet das: Wer 25 Cent pro kWh zahlen muss, erhält 15 Cent - bei 30 Cent sind es allerdings ebenfalls 15 Cent. Haushalte mit mehr als drei Personen erhalten außerdem einen Zuschuss von 52,50 Euro pro Person und Jahr, für einkommensschwache Haushalte entfallen 75 Prozent der Netzkosten. Der Strompreis ist seit der Einführung der Bremse im Herbst 2022 stark gefallen, wenn auch noch nicht auf das Vorkrisenniveau.
Laut Finanzministerium hat die Strompreisbremse bisher 900 Mio. Euro gekostet, für 2024 sind 600 Mio. Euro budgetiert, weitere 500 Mio. Euro stünden bei Bedarf zur Verfügung.
Die Maßnahme soll nach Vorstellung der Regierung ein Anreiz für Stromanbieter sein, die Preise zu senken und den Wettbewerb bei Endkundentarifen ankurbeln. Die Änderung soll in den nächsten Tagen in Begutachtung gehen.
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) appellierte an die privaten Stromkunden, die nächsten Monate zu nützen, um sich entsprechend der Empfehlung der E-Control nach einem günstigeren Anbieter umzusehen. Die nunmehrigen Regierungsbeschlüsse verteidigte sie: Man wolle unter den aktuellen Umständen bestmöglich helfen, gleichzeitig aber mit den Steuergeldern sorgsam umgehen.
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr fordert bereits seit längerem eine Halbierung der Subvention. "Das sollte die Strompreisbremse einerseits für das Finanzministerium billiger machen, andererseits dafür sorgen, dass es mehr Anreize gibt für die Haushalte, ihren Stromanbieter zu wechseln, falls die 15 Cent nicht ausreichen, um den Strompreis in erträgliche Niveaus zu bringen", sagte Felbermayr vergangene Woche gegenüber Ö1.
Ebenfalls angepasst und bis Ende 2024 verlängert wird die Abschöpfung von Zufallsgewinnen bei Energiekonzernen. Zur Förderung des Ausbaus grüner Stromproduktion können dabei statt wie bisher 50 Prozent künftig 75 Prozent der Investitionskosten abgesetzt werden. Die Investition in den Ausbau von erneuerbaren Energien müssen heuer oder in den nächsten drei Jahren getätigt werden. Außerdem wird künftig jeder Gewinn, der mehr als fünf Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2018-2021, mit 40 Prozent zusätzlich zur Körperschaftssteuer und allen anderen Abgaben besteuert.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zeigte sich im Pressefoyer nach dem Ministerrat erfreut, dass man bei der Gewinnabschöpfung nach Auslaufen der entsprechenden EU-Verordnung eine verfassungsrechtlich mögliche Lösung gefunden habe. Bisher habe man hier rund 255 Mio. Euro eingenommen; weit weniger als von der EU-Kommission zunächst angenommen zwar, dafür aber mit Investments in Erneuerbare.
Die FPÖ erneuerte ihre Kritik an der Strompreisbremse und der Gewinnabschöpfung und forderte stattdessen abermals eine Senkung der Verbrauchsteuern auf Energie, die Abschaffung der CO2-Steuer, das Ende der Sanktionen gegen Russland und den Ausstieg aus dem Merit-Order-Prinzip. Auch für die SPÖ war die Strompreisbremse die falsche Maßnahme, sie hätte sich stattdessen einen Energiepreisdeckel wie in Deutschland gewünscht. Die Senkung der Kostenobergrenze führe nun dazu, dass der Strom für Haushalte teurer werde, den Menschen werde dadurch eine zusätzliche Belastung aufgebürdet. Die Gewerkschaft (ÖGB) schlug in eine ähnliche Kerbe. Aus Sicht der Arbeiterkammer (AK) kommt die Senkung der Stromkostenbremse zu früh, sie hätte sich eine Übergangsfrist für Konsumentinnen und Konsumenten gewünscht.
Der Branchenverband IG Windkraft kritisierte die Verlängerung der Gewinnabschöpfung. Anhaltende direkte Eingriffe in Märkte würden sich demnach negativ auf das Vertrauen in die Windenergie auswirken und die Produktionsbedingungen hierzulande erschweren, auch weil andere EU-Länder entsprechende Maßnahmen mit dem Ende der EU-Verordnung bereits auslaufen haben lassen. Positiv sei hingegen, dass Investitionen in erneuerbare Energie künftig zu einem größeren Anteil anrechenbar sind.
Für das gewerkschaftsnahe Momentum Institut ist mit Blick auf die Teuerung eine Bremse bei den Strompreisen allein "nicht ausreichend". Außerdem zahle sich die Bevölkerung angesichts der geringer als prognostizierten Einnahme aus der Gewinnabschöpfung im Endeffekt selbst. "Zwar hat die Regierung auch Krisengewinne von Energieunternehmen abgeschöpft. Erwartung und Realität bei der abgeschöpften Summe gehen aber meilenweit auseinander", heißt es in einer Aussendung am Mittwoch.
Kritik äußerte auch die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation (NGO) Attac. Die Kürzung des Förderbetrags sei die falsche Maßnahme und führe zu höheren Stromrechnungen. "Sehr viele Kundinnen und Kunden haben zudem Verträge mit einjähriger Bindung. Sie können nicht unmittelbar in möglicherweise später einmal günstigere Tarife wechseln", so Max Hollweg von Attac Österreich.