Siemens reiht sich bei KTM und Schaeffler mit Personalabbau ein © APA - Austria Presse Agentur
Nach der Insolvenz der KTM AG und der Schließung des Schaeffler-Werkes im niederösterreichischen Berndorf Ende 2025 gibt es diese Woche bereits die dritte Hiobsbotschaft: Siemens schließt sein Werk für industrielle Stromversorgungen in Wien bis Ende 2026. Für die 178 betroffenen Mitarbeitenden würden Jobs im konzernnahen Umfeld gesucht. Angesichts der Lage bekamen sich Industriellenvereinigung und Produktionsgewerkschaft ordentlich in die Haare.
"Derzeit gibt es bei Siemens in Österreich etwa 100 offene Stellen", so der deutsche Elektronikkonzern zur unternehmensinternen Vermittlung jetzt betroffener Mitarbeiter. Zur Begründung für das Aus hieß es, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit würden weltweit Kapazitäten im Bereich Automatisierung angepasst. "Ein Teil dieser Maßnahmen sind Veränderungen im Industriebereich bei Siemens Österreich", so der Konzern. Parallel dazu würden die europäischen Fertigungskapazitäten im Werk in Sibiu/Rumänien "bedarfsgerecht in Anspruch genommen", erklärte Siemens am Donnerstag in einer Aussendung. Durch diese Maßnahme würden Synergien in der von Österreich verantworteten Region gehoben.
Hiobsbotschaft nach Hiobsbotschaft
Die Leitung des weltweiten Geschäfts für industrielle Stromversorgungen, inklusive dem Forschungs- und Entwicklungszentrum und dem Produkt- und Qualitätsmanagement, bleibe weiterhin in Wien. Insgesamt arbeiten für Siemens in Österreich rund 9.300 Menschen. Der Umsatz lag im Geschäftsjahr 2023 bei 3,2 Mrd. Euro. Siemens Österreich betreut von Wien aus weitere 25 Länder.
Gestern hatte der deutsche Autozulieferer Schaeffler bekannt gegeben, dass er sein Werk im niederösterreichischen Berndorf mit Ende des nächsten Jahres schließt. Betroffen sind 450 Beschäftigte. Zuvor war bekannt geworden, dass der oberösterreichische Traditionsbetrieb KTM in die Insolvenz geschlittert ist. Die Pierer Mobility-Tochter bereitet derzeit einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung vor. Dieser soll am morgigen Freitag eingebracht werden.
Industriellenvereinigung alarmiert
Die Industriellenvereinigung schlug am Donnerstag Alarm. "Tagtäglich erreichen uns neue Nachrichten von Betrieben, die in Schwierigkeiten geraten. Werksschließungen, Stellenabbau, Verhandlungen um Gehaltsverzicht und Insolvenzen häufen sich", bedauerte IV-Präsident Georg Knill in einer Aussendung. "Wir warnen seit Monaten vor ähnlichen Szenarien - was muss nun noch passieren, damit endlich gegengesteuert wird?", fragte er in Richtung Politik. Doch eine neue Bundesregierung steht erst in Verhandlung und bis zu deren Einsetzung könnte es dauern.
Die Gründe sind aus Sicht des Industrievertreters "vielfältig und leider auch hausgemacht". Dabei sprach Knill insbesondere die "hohe Inflation und unverantwortlich hohe Lohnabschlüsse der letzten Jahre" an. Die Lohnstückkosten seien hierzulande seit 2021 um 30,2 Prozent gestiegen, in Deutschland aber lediglich um 14,3 Prozent, und in Italien gar nur um 7,1 Prozent, rechnete Knill vor. Daher leide die hiesige Wettbewerbsfähigkeit massiv. Mit KTM hat just das Hauptunternehmen des oberösterreichischen Präsidenten der IV, Stefan Pierer, für den morgigen Freitag einen Insolvenzantrag angekündigt.
Produktionsgewerkschaft: IV betreibt "postfaktische Propaganda"
Der Vergleich Knills des hiesigen mit dem deutschen Tarifsystem brachte umgehend die Gewerkschaft zum schäumen. Die IV disqualifiziere sich mit "vermeintlichen Argumenten (...) als Partner für eine aktive Standort- und Industriepolitik", so PRO-GE-Chef Reinhold Binder. Die beiden Systeme ließen sich nicht vergleichen, so gelte in der deutschen Metall- und Elektroindustrie beispielsweise in weiten Teilen eine 35-Stunden-Woche. "Zudem waren auch in der Vergangenheit zentrale wirtschaftlichen Kennzahlen unterschiedlich und die Wachstumsraten der österreichischen Industrie weit über jener Deutschlands. Wenn die Analyse der IV stimmen würde, dann wäre Deutschland jetzt eine Konjunkturlokomotive und nicht im Krisenmodus", so Binder. Die Energiekosten seien in Österreich seit 2020 auch deutlicher angestiegen als die Löhne in der Industrie.
"So zu tun, als würden kollektivvertragliche Lohnabschlüsse nicht sozialpartnerschaftlich vereinbart, sondern von den Gewerkschaften diktiert, ist realitätsfremd", so Binder. Er unterstellt der IV "das eigentliche Ansinnen Löhne und Gehälter der Beschäftigten schleichend zu entwerten". Die Aussagen des IV-Präsidenten seien "letztklassig" und entsprächen "postfaktischer Propaganda".
Vertiefung der Krise scheint Gräben zu verbreitern
Binder fragt in der Aussendung der Produktionsgewerkschaft mit Blick auf KTM und Chef Pierer dann noch in Richtung IV: "Wo waren die mahnenden Worte an jene Eigentümer, die statt Zukunftsinvestitionen zu finanzieren eine unverantwortliche Dividendenpolitik betrieben haben? Wo war das Engagement gegenüber einer schwarz-grünen Bundesregierung, als diese sich geweigert hat, in die Energiepreise einzugreifen und dadurch die Inflation durchrauschen ließ?". Mit der Vertiefung der Krise scheinen sich auch die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter zunehmend kritischer gegenüber zu stehen. Den Aussagen zufolge liegt der Schluss nahe, dass sich die Gräben verbreitern.