Martin Madlo setzt sich als Managing Director Austria von Digital Realty und Präsident der Austrian Data Center Association für Österreichs Digitalisierung ein. © RNF
Martin Madlo, Managing Director Austria von Digital Realty, spricht im Interview über die Bedeutung von Rechenzentren und Digitalisierung für Österreich, aktuelle Herausforderungen ...
... und die Notwendigkeit von Standortkonzepten.
Österreichs größter Rechenzentrumsbetreiber hat seit rund einem Jahr einen neuen Namen: Im Jänner 2024 erfolgte die Umfirmierung von Interxion in Digital Realty. Die Fusion der Unternehmen wurde bereits 2020 unter Dach und Fach gebracht. Der globale Anbieter von Cloud- und betreiberneutralen Lösungen für Rechenzentren, Colocation und Vernetzung ist bereits seit dem Jahr 2000 in Österreich präsent.
Martin Madlo, seines Zeichens nicht nur langjähriger Managing Director Austria des Unternehmens, sondern zudem auch Präsident der Austrian Data Center Association, weiß genau über den Markt und die aktuelle Lage in Sachen Digitalisierung in Österreich Bescheid.
Herr Madlo, was bietet die Digital Realty ihren Kunden?
Digital Realty bietet einen Marktplatz von IT-Dienstleistungen, da unterschiedliche Unternehmen unter dem Dach unserer Rechenzentren ihre Services anbieten. Wir stellen Rechenzentrumsinfrastruktur bereit, klassische Colocation-Services, inklusive Energieversorgung, Kältetechnik und Sicherheitstechnik. Als Marktplatz bieten wir unseren Kunden jedoch wesentlich mehr Services, als wir alleine anbieten könnten: direkten Zugang zu fast allen Hyperscale-Cloud-Service-Providern, Content-Service-Delivery-Networks und Managed-Service-Providern. Dies bietet enorme Vorteile für unsere Kunden, die an dieser Infrastruktur und diesem Marktplatz teilhaben und ihren IT-Bedarf effizienter decken können als in einem Stand-alone-Datacenter.
Sie sind nicht nur Managing Director von Digital Realty in Österreich, sondern auch seit zwei Jahren Präsident der Austrian Data Center Association.
Richtig. Ich habe vor zwei Jahren gemeinsam mit anderen Rechenzentrumsbetreibern die Austrian Data Center Association als Interessenvertretung unserer Branche gegründet. Wir stehen allen Stakeholdern dieser Industrie als Sprachrohr zur Verfügung: Betreibern von Rechenzentrumsinfrastruktur, Consultants im Datacenter-Bereich, Ausstattern von Rechenzentrumsinfrastruktur bis hin zu Rechtsanwaltskanzleien, die das Thema Digitalisierung in ihrem Portfolio haben.
Welchen Stellenwert haben DataCenter für die Digitalisierung Österreichs?
Das Thema Rechenzentren wird in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer vernachlässigt, obwohl sie einer der wesentlichen Eckpfeiler der digitalen Infrastruktur sind. So wie es Breitbandnetze braucht, benötigt es Rechenzentren, in die die Daten fließen und wo die Services generiert werden, die dann über die Breitbandnetze bereitgestellt werden.
Rechenzentren sind weder in der Öffentlichkeit noch im politischen Diskurs ausreichend präsent. Im politischen Diskurs spüren wir jedoch Regularien, die nun erstmals auch direkt Rechenzentrumsbetreiber betreffen. Bisher wurden wir von der Bauordnung als normale Industriegebäude betrachtet. Spätestens mit der Energy Efficiency Directive der Europäischen Kommission, die dezidierte Vorgaben für Rechenzentren schafft, sind wir direkt von der Legislative betroffen.
Wie adressieren Sie das als Austrian Data Center Association?
Wir betreiben Öffentlichkeitsarbeit, um die Bedeutung von Rechenzentren für die Digitalisierung zu verdeutlichen, und stehen als Sprachrohr für die Industrie in der Diskussion mit Politikerinnen und Politikern sowie Ministerien zur Verfügung, um die Umsetzung von EU-Direktiven im Landesgesetz so zu gestalten, dass sie die Digitalisierung in Österreich nicht behindern.
Wir sind auch innerhalb Europas gut vernetzt und Mitglied der European Data Centre Association (EU DCA), die direkten Kontakt zur Europäischen Kommission hat, wenn es um Energieeffizienzgesetze und weitere geplante Novellen wie Corporate Sustainable Reporting Directives geht. Die Zusammenarbeit im Verband der europäischen Data Centre Associations ist wichtig, um gemeinsam aufzutreten und Gewicht zu haben.
Wie sieht es mit der Rechenzentrumskapazität in Österreich aus? Kann der Bedarf noch gedeckt werden?
Derzeit ist definitiv zu wenig Kapazität am Markt verfügbar. Wir als Digital Realty haben im Sommer 2024 den Spatenstich für den Ausbau unseres neuen Rechenzentrums-Campus gesetzt, der Anfang 2026 in der ersten Ausbaustufe zur Verfügung stehen wird.
Dies wird die erste maßgebliche Kapazitätserweiterung seit vielen Jahren sein. Viele Projekte von inländischen und internationalen Investoren, speziell für den Raum Wien, wurden nicht realisiert, da die elektrotechnische Infrastruktur, also die Netzkapazität, derzeit ausgelastet ist. Es wird davon gesprochen, dass erst ab 2030 wieder die nötigen Kapazitäten für maßgebliche Erweiterungen in Wien, die den Energiebedarf eines Rechenzentrums haben, vorhanden sein werden.
Welche Kapazität steht bei Digital Realty aktuell zur Verfügung, und was ist geplant?
Wir haben derzeit 26 Megawatt an unserem bestehenden Campus ausgebaut, die weitgehend ausgelastet sind. Für kleinere Projekte haben wir natürlich immer Kapazitäten, die wir gemeinsam mit unseren Kunden umsetzen können. Die nächste große Kapazitätserweiterung in Wien wird unser neuer Standort sein, wo wir in der ersten Ausbaustufe zehn Megawatt zusätzliche Rechenzentrumskapazität schaffen werden. Das Investitionsvolumen beträgt im ersten Schritt circa 200 Millionen Euro. Geplant sind insgesamt vier Ausbaustufen mit 40 Megawatt an Rechenzentrumsinfrastruktur.
Der Hemmschuh ist also nicht der Investitionswille von Unternehmen wie Digital Realty, sondern es fehlt einfach der Strom?
Es fehlt der Strom. Der Investitionswille ist sowohl von uns vorhanden – wir haben die Liegenschaft bereits 2019 mit dem Ziel erworben, unsere Kapazität in Wien deutlich zu erhöhen – als auch von anderen Investoren, die ebenfalls Rechenzentrumskapazitäten schaffen wollen, aber derzeit durch fehlende elektrotechnische Voraussetzungen gehindert werden.
Wir als Austrian Data Center Association fordern daher Standortkonzepte für die Ansiedlung von Rechenzentren. Diese benötigen natürlich elektrotechnische Infrastruktur für nachhaltige Energie, aber Standortkonzepte böten auch die Chance, zum Beispiel die Abwärmeenergie der Rechenzentren in Fernwärmenetze einzubinden. Solche Konzepte fehlen in Österreich leider komplett.
Andere Länder, wie Irland und die Niederlande, liefern Beispiele – wenn sie auch einen teilweise steinigen Weg hinter sich haben. Sie waren in den letzten Jahren mit Moratorien konfrontiert, die Rechenzentrumsprojekte verhindert haben. Dort hat aber die Industrie gemeinsam mit der Politik nach Lösungen gesucht und Standortkonzepte entwickelt, die Regionen mit entsprechender Elektroinfrastruktur und Möglichkeiten zur Abwärmenutzung ausweisen.
Sie haben angesprochen, dass die Planungen für den neuen Standort schon früh begonnen haben.
Wir haben die Baugenehmigung 2020, zu Hochzeiten der Coronapandemie, eingereicht. Damals konnte niemand absehen, wie schnell sich die Technologie seitdem weiterentwickeln würde. Während unser erster Bauteil noch klassische Datacenter-Infrastruktur bieten wird, sind wir derzeit beim Redesign unserer weiteren Ausbaustufen. Vor allem AI-Applikationen benötigen ganz andere Hardware-Voraussetzungen, wie z. B. Nvidia-GPUs mit einer Leistungsdichte von 1,5 Megawatt auf acht Cabinets, was ganz neue Herausforderungen an die technische Infrastruktur des Datacenters stellt.
Diese sind noch schwer dimensionierbar, da unklar ist, wie viele Workloads in den nächsten drei bis fünf Jahren tatsächlich über GPUs abgewickelt werden. Es fehlen Standards, und jeder Hersteller entwickelt eigene Kühllösungen, jeder Supplier entwickelt eigene Standards für Kühltechnologien. Es ist momentan eine sehr unsichere Zeit, um Konzepte zu entwickeln, die einerseits genug Flexibilität bieten, um diese unterschiedlichen Entwicklungen abzudecken, und andererseits mit der Prämisse der Energieeffizienz-Direktive, eine PUE (Power Usage Effectiveness) – also eine Effizienz des Datacenters – von unter 1,2 zu erreichen, vereinbar sind. Jeder Grad an Flexibilität in der Infrastruktur bringt einen gewissen Grad an Ineffizienz mit sich. Dies ist ein sehr spannendes Thema, das wir als European Data Centre Association auch mit der Europäischen Kommission diskutieren.
Das heißt, der AI-Boom bringt die Rechenzentrumsbetreiber ganz schön ins Schwitzen, auch weil man gar nicht weiß, wie sich die Nachfrage entwickelt?
Es bringt vor allem die Unternehmen ins Schwitzen. Ich hatte kürzlich interessante Gespräche mit einem sehr großen österreichischen Unternehmen, das noch nicht weiß, wie seine IT-Landschaft in drei Jahren aussehen wird. Aus dieser Ungewissheit resultiert Unklarheit über die zukünftige Rechenzentrumslandschaft: Wie viele Workloads gehen in die Cloud, wie viele kommen zurück? Viele Unternehmen haben erkannt, dass die Cloud für gewisse Anwendungen vorteilhaft, für andere aber sehr kostspielig ist.
Auch der Einfluss von AI und der Bedarf an GPU-Technologie im Unternehmen sind unsicher. Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren. Wir als Digital Realty können mit unseren Colocation-Services eine gute Antwort sein, da wir Unternehmen Flexibilität bieten können. Auch wir haben eine gewisse Planungsunsicherheit, sind aber darauf spezialisiert, unterschiedliche Rechenzentrums- und Colocation-Anforderungen abzubilden.
Provokativ gefragt: Kann man in Österreich überhaupt schnell genug Rechenzentren bauen, um den künftigen Bedarf zu decken, angesichts der geschilderten Schwierigkeiten?
Ich antworte hier aus Sicht der Austrian Data Center Association: Der Großraum Wien ist derzeit gehandicapt. Wien war in den letzten zwei Jahrzehnten einer der digitalen Knotenpunkte in Zentral- und Osteuropa. Wir sind hier etwas ins Hintertreffen geraten, während andere Regionen wie Warschau und Mailand aufgeholt haben. Wir als Digital Realty haben mit unserem Projekt die Möglichkeit zur Expansion, aber andere Rechenzentrumsprojekte haben im Großraum Wien Schwierigkeiten, Standorte mit entsprechender Energieversorgung zu finden.
In den Bundesländern sieht es etwas anders aus, da die Netze dort vielleicht noch flexibler sind. Dort gibt es kleinere Projekte, die Rechenzentrumserweiterungen ermöglichen. Aber die großen AI-Hubs entstehen dort, wo die Daten sind, und das ist in Österreich hauptsächlich im Großraum Wien. Die Studie „Data Gravity Index“ von Digital Realty postuliert, dass Daten eine Art „Masse“ haben und der Transport großer Datenmengen aufwendig und kostspielig ist.
Hinzu kommen Compliance-Anforderungen, die den Datentransfer über Grenzen oder Kontinente hinweg erschweren. Daher ist der Standort Wien für viele Unternehmen sehr wichtig, und es braucht Rechenzentrumskapazitäten im Ballungsraum Wien. Es ist einfach viel effizienter, die Daten dort zu verarbeiten, wo sie anfallen und wo deren Nutzung ist.
Effizienz ist ein gutes Stichwort. Digital Realty hat ein Projekt mit der Klinik Floridsdorf umgesetzt, wo die Abwärme aus dem Rechenzentrum zum Einsatz kommt. Wie ist das zustande gekommen?
Grundsätzlich ist es keine neue Idee, die Abwärme eines Rechenzentrums für sinnvolle Zwecke zu nutzen. Gescheitert sind die Projekte in der Vergangenheit vor allem daran, dass das Anfallen der Abwärme im Rechenzentrum und der Bedarf an Wärme azyklisch sind. Die meiste Abwärme im Rechenzentrum fällt im Sommer an, während im Wohnbau und kommerziellen Gebäuden der größte Energiebedarf im Winter herrscht.
In Zusammenarbeit mit der Klinik Floridsdorf und mit Wien Energie haben wir eine Anwendung mit weitgehend ganzjährigem Wärmebedarf gefunden: die Klinik Floridsdorf hat auch in den Sommermonaten circa 800 Kilowatt an Wärmebedarf für Desinfektion, das Heizen von OP-Sälen, Säuglingsstationen und Ähnliches.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Anfall der Abwärme und der Bedarf an Wärme relativ nah beieinanderliegen müssen, denn je weiter sie voneinander entfernt liegen, desto höher sind natürlich die Investitionskosten, desto höher sind die Verlustleistungen. Glücklicherweise ist die Klinik Floridsdorf quasi unser Nachbar und kann jetzt circa 70 Prozent ihres Wärmebedarfs über bis zu 2,5 Megawatt an Abwärme aus unserem bestehenden Rechenzentrums-Campus abdecken.
Wir sind natürlich auch für unseren neuen Rechenzentrums-Campus auf der Suche nach ähnlichen Lösungen und sind mit Wien Energie bzw. Wiener Netzen ganz eng im Gespräch, um auch dort Abwärme des Datacenters in das Fernwärmenetz einspeisen zu können.
Noch einmal zurück zu Standort und Rahmenbedingungen: Was wären Ihre drei wichtigsten Forderungen an
die Politik?
Erstens: Die Digitalisierung muss als wichtiges Thema anerkannt und auf die politische Agenda gesetzt werden. Zweitens: Die Regularien dürfen die Umsetzung von Rechenzentrums- und Digitalisierungsprojekten nicht zusätzlich erschweren. Es gibt viele überlappende und im Detail unterschiedliche Regulatorien und EU-Direktiven. Die Bundesregierung sollte diese nicht zusätzlich verschärfen und darauf achten, dass sie in ihrer Formulierung nicht widersprüchlich sind. Drittens: Es braucht ein klares Bekenntnis zur Digitalisierung und zur Umsetzung von Standortkonzepten, die die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung digitaler Industrie schaffen, sowohl in Bezug auf die Infrastruktur als auch auf die Genehmigungsverfahren.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich die Situation positiv entwickeln wird?
Ich bin Optimist und sehe die Beispiele in anderen europäischen Ländern, wo die Bedeutung der Digitalisierung für Gesellschaft und Wirtschaft erkannt wurde. Dort reisen Politiker zu Datacenter-Konferenzen, um für ihre Region zu werben und Rechenzentrumsinvestitionen anzuziehen. Man hat erkannt, dass Digitalisierung Innovation und Wettbewerbsfähigkeit bedeutet und Arbeitsplätze schafft.
Man geht weg von der Angstmacherei, dass Digitalisierung und künstliche Intelligenz Arbeitsplätze vernichten. Studien belegen das Gegenteil: Investitionen in Digitalisierung schaffen Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit und Möglichkeiten, die sonst nicht zur Verfügung stünden. (RNF)
www.digitalrealty.at
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