Der Geschäftsgang dürfte weiter schwierg bleiben © APA - Austria Presse Agentur
Der Austro-Industrie droht ein drittes Rezessionsjahr, geht es nach Ergebnissen des neuesten Konjunkturbarometers der Industriellenvereinigung (IV) und einhergehenden Ausführungen von Verantwortlichen. Der Geschäftsgang im zweiten Quartal wird negativ bewertet, immerhin werden die nächsten sechs Monate marginal positiv erwartet. Als Extra-Hemmschuh kritisiert die IV einmal mehr die "überbordende Bürokratie". Hier gebe es zwei Beispiele dagegen - Italien und Großbritannien.
Das dritte Quartal 2022 hatte den Beginn der rezessiven Entwicklung in der Industrie markiert. Aktuell liegt die Bruttowertschöpfung real um gut drei Prozent unter dem Vergleichszeitraum 2023, sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Aktuelle Gefahr sei, dass das österreichische "Erfolgsmodell" eines auf der Außenwirtschaft aufbauenden positiven Wirtschaftszyklus nicht wie seit dem Zweiten Weltkrieg erfolgen könnte, sagte IV-Chefökonom Christian Helmenstein.
"Ein Aufschwung ist überhaupt nicht in Sicht", so der Ökonom auch mit Blick auf den minimal positiven Ausblick, den die Erhebung zeigt. Eher bewege sich die Lage aus einer Rezession in eine Stagnation, so Helmenstein. "Es kann keine Rede davon sein, dass sich die Auftragslage stabilisiert." Auch die Produktionstätigkeit lasse eine stagnative Entwicklung erwarten. Das Beschäftigungsbarometer ist im negativen Bereich, zeigt einen Mitarbeiterabbau. Komme es zu Kurzarbeit und Personalreduktionen, "überrascht uns das überhaupt nicht".
Das Horten von Arbeitskräften angesichts des mittelfristig weiterhin drohenden Arbeits- und Fachkräftemangels sei zu teuer geworden, sagte Helmenstein. Das koste um 20 Prozent mehr als noch vor wenigen Jahren. Die Aufschwungserwartung werde seitens der Unternehmen zudem ausgepreist.
"Die Industrie bleibt in schwierigen Gefilden", sagte Neumayer. Er stellte eine Reihe an Forderungen bzw. nannte Ideen für die nächste Bundesregierung. Jedenfalls ein "schwerer Irrweg" sei es, angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage an eine Arbeitszeitreduktion nur zu denken, schloss der Industrievertreter eine solche aus, schließlich fordert die IV Anreize für Mehr-Arbeit. Es brauche weiters eine Lohnnebenkostensenkung, einen Abgabenreduktionspfad und wettbewerbsfähige Energiepreise samt Versorgungssicherheit.
Zwar diene Bürokratie auch der Fairness und Sicherheit im Wettbewerb, doch würden durch übermäßige Bürokratie Innovation verhindert und Wettbewerbsnachteile generiert, so Neumayer, der eine bessere Verhältnismäßigkeit einfordert. "Denn die Unternehmen tun sich immer schwerer sich zurechtzufinden im Bürokratiedschungel." Dieser Dschungel wachse aus Brüssel nach Österreich, werde aber auch in Österreich selbst allzu gut gepflegt. Die CSR-Richtlinie der EU etwa verdreifache den bürokratischen Aufwand.
"Die wirkungsorientierte Folgeabschätzung in Österreich wird nicht sehr ernst genommen", kritisierte Neumayer die Analyse neuer Gesetze und deren Auswirkungen. "Es werden nur einige Zeilen an den Gesetzestext angefügt." Wie in Großbritannien müssten die volkswirtschaftlichen Auswirkungen neuer Gesetze und Richtlinien "viel detaillierter" analysiert werden. Das solle künftig in Österreich durch eine unabhängige Stelle angesiedelt beim Parlament oder Kanzleramt geschehen, forderte er. Der zusätzliche Aufwand neuer Berichte und Meldungen müsse durch den Nutzen gerechtfertigt werden.
Regelmäßig müssten bestehende Regeln und Meldepflichten analysiert und gegebenenfalls abgeschafft werden, argumentierte Neumayer für ein "Once-Only-Prinzip". Zudem müssten Berichtspflichten in allen EU-Staaten gleich gehandhabt werden. Derzeit herrscht allzu oft ein Fleckerlteppich nach Nationalstaaten, was Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit haben kann. Angebracht sei auch ein digitales, zentrales Bescheidregister, damit Unternehmen nicht an dutzende sondern nur an eine Stelle berichten müssen - und diese Stelle Berichte an zuständige Einrichtungen weitervermittelt.
Weiterer IV-Wunsch ist, dass eine Ministerin oder ein Staatssekretär die Zuständigkeit der Entbürokratisierung erhalten müsse. Fortschritte sollten systematisch berichtet werden, um "Erleichterungen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen" zu sichern, meinte Neumayer. "Das kostet nichts und ist für Unternehmen ein Muss, damit der Standort wieder so attraktiv wird in dieser herausfordernden konjunkturellen Situation."
Weiteres Vorbild kann Italien sein, erläuterte Ökonom Helmenstein, damit sich "Österreich nicht in eine 'Austrosklerose' hineinbürokratisiert". Denn nach einem "Vierteljahrhundert verlorener ökonomischer Generation" habe das Nachbarland zuletzt geschickt investiert und viel an Bürokratie abgebaut und mit Finnland die niedrigste Inflation im Euroraum von 0,9 Prozent zuletzt. Der zweitwichtigste Handelspartner für Österreich in der EU und manchmal auch weltweit abwechselnd mit den USA habe nun den Vorteil, den Österreich über viele Jahre genoss - und beziehe aus Nordafrika günstiges Gas wie es die Alpenrepublik mit Russland früher tat. Das sei gelungen, weil nach dem russischen Angriffskrieg umgehend mit der Diversifizierung der Energieversorgung samt nötiger Investitionen in Infrastruktur begonnen worden sei. "Unterschätzen Sie Italien nicht", sagte Helmenstein.
Österreich könne sich von der "ökonomischen Rationalität", die in Italien eingezogen sei, etwas abschauen. Die Entwicklung bei den Lohnstückkosten sei etwa "favorabel", so Helmenstein. Vor allem südliche Bundesländer wie Kärnten, die Steiermark und Tirol - aber auch ganz Österreich - könnten vom dortigen Aufschwung profitieren. "Es geht darum, an unsere traditionell guten Beziehungen anzuknüpfen." Dazu seien Themen wie ein rascher Fortschritt beim Bau des Brennerbasistunnels für den ökonomischen Austausch wichtig.