Verfassungsrechtler Heinz Mayer heuer Ende Jänner in Wien © APA - Austria Presse Agentur
Angesichts der jüngsten Rekordkartellstrafe für die Billa-Mutter Rewe sieht Verfassungsrechtler Heinz Mayer eine Verfassungswidrigkeit. Der Oberste Gerichtshof (OGH) habe "eine verfassungswidrige extensive Interpretation vorgenommen", schreibt der Jurist in einem Gastkommentar im "Standard" (online). Der OGH-Beschluss gründe somit "auf einer verfassungswidrigen Entscheidung" und sei "daher ebenso verfassungswidrig wie diese".
"Der OGH hat sich unbefugterweise als Kartellrechtsgesetzgeber betätigt", argumentiert Mayer unter Berufung auf bisherige rechtliche Erkenntnisse, Gesetzespassagen im Kartellrecht und verfassungsrechtlicher Judikatur. Der vorliegende Sachverhalt rund um die Rewe-Übernahme eines Standorts in Oberösterreich im Jahr 2018 sei eine andere. Es geht um einen Pachtvertrag und eine entstehende Marktstellung von Rewe als Pächter, die Mayer daraus nicht erkennt. Die vom OGH vertretene Rechtsauffassung entspreche weder mit den anzuwendenden Gesetzeswortlauten noch mit dem Willen des Gesetzgebers, schreibt Mayer in seinem Zeitungskommentar.
Der Oberste Gerichtshof hatte kürzlich als Kartellobergericht eine Geldstrafe für die Rewe International AG von 1,5 Mio. Euro auf 70 Mio. Euro erhöht. Die Supermarktkette hatte die Übernahme von Einzelhandelsfläche zuerst nicht bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) angemeldet und damit gegen die Fusionsanmeldepflicht verstoßen, hieß es. Zur deutschen Rewe-Gruppe gehören in Österreich Adeg, Billa, Billa Plus, Bipa und Penny.
Vorgeschichte
Mitte 2018 hatte die damalige Tochtergesellschaft Merkur Warenhandels AG (nun Billa Plus) Verkaufsflächen für einen Lebensmitteleinzelhandel im WELAS Park Einkaufszentrum in Wels übernommen, wo zuvor die Weiß Handels GmbH einen Lebensmitteleinzelhandel betrieben hatte. 2021 beantragte die BWB beim Kartellgericht wegen des Verstoßes gegen das Durchführungsverbot von Fusionen ohne Anmeldung die Verhängung einer "angemessenen Geldbuße" gegen die Rewe International AG. Aus Sicht der BWB war die Übernahme von Lebensmittelhandel-Verkaufsflächen im WELAS Park mittels Bestandvertrages durch ein Rewe-Tochterunternehmen anmeldepflichtig. Rewe vertrat hingegen die Rechtsansicht, dass kein anmeldepflichtiger Zusammenschluss vorlag und holte die Anmeldung später nachträglich im August 2022 während des Verfahrens nach.
Im Mai 2023 bestätigte das Kartellgericht das Vorliegen eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses, wies jedoch das Geldbußen- und Feststellungsbegehren der BWB wegen "mangelnder Strafwürdigkeit" ab. Die BWB und der Bundeskartellanwalt erhoben damals Rekurs gegen den Entscheid. Der Oberste Gerichtshof (OGH) als Kartellobergericht gab den Rekursen im November 2023 statt und trug dem Kartellgericht die Festlegung einer Geldbuße in "spürbarer" Höhe auf. Das Kartellgericht verhängte dann eine Geldstrafe in Höhe von 1,5 Mio. Euro gegen Rewe. Dagegen erhoben die BWB und der Bundeskartellanwalt erneut einen Rekurs. Der OGH als Kartellobergericht erhöhte zuletzt die Geldstrafe auf 70 Mio. Euro und begründete dies in einem 21-seitigen Entscheid.
Kartellrechtsexperte: OGH-Beschluss vollkommen nachvollziehbar
Die Billa-Mutter Rewe kritisierte die Rekordkartellstrafe scharf, die Wirtschaftskammer sprang zur Seite. Das "exorbitante Strafmaß" von 70 Mio. Euro für "einen Formalverstoß" sei "massiv unverhältnismäßig". "Das vorgeworfene Vergehen - die Nichtmeldung des Standortes - hat zu keinerlei wirtschaftlichen Vorteilen für die Rewe International AG geführt."
Für den Kartellrechtsexperten Peter Stockenhuber von der Universität Wien war der Kartellobergericht-Entscheid zu Rewe vollkommen nachvollziehbar. "Der OGH korrigiert nur ein krasses Fehlurteil des Kartellgerichts", sagte Stockenhuber zur Straferhöhung zur APA, als diese bekanntgeworden war. Einen Zusammenschluss nicht bei der BWB anzumelden, sei "kein Kavaliersdelikt."