Gemäß dem Ministerratsbeschluss vom 28. Mai 2018 zur Klima- und Energiestrategie soll Strom in Österreich in weniger als zwölf Jahren zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen. © Pixabay
Europa auf dem Weg zur nachhaltigen Vollversorgung
Im Jahr 2017 wurde aus Wind, Sonne und Biomasse in der Europäischen Union erstmals mehr Strom produziert als aus Stein- und Braunkohle zusammen. Und auch hierzulande wird immer mehr Energiebedarf mit ökologischen Ressourcen gedeckt.
Seit 2010 hat sich der Anteil von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse – den seit 2000 eingeführten „neuen“ erneuerbaren Energien – in der EU mehr als verdoppelt. Da jedoch die Wasserkraftproduktion 2017 stark rückläufig war, wuchs der Anteil aller erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung gegenüber dem Vorjahr nur leicht: Er stieg von 29,8 auf 30 Prozent. Das zeigt eine gemeinsame Analyse zweier Thinktanks – Agora Energiewende aus Deutschland und Sandbag aus Großbritannien. Die Autoren der Studie haben öffentliche Daten aus zahlreichen Quellen zusammengetragen und ausgewertet.
Der Anteil erneuerbarer Energien entwickelt sich jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich. So haben Großbritannien und Deutschland in den vergangenen drei Jahren mehr als die Hälfte zum Ausbau der erneuerbaren Energien beigetragen, insbesondere Windenergie spielt hier eine große Rolle. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 30 Prozent des Stroms aus Wind, Sonne und Biomasse erzeugt, in Großbritannien waren es 28 Prozent. Das stärkste prozentuale Wachstum wurde in Dänemark verzeichnet: Im Jahr 2017 stammten 74 Prozent des dort erzeugten Stroms aus Wind, Sonne und Biomasse, ein Anstieg um sieben Prozentpunkte innerhalb eines Jahres.
Österreich: Anteil des geförderten Ökostroms erneut gestiegen
Auch in Österreich befinden sich erneuerbare Energien im Aufwind. Dem Ökostrombericht der heimischen Regulierungsbehörde E-Control zufolge, hat der Anteil des geförderten Ökostroms im vergangenen Jahr erneut zugenommen und stand 2017 bei 17,9 Prozent. Dabei stieg die von der OeMAG abgenommene Strommenge um acht Prozent von 9.770 Gigawattstunden (GWh) auf 10.528 GWh. Nach 58.184 GWh im Jahr 2015 betrug die gesamte Stromabgabe an Endverbraucher im Bezugsjahr 2017 58.872 GWh. „Der Ökostromanteil ist erneut deutlich gestiegen, auch wenn vermehrt Altanlagen aus dem Fördersystem ausscheiden“, sagt E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch. Gefördert werden weiterhin bestimmte Ökostromtechnologien mittels staatlich garantierter Einspeisetarife, also fixer Abnahmepreise für den Strom.
Wind konnte am stärksten zulegen
Die größte Steigerung in absoluten Zahlen gab es im Jahr 2017 im Bereich der Windkraft, gefolgt von der Photovoltaik. Aus Windkraftanlagen wurden um 17 Prozent mehr Strom abgenommen, was in Summe 5.746 GWh (+814 GWh) bedeutete. Die abgenommene Menge im Bereich der Photovoltaik stieg um 15 Prozent auf 574 GWh (+74 GWh). Im Bereich der Kleinwasserkraft kam es trotz konstanter installierter Leistung zu einem Rückgang der abgenommenen Menge um acht Prozent auf 1.625 GWh (–148 GWh). Die abgenommene Menge im Bereich der rohstoffabhängigen Technologien blieb konstant. „Wie in den letzten Jahren ist die Steigerung erneut von den rohstoffunabhängigen Technologien getrieben“, hält Urbantschitsch fest.
Eine Milliarde Euro Ökostromvergütung, aber …
Die gestiegenen Ökostrommengen spiegeln sich auch in den gestiegenen Förderkosten wider. Dabei stieg das im Jahr 2017 ausbezahlte Vergütungsvolumen um zehn Prozent auf 1,1 Milliarden Euro (+98 Millionen Euro). Das Vergütungsvolumen ist die Summe der ausbezahlten Einspeisetarife und enthält somit den Marktwert des abgenommenen Stroms. Das Unterstützungsvolumen, welches die Förderung über dem Marktwert widerspiegelt, belief sich im Jahr 2017 auf 860 Millionen Euro. „Hierbei kommt der leicht gestiegene Marktpreis dem Endkunden zugute. Verglichen mit 2016 ergibt sich dadurch ein positiver Effekt von 22 Millionen Euro“, so Urbantschitsch. Der den Berechnungen zugrunde gelegte Marktpreis stieg dabei von 29 auf 31 Euro pro Megawattstunde.
… rückläufiges Unterstützungsvolumen für 2018
Neben einem steigenden Großhandelspreis wird aufgrund des vermehrten Ausscheidens von Ökostromanlagen aus dem Fördersystem mit einem rückläufigen Unterstützungsvolumen gerechnet. Entscheidend ist hierbei jedoch, wie sich die zusätzlichen Mittel für den Abbau der Wartelisten verteilen. Laut einer ersten Prognose ist im Jahr 2018 bei einem Marktpreis von 33 Euro pro Megawattstunde und einem Rückgang der abgenommenen Mengen auf circa 10.000 GWh mit einem Unterstützungsvolumen von ungefähr 770 Millionen Euro zu rechnen.
Ökostromkosten für Haushalte gesunken
2017 betrugen die Ökostromförderkosten für einen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden rund 100 Euro im Jahr inklusive Steuern. „Heuer werden die Ökostromförderkosten aufgrund der neu festgelegten Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrags auf rund 90 Euro brutto sinken“, so Urbantschitsch.
Geförderter Ökostrom sparte bis zu elf Millionen Tonnen CO2
„Ein Eckpunkt der Förderung von Strom aus Erneuerbaren ist die Vermeidung von CO₂, was den zentralen Nutzen und Beitrag zur Energiepolitik darstellt“, so Urbantschitsch. Aufgrund der gestiegenen Menge an abgenommenem Ökostrom auf 10.528 GWh konnten laut Berechnungen der E-Control im Jahr 2017 bis zu elf Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. „Wäre besagte Ökostrommenge in Gas- und Dampfkraftwerken produziert worden, wären die CO₂-Emissionen um 4,6 Millionen Tonnen höher gewesen. Im Vergleich zu Braunkohlestrom beträgt die Einsparung besagte elf Millionen Tonnen CO₂“, erläutert Urbantschitsch.
100 Prozent Strom aus Erneuerbaren
Die #mission2030 sieht vor, dass die Stromaufbringung bis 2030 zu 100 Prozent (national bilanziell) aus erneuerbaren Quellen erfolgen soll. Um dieses Ziel erreichen zu können, wird der Ausbau massiv ansteigen müssen, vor allem auch unter dem Gesichtspunkt des stetig steigenden Stromverbrauchs. Wesentlich sind dabei vor allem auch die Themen „Versorgungssicherheit“ und „Leistbarkeit“. „Klar ist, die Realisierung des 100-Prozent-Ziels wird kein Selbstläufer. Auf Basis der Erfahrungswerte müssen die Rahmenbedingungen ehestmöglich geschaffen bzw. umgesetzt werden – die Geschwindigkeit ist nun entscheidend“, ist Urbantschitsch überzeugt. Und Andreas Eigenbauer, Vorstand der E-Control, ergänzt: „Aber die Zielsetzung ist absolut ein Schritt in die richtige Richtung. Allein das in der #mission2030 festgeschriebene Vorhaben sorgt für enorm positive Impulse, die als Chance genutzt werden sollten.“
Österreich hat traditionell hohen Ökostromanteil
Österreich verfügt traditionell über einen hohen Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung. Nach ersten Auswertungen stieg der Anteil des Ökostroms (inländische Erzeugung) am Stromverbrauch von 71 Prozent auf rund 74 Prozent im Jahr 2017. Dieser Anteil umfasst den gesamten Ökostrom, also sowohl den im Ökostrombericht erfassten Ökostrom, der mit Fördermitteln unterstützt wurde, als auch Ökostrom ohne Förderungen, wie etwa Strom aus großen Wasserkraftwerken.
Versorgungssicherheit
Die Themen Ökostromausbau und Versorgungssicherheit sind eng miteinander verbunden. Eine Modellberechnung der E-Control für 2030 ergab, basierend auf der Energieaufbringung der letzten fünf Jahre, dass in den Wintermonaten neben 1.500 GWh aus Wärmekraftwerken ein Importbedarf von 1.000 GWh pro Woche bestehen wird. Gleichzeitig würden sich aufgrund des 100-Prozent-Ziels im Sommer wesentliche Exportüberschüsse ergeben, um etwaige Importe bzw. die Erzeugung aus kalorischen Kraftwerken bilanziell ausgleichen zu können. Weiters zeigt es sich, dass Importmöglichkeiten in Zukunft nicht mehr unlimitiert vorhanden sein werden. So geht etwa aus diversen Energiestrategien und -plänen verschiedenster Länder hervor, dass sich Exportmöglichkeiten heutiger Lieferanten teilweise dramatisch reduzieren könnten. „Wir sprechen hier zum Beispiel von Deutschland, Frankreich oder Tschechien. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass Erdgas auch künftig für die Versorgungssicherheit notwendig sein wird“, so Eigenbauer.
Die Zukunft der Ökostromförderung
Sowohl die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 bis 2020 als auch der Kompromissentwurf zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie machen klar, dass das Fördersystem in Österreich fundamental angepasst werden muss. Im Mittelpunkt stehen dabei marktbasierte Instrumente zur Förderung selbst (z. B. ein Premium neben dem Marktpreis), aber auch marktbasierte Instrumente hinsichtlich der Vergabe (z. B. Auktionen) von Fördermitteln. Unbestritten ist, dass für die Zielerreichung bis 2030 alle verfügbaren Technologien genutzt werden müssen. „Bei dieser Umstellung würde es sich um den größten Umbruch seit Einführung der bundesweiten Förderung handeln. Und eine wichtige Frage, die es zu beantworten gilt, lautet, inwieweit eine entsprechend hohe Ausbaugeschwindigkeit erreicht werden kann. Die Integration in den Strommarkt unter Berücksichtigung der Sektorkopplung und der Versorgungssicherheit wird entscheidend für die Erreichung des 100-Prozent-Ziels sein“, so Eigenbauer abschließend. (BO)