Deutscher Industriepräsident veranschaulicht Laune in der Branche © APA - Austria Presse Agentur

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich überraschend eingetrübt und lässt die Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung schwinden. Das Ifo-Geschäftsklima sank im Juni von 89,3 Punkten im Vormonat auf 88,6 Zähler und damit das zweite Mal in Folge, wie das Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mitteilte. Fachleute hatten mit einem leichten Anstieg gerechnet.

Auch die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland ist erneut gestiegen - und das deutlich. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 wurden 11.000 Unternehmensinsolvenzen verzeichnet und damit um knapp 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, so die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Montag. Die Insolvenzen erreichten damit den höchsten Stand seit 2016.

Die Unternehmen beim wichtigsten österreichischen Handelspartner beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage unverändert skeptisch und ihre Aussichten für die kommenden Monate ungünstiger als zuletzt. "Die deutsche Wirtschaft tut sich schwer, die Stagnation zu überwinden", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert angesichts der Konjunkturflaute ein Wachstumspaket von der deutschen Regierung.

"Gegenüber den USA und China fällt der Standort Deutschland weiter zurück", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm in Berlin. "Die Industrie erwartet von der Regierung jetzt eine entschlossene Wachstumsagenda." Dem BDI zufolge fehlen über die kommenden zehn Jahre Mittel für Investitionen und Förderprogramme von rund 400 Milliarden Euro. Daher hält es der Verband für vertretbar, präzise zweckgebundene und zeitlich klar definierte Sondervermögen einzurichten.

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer verweist darauf, dass nach dem Rückgang der Einkaufsmanagerindizes mit dem Ifo-Geschäftsklima ein weiteres Konjunkturbarometer überraschend gefallen ist: "Das ist ein Warnsignal. Wir rechnen mehr denn je mit einer nur moderaten wirtschaftlichen Erholung." Zum einen wirke die Geldpolitik der EZB noch bremsend. "Zum anderen sind viele Unternehmen verunsichert, weil die Bundesregierung nicht entschieden handelt, obwohl Deutschland bei der Standortqualität seit Jahren zurückfällt", fügte der Ökonom hinzu.

Der Ifo-Index macht derzeit wenig Mut mit Blick auf eine durchgreifende wirtschaftliche Besserung, auch wenn Deutschland derzeit Ausrichter der Fußball-EM ist. "Die deutsche Wirtschaft muss auf ihr Sommermärchen noch warten", sagte Ifo-Konjunktur-Experte Klaus Wohlrabe zu Reuters und fügte an: "Es gibt keinen großen EM-Effekt". Während Hotels relativ zufrieden seien mit ihren Geschäften, sei die Gastronomie eher unzufrieden. Mit Blick auf die Gesamtwirtschaft zeige sich, dass vielfach Aufträge fehlten. Die Nachfrage sei nach wie vor schwach. Zudem ziehe die private Nachfrage immer noch nicht an. Dabei gilt der Konsum als Hoffnungsträger für eine anziehende Konjunktur im zweiten Halbjahr.

"Diese Zahl ist so schlecht wie sie aussieht", kommentierte LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch den Ifo-Index. "Ein Aufschwung findet in Deutschland nicht statt." Die Beurteilung der Lage trete auf der Stelle und die Erwartungen trübten sich wieder ein - und das alles auf ohnehin niedrigem Niveau. "Derzeit ist unklar, woher der erhoffte Wachstumsschub für das Jahr 2025 kommen soll." Die Wirtschaft fahre "mit angezogener Handbremse", erklärte Michael Herzum von Union Investment.

Das Ifo-Institut rechnet mit einem sehr verhaltenen Wachstum im laufenden Jahr. Demnach dürfte das Bruttoinlandsprodukt um relativ magere 0,4 Prozent zulegen. Erst kommendes Jahr dürfte das BIP demnach mit 1,5 Prozent kräftiger zulegen. Die Wirtschaft ist Anfang des Jahres dank steigender Exporte und Bauausgaben an einer Rezession vorbeigeschrammt. Es ging zwischen Jänner und März um 0,2 Prozent bergauf.