Ukraine will Russland den Gashahn zudrehen © APA - Austria Presse Agentur
Auch am Montag hat der russische Gazprom-Konzern nach eigenen Angaben 42,4 Millionen Kubikmeter Erdgas über die Ukraine nach Zentraleuropa geschickt - etwa gleich viel wie an den Tagen davor. Am 1. Jänner dürfte der Gasfluss aus Russland aber in den frühen Morgenstunden zum Erliegen kommen: Das Transitabkommen mit der Ukraine zur Durchleitung von russischem Gas läuft nämlich mit Jahresende aus, und Kiew weigert sich, ein neues Transitabkommen mit Gazprom zu schließen.
Die Sowjetunion und Russland hatten sich über ein halbes Jahrhundert einen Anteil von 35 bis 40 Prozent am europäischen Gasmarkt aufgebaut. Doch dieser Markt ist nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nun für Gazprom fast völlig verloren. Nach fast drei Jahren Krieg weigert sich die Ukraine nun, weiterhin russisches Gas nach Westen durchzulassen.
Gaspreise in Europa verdoppelt
Nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022 haben sich die Kunden von Gazprom neue Lieferanten wie Norwegen, die USA und Katar gesucht. Die Folge war, dass die Gaspreise in Europa auf ein Rekordhoch stiegen, was wiederum die Inflation in die Höhe trieb und die Lebenshaltungskosten auf dem gesamten Kontinent ansteigen ließ. Das Gaspreis-Niveau in Europa ist heute etwa doppelt so hoch wie vor dem Ukraine-Krieg.
Das Auslaufen des Transitabkommens dürfte diesmal nicht zu einem ähnlich starken Anstieg des Gaspreises in der EU führen wie 2022, weil Russland zuletzt bei weitem nicht mehr so viel Gas verkaufte. Russland lieferte 2023 etwa 15 Mrd. Kubikmeter Gas über die Ukraine - das waren nur 8 Prozent der Menge, die in den Jahren 2018 und 2019 über verschiedene Routen aus Russland nach Europa gelangt sind.
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte letzte Woche, dass nun keine Zeit mehr bleibe, um noch in diesem Jahr ein neues Gas-Transitabkommen mit der Ukraine zu unterzeichnen, weil Kiew sich weigere, das aktuelle Abkommen zu verlängern.
Die Urengoy-Pomary-Uzhgorod-Pipeline aus sowjetischer Zeit transportiert Gas aus Sibirien über die Gasstation in der Kleinstadt Sudscha in der russischen Region Kursk - die nun unter Kontrolle ukrainischer Truppen steht. Von dort fließt das Gas durch die Ukraine in die Slowakei. In der Slowakei teilt sich die Pipeline in zwei Stränge, die nach Tschechien und nach Österreich führen.
Pipelines großteils außer Betrieb
Die meisten anderen russischen Gaspipelines nach Europa sind inzwischen außer Betrieb, einschließlich der Yamal-Europe über Weißrussland und Nord Stream unter der Ostsee, die 2022 gesprengt wurde. An der Aufklärung des Anschlags besteht im Westen wenig Interesse.
Die einzigen noch operativen russischen Gaspipelines nach Europa sind Blue Stream und TurkStream, die unter dem Schwarzen Meer in die Türkei führen. Die Türkei leitet einen Teil des russischen Gases weiter nach Europa, unter anderem nach Ungarn.
Gazprom schreibt Milliardenverluste
2023 musste Gazprom zum ersten Mal seit 1999 einen Verlust in Höhe von 7 Mrd. Dollar (6,7 Mrd. Euro) verbuchen. Störungen der Gaslieferungen haben auch zahlreiche vertragliche und politische Streitigkeiten ausgelöst.
Am Montag ordnete der moldauische Ministerpräsident Dorin Recean Vorbereitungen für eine mögliche Verstaatlichung des Gasunternehmens Moldovagaz an, an dem Gazprom mit 50 Prozent beteiligt ist. Gazprom hatte angekündigt, ab 1. Jänner um 6 Uhr Mitteleuropäischer Zeit die Gaslieferungen an Moldau wegen unbezahlter Schulden einzustellen. Moldau bestreitet, mit den Zahlungen im Rückstand zu sein, und beschuldigt Russland, das Land zu destabilisieren, was Moskau jedoch bestreitet.
Slowakei und Ukraine streiten über Strom und Gas
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hatte am Freitag damit gedroht, dass die Slowakei Stromlieferungen an die Ukraine einstellen könnte, falls die Ukraine ab 1. Jänner die Slowakei von russischen Gaslieferungen abschneidet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Anfang Dezember in Aussicht gestellt, weiterhin russisches Gas durchzuleiten, falls Russland das Geld für das Gas erst nach dem Krieg bekommen würde.
Laut ukrainischen Medienberichten hat die dortige Energie-Regulierungsbehörde NKREKP eine Vervierfachung der Gastransportgebühren ab 1. Jänner angekündigt. Die Kosten wurden bisher vor allem von Russland getragen, diese Einnahmen fallen nun aber weg.