Zadic: Verbraucher können Ansprüche gegen Firmen leichter durchsetzen © APA - Austria Presse Agentur

Wenn viele Konsumenten durch das Verhalten eines Unternehmens Schaden erleiden, werden sie künftig leichter gemeinsam eine Klage einreichen können. Denn die Regierungskoalition hat sich auf neue Regeln für Verbandsklagen geeinigt. Demnach werden Organisationen wie Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer oder VKI berechtigt, solche Klagen im Namen von zumindest 50 Betroffenen in einem Verfahren beim Handelsgericht Wien einzubringen. Das soll das Prozessrisiko der Verbraucher senken.

Verbandsklagen können künftig von "Qualifizierten Einrichtungen" eingebracht werden, heißt es in einer Mitteilung von Justiz- und Konsumentenschutzministerien. AK, Landarbeiterkammertag, ÖGB, Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, Seniorenrat, VKI und WKÖ werden im Gesetz dazu ermächtigt. Über die Qualifikation weiterer Organisationen wird der Bundeskartellanwalt auf Basis des neuen "Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetzes" (QEG) per Bescheid entscheiden. Grundsätzlich müsse so eine Organisation eine öffentliche Tätigkeit zum Schutz von Verbraucherinteressen ausüben, keinen Erwerbszweck verfolgen und nicht unter dem Einfluss eines Unternehmens stehen. Der Kartellanwalt muss auch regelmäßig prüfen, ob die Kriterien noch erfüllt werden.

Der Verbraucherschutzverein (VSV), der bisher das Recht zwar nicht hatte, aber Konsumenteninteressen vor Gericht vertreten hat, geht fest davon aus, als Qualifizierte Einrichtung anerkannt zu werden. Ein Gericht in Klagenfurt habe dem VSV bereits bescheinigt qualifiziert zu sein, erinnerte Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhuber am Mittwoch auf Anfrage der APA. Sollte das Gesetz so wie jetzt vorgeschlagen beschlossen werden, sei sie zuversichtlich, auch vom Kartellanwalt den positiven Bescheid zu erhalten.

Über die Verbandsklage können Schadenersatz, Preisminderung oder Reparatur eingefordert werden. Ein Mindestschaden ist nicht Bedingung, aber bei weniger als 50 Geschädigten bleibt nur der Weg über die bisher schon zulässige "Sammelklage nach österreichischer Prägung". Mögliche Anwendungen wären etwa Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen fehlerhafter Brustimplantate oder auch Rückzahlungsforderungen nach unzulässigen Preiserhöhungen von Unternehmen. Verbandsklagen dürfen von Prozessfinanzierern drittfinanziert werden, wobei der Prozessfinanzierer kein Wettbewerber des Beklagten sein darf.

Um die Einbringung zu erleichtern wird generell als Gerichtsstandort das Handelsgericht Wien festgelegt. Damit sollen Verbraucherschutzorganisationen einfacher die notwendige Anzahl an Verbrauchern und Verbraucherinnen für eine Verbandsklage zusammenbekommen. Verbandsklagen können sich auf das gesamte österreichische Zivilrecht stützen und nicht nur auf die von der EU in einem eigenen Anhang vorgegebenen Bereiche.

Justizministerin Alma Zadic und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch (beide Grüne) bezeichneten den Gesetzesvorschlag am Mittwoch als "Meilenstein". Damit könnten Verbraucher und Verbraucherinnen "auf noch einfacherem Weg ihre Rechtsansprüche gegenüber Konzernen und Unternehmen durchsetzen", so Zadic. Das Machtgefälle zwischen Betroffenen und Unternehmen werde damit leichter überwindbar. "Aktuell sind Konsument:innen oft im Recht, die Durchsetzung dieser Rechte gestaltet sich in der Praxis aber oft schwierig", so auch Rauch. Das neue Gesetz "nivelliert die Übermacht von Unternehmen" und werde auch die Verfahren verkürzen. Die Grüne Konsumentenschutzsprecherin Ulrike Fischer hob hervor, dass "Konsument:innen erstmals explizit die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenfinanzierungen erhalten, damit sie vor dem Risiko hoher Prozesskosten geschützt sind. Die vorgesehenen Verjährungshemmung ermöglicht es den Geschädigten zudem, ihre Ansprüche auch noch lange nach dem Schadensfall geltend zu machen".

Die neue Richtlinie über Verbandsklagen basiert auf einer Vorgabe der EU. Die 2020 beschlossene Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen hätte schon längst umgesetzt werden müssen. Die EU-Kommission hat deshalb bereits Ende 2023 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet.