Nach der Anhörung vor der EU-Kommission wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen am Montag hat Italien weiter Kritik an Österreich geübt. Die italienische Delegation habe "auf die mangelnde Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Nacht- und Sektorverbote sowie auf die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen" hingewiesen, hieß es vom Verkehrsministeriums in Rom. EU-Verkehrskommissarin Adina Valean hatte sich gegenüber einem Vertragsverletzungsverfahren skeptisch gezeigt.

"Die Stellungnahme der EU-Kommission wird nun bis Mitte Mai erwartet. Unabhängig von ihren Bewertungen wird Italien vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Österreich klagen können", hieß es von italienischer Seite nach der Anhörung, bei der sowohl Österreich als auch Italien vor der EU-Kommission ihre jeweiligen Argumente dargelegt hatten.

Die EU-Kommission selbst gab indes nach dem Termin keine Stellungnahme ab. Eine Äußerung wird erst dann erwartet, wenn sich die Kommission eine definitive Meinung zur Causa gebildet habe. Verkehrskommissarin Adina Valean hatte allerdings vergangenen Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Brüssel durchblicken lassen, dass sie gegen ein Vertragsverletzungsverfahren ist. Ein Urteil des EuGH werde schneller zu einer Lösung führen als ein - von Italien vehement gefordertes - Verfahren der Kommission. Vertragsverletzungsverfahren bestehen aus mehreren Stufen, an deren Ende erst ein Gerichtsverfahren angestrebt wird, falls keine Einigung gefunden wurde. Die EU-Kommission habe all ihre Möglichkeiten ausgeschöpft, um den Streit zu lösen, zitierte auch das deutsche Magazin "Verkehrsrundschau" die Aussagen Valeans.

Italien sieht das auf der Brennerstrecke eingesetzte Lkw-Dosiersystem sowie Wochenend- und Nachtfahrverbote als EU-rechtswidrig an. Mitte Februar kündigte die Regierung in Rom wie erwartet an, vor dem EuGH dagegen klagen zu wollen. Laut EU-Verträgen muss sie aber zuerst die EU-Kommission einschalten. Wenn diese die Maßnahmen auch für rechtswidrig hält, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen. Reagiert die Kommission nicht innerhalb von drei Monaten (also bis Mitte Mai), kann Italien eigenständig den EuGH anrufen. Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) warf der EU-Kommission bisher stets Untätigkeit vor, da sie nicht von sich aus ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einleitete.

Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte sich am Montag gegenüber der APA "zuversichtlich" gezeigt, "dass die Kommission die Menschen in Tirol versteht". Auch Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) war guter Dinge: "Unsere Verteidigungslinie ist unverändert und sehr fundiert." Für weitere Verhandlungen zeigte er sich offen. Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hatte aber wiederholt klargemacht, nicht von den "Notmaßnahmen" abzusehen, solange es keine europäische Lösung gibt.

(APA)