Seit 2010 schrieb die Firma 1,5 Mrd. Euro Naturkatastrophen-Schäden © APA - Austria Presse Agentur

Die Wiener Städtische hat im Vorjahr 227 Mio. Euro Schäden aus Naturkatastrophen geschrieben. Das war ein neuer Höchstwert. "Das übertrifft sogar das bisherige Rekordjahr 2021 bei den Katastrophenschäden", sagte Generaldirektor Ralph Müller im Gespräch mit der APA. Hauptgrund waren die starken Unwetter im September, die mehr als die Hälfte des Schadens im Vorjahr verursachten. Seit 2010 hat die Wiener Städtische 1,5 Mrd. Euro an Naturkatastrophen-Schäden gezahlt.

Nicht nur die Schadenshöhe, auch die Zahl der Schadensfälle hat im Vorjahr deutlich höhere Dimensionen angenommen. 71.000 Fälle verzeichnete der Versicherer im Jahr 2024, im Jahr davor waren es 48.000 Fälle. Das zeige auch, dass der Anstieg der Schäden nicht nur auf die Inflation zurückzuführen sei, sondern dass Unwetter tatsächlich häufiger würden sowie mehr und intensivere Schäden hinterließen - trotz massiver Investitionen in Hochwasserschutz. "Man hat hierzulande sehr viel investiert und trotzdem steigen die Schäden also überproportional. Das ist ganz eindeutig Häufung und Stärke von Meta-Events", sagte Müller. Auch neue Schadensmuster würden eine Rolle spielen. Bei den Unwettern im September habe es beispielsweise sehr viel mehr Kellerschäden durch einen angestiegenen Grundwasserspiegel gegeben als das früher üblich gewesen sei.

Seit 2010 1,5 Mrd. Euro Naturkatastrophen-Schäden

Auch die Langzeitentwicklung der Schäden verdeutliche den Trend. Seit 2010 hat die Wiener Städtische insgesamt Schäden von 1,5 Mrd. Euro aus Naturkatastrophen verzeichnet, rund 770 Mio. Euro und damit die Hälfte fielen seit 2020 an. Im Schnitt lagen die Schäden in den Jahren 2020 bis 2024 bei rund 155 Mio. Euro jährlich. Im Jahrzehnt davor, also von 2010 bis 2019, beliefen sich die jährlichen Schäden durchschnittlich auf nur 69,5 Mio. Euro, wie der Versicherer errechnet hat.

Eine Rolle bei den steigenden Schäden könnte auch die höhere Anzahl an Versicherten spielen, allerdings sei die Versicherungsdichte schon vorher sehr hoch gewesen, so Müller. Versichert ist aber meist nur ein kleiner Teil der Schäden, vor allem bei Großereignissen wie dem Sturmtief "Anett" im September. Auf bis zu 100.000 Euro kann der Versicherungsschutz bei der Wiener Städtischen ausgeweitet werden, bei großen Schäden reicht das dennoch oft nicht aus. Hinzu kommt, dass in extremen Hochwasserzonen keine Ausweitung des Versicherungsschutzes möglich ist. "In diesen Zonen, wo wir ein 30-jähriges Hochwasser erwarten müssen, ist das versicherungstechnisch der gesamten Versicherungsgemeinschaft nicht zumutbar. Die Kosten sind zu hoch", sagte Müller.

Ein höherer Schutz als die 100.000 Euro sei außerdem aufgrund der Kosten für Rückversicherer und den allgemeinen Rahmenbedingungen nicht umsetzbar. Für einen umfassenderen Versicherungsschutz gegen Naturkatastrophen wie er in anderen Ländern wie Belgien und der Schweiz existiert, bräuchte es ein "gesetzliches gemeinsames Modell mit der öffentlichen Hand", so der Generaldirektor. Die Initiative dazu müsse aber von der Politik kommen. "Wir sind gern bereit mitzuarbeiten, aber das muss von der Politik kommen", so Müller. Expliziten Druck für eine umfassendere Elementarversicherung mache er aber nicht.

Sorgen um eine generelle Unversicherbarkeit von Naturkatastrophen macht sich Müller nicht. Es gebe ausreichend Rückversicherungskapazitäten am Markt um auch weiterhin flächendeckenden Versicherungsschutz anbieten zu können. "Man muss nur wissen, es wird teurer." Man müsse mit rund ein bis eineinhalb Prozent Preissteigerung pro Jahr rechnen. Jährliche Prämienanpassungen seien außerdem nötig, um eine Unterversicherung zu vermeiden. Bei den Kunden würde man damit auch auf Verständnis stoßen, Probleme mit Storno-Raten habe die Wiener Städtische nicht.

Müller: Stärkung der privaten Altersvorsorge muss dringend begonnen werden

Politisches Handeln sei auch beim Thema Altersvorsorge gefragt - auch im Hinblick auf die Budgetlücke, die geschlossen werden muss. Das aktuelle Pensionssystem leide vor allem an der alternden Gesellschaft und an dem starken Fokus auf die staatliche Vorsorge, die sehr teuer sei "Durch das reine Bauen auf die erste Säule (staatliche Pension, Anm.) und das weitgehende Verzichten auf die zweite und dritte Säule (betriebliche und private Vorsorge, Anm.) schaffen wir es einfach nicht, aus dem weltweiten Kapitalmarkt Erträge nach Österreich zu bringen, die das System stabilisieren", so der Wiener-Städtische-Chef. Eine Stärkung der zweiten und dritten Säule müsse "dringend in die Wege geleitet" werden - auch weil eine Umstellung ein sehr langfristiges Unterfangen sei." Jedes Jahr, das man später anfängt, ist natürlich ein verlorenes Jahr", so Müller.

In Österreich gebe es in der kompletten privaten Lebensversicherung und in den Pensionskassen in Summe ein Deckungskapital von nur rund 100 Mrd. Euro. Das sei - auch im Vergleich mit anderen Ländern - sehr wenig. Gebe es hier mehr Volumen, könnten von den globalen Finanzmärkten jährlich mehrere Milliarden Euro Wertschöpfung nach Österreich transferiert werden. "Das passiert momentan einfach nicht. Das Geld fehlt am Ende der ganzen Ökonomie", so Müller. Die teils in Österreich noch vorhandene politische Haltung, dass alles abseits der staatlichen Pension gefährliche Spekulation am Kapitalmarkt sei, sei bei langfristiger Betrachtung des Marktes jedenfalls nicht belegbar und wohl auf fehlendes Finanzwissen oder Programmatik zurückzuführen. Um mehr Menschen zu einer privaten Vorsorge zu motivieren und diese auch zu attraktivieren, wären vor allem finanzielle Entlastungen sinnvoll. Er schlägt eine Halbierung der Versicherungssteuer und eine Indexierung des Freibetrags für die betriebliche Vorsorge von derzeit 300 Euro auf 1.200 Euro vor.

Mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr ist Müller zufrieden. "Wir haben ein sehr gesundes, schönes Wachstum in der Städtischen gehabt." Das Wachstum habe sich durch alle Abteilungen gezogen. Auch im Bereich Leben sei man gewachsen - vor allem aufgrund von Neuabschlüssen, so der Firmenchef. Genaue Zahlen wollte Müller vor der Bekanntgabe der Ergebnisse durch die Konzernmutter Vienna Insurance Group (VIG) nicht nennen.