Der Transitverkehr am Brenner beschäftigt am Donnerstag die EU-Minister © APA - Austria Presse Agentur
Die Fronten nach dem Treffen der EU-Verkehrsminister in Luxemburg sind in Sachen Brenner-Transit verhärtet geblieben. Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini forderte die EU-Kommission erneut auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen der Tiroler Maßnahmen einzuleiten. APA-Informationen zur Folge zeigten einige EU-Staaten Verständnis für die Kritik Salvinis. Verkehrsministerin Leonore Gewessler übte scharfe Kritik an Italien und Deutschland.
Man habe alle Gründe für ein solches Vertragsverletzungsverfahren dargelegt, erklärte Salvini in einer Aussendung. Deutschland sowie Tschechien, Litauen, Rumänien, die Niederlanden und Bulgarien würden sein Land dabei unterstützen. "Der EU-Rat soll zur Kenntnis nehmen, dass die Situation am Brenner wirtschaftlich und ökologisch unhaltbar ist. Wir fordern die EU-Kommission auf, als Hüterin der Verträge einzugreifen, um das Recht auf uneingeschränkten Warenverkehr für alle europäischen Bürger wiederherzustellen", betonte Salvini und ergänzte: "Entweder gilt der freie Personen- und Warenverkehr für alle oder die Verträge sind für einige weniger wert. Der Brennerkorridor gehört nicht nur Österreich, Italien oder Deutschland, sondern ist für ganz Europa wichtig." Die von Salvini genannten Staaten bekundeten in der Sitzung dem Vernehmen nach, dass der Binnenmarkt nicht eingeschränkt werden dürfe.
Gewessler übte indes nach den Gesprächen scharfe Kritik am Verhalten Italiens und Deutschlands. "Es wird Zeit, dass das Transit-Problem endlich von unseren Nachbarn anerkannt und konstruktiv an Lösungen mitgewirkt wird", bekräftigte die Ministerin in einer Mitteilung an die APA. "Es kann nicht sein, dass Österreich die Last und Verantwortung hier immer alleine trägt."
Insbesondere Italien sollte nach Ansicht der Ministerin auf klimafreundlichere Möglichkeiten wie die Bahn setzen. "Das wäre gut fürs Klima und würde die Situation am Brenner entlasten", so die Ministerin. Gewessler setzt weiter auf das Lkw-"Slot-Systems", das zuletzt zwischen Bayern, Tirol und Südtirol politisch paktiert worden war. Die Regionen sollten auch ihre Hauptstädte, Rom und Berlin, zu dessen Umsetzung drängen. "Mit den Notfallmaßnahmen haben wir unsere Aufgabe bereits erfüllt", jetzt müssten die Nachbarländer ihre Hausaufgaben machen, betonte Gewessler.
Gelassen reagierte unterdessen Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) auf Salvinis erneuten Vorstoß. "Während Salvini Verbündete gegen die Verkehrswende sucht, arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern an der Verkehrswende", meinte er gegenüber der APA. Die "fossile Retro-Verkehrspolitik" des italienischen Verkehrsministers ziele nur darauf ab, dass mehr und mehr Lkw über den Brenner fahren und widerspreche dem europäischen Green Deal. "Ich gehe davon aus, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten Klimaschutz, Verkehrsverlagerung und Gesundheitsschutz vorantreiben wollen und deshalb den Äußerungen von Matteo Salvini wenig Beachtung schenken", zeigte sich der Landeshauptmann überzeugt.
Salvini hatte bereits vor dem Treffen erklärt, er wolle "die europäische Front gegen die österreichischen Verbote" erweitern. Konkret rechnete der Minister damit, von anderen Regierungen offizielle Unterstützung gegen die "einseitigen Verbote Österreichs" am Brenner zu erhalten. Dies wäre ein entscheidender und noch nie da gewesener Schritt nach zu vielen Jahren des Hin und Her zum Nachteil der italienischen Unternehmen und Arbeitnehmer.
Salvini agitiert seit Monaten mit Drohgebärden und heftiger Kritik gegen die Tiroler Anti-Transit-Maßnahmen wie Sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbot und ähnlichem. Er forderte die EU-Kommission sogar offiziell auf, deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Seinen deutschen Amtskollegen Volker Wissing hatte er mit im Boot, was die Kritik an Fahrverboten und transiteinschränkenden Maßnahmen betrifft.
Wissing forderte am Donnerstag in Luxemburg von Österreich eine klare Positionierung. "Wir können mit den verkehrsbeschränkenden Maßnahmen über den Brenner so nicht dauerhaft zurechtkommen, wir brauchen eine Lösung", sagte Wissing vor den Beratungen.
Die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol - Markus Söder (CSU), Mattle und Arno Kompatscher (SVP) - hatten im April in Kufstein öffentlichkeitswirksam eine Erklärung über ein "Slot-System" mit buchbaren Lkw-Fahrten präsentiert. Für ein solches digitales, grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement müsste ein Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien abgeschlossen werden. Salvini zeigte sich bisher jedoch strikt ablehnend - er will erst darüber reden, wenn die transiteinschränkenden Maßnahmen und Fahrverbote aufgehoben werden. Auch Deutschland reagierte sehr reserviert. Mattle bekräftigte unterdessen mehrmals, an den Maßnahmen im Kampf gegen den überbordenden Transitverkehr festhalten zu wollen.
Im Rahmen des Treffens in Luxemburg wurden auch die Umweltauswirkungen von Privatjets diskutiert. "Auf österreichische Initiative haben Österreich, Frankreich und die Niederlande gemeinsam einen Brief an die Europäische Kommission gerichtet, um sicherzustellen dass in diesem Bereich strenger reguliert wird im Sinne des Klimaschutzes. Privatjets haben im Vergleich enorm hohen CO2-Ausstoß pro Kopf", sagte Gewessler. Es brauche eine strengere Regulierung, denn "wer das Klima schädigt, muss auch einen gerechten Beitrag zum Klimaschutz leisten".
Greenpeace begrüßte in einer Aussendung die Initiative und forderte nicht nur eine Besteuerung, sondern ein EU-weites Verbot von Privatjets. "Die Diskussion über Privatjets am EU-Verkehrsrat ist ein klares Signal, dass nun auch die Politik die klimaschädlichste aller Verkehrsarten ins Visier nimmt. Es darf aber nicht bei vereinzelten Bekundungen bleiben, sondern es braucht einen EU-weiten Schulterschluss, um das Privatjet-Verbot auf den Boden zu bringen", so Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich.