Weniger Investitionen in der Bauwirtschaft.

NEW BUSINESS - NR. 10, OKTOBER 2023
Bauinvestitionen werden in Zukunft verstärkt in Sanierungsmaßnahmen, weniger in Neubauprojekte fließen, im Wohnbau genauso wie im Wirtschafts- und im Tiefbau.

Eine Analyse der UniCredit Bank Austria zeigt, dass die Bauwirtschaft Anteile an der Wirtschaftsleistung verliert.

Zusätzlich wird künftig mehr in Sanierungen als in Neubauprojekte investiert.

In den nächsten zwei Jahren muss mit einem Rückgang der Bauinvestitionen gerechnet werden. Erst ab 2025 sollte die Baunachfrage wieder langsam zulegen, angetrieben von der stärkeren Erholung des Wirtschaftswachstums und Nachholeffekten im Wohnbau und im Wirtschaftsbau, wobei jedoch Zuwächse über dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum immer seltener werden“, sagt UniCredit-Bank-Austria-Ökonom Günter Wolf.

Die Bauinvestitionen in Österreich sind seit den 1990er-Jahren nicht so schnell gewachsen wie die Wirtschaft insgesamt. In den letzten 30 Jahren sind die Bauinvestitionen um 14 Prozent gestiegen, während die Wirtschaftsleistung um 67 Prozent zugenommen hat. Es wird erwartet, dass der Bau im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen an Bedeutung verliert.

Dies liegt zum einen daran, dass es bereits viele gut erhaltene Gebäude gibt, die die Nachfrage nach neuen Bauprojekten begrenzen. Zum anderen kann der Bausektor trotz Automatisierung und vorgefertigter Bauteile nur geringe Produktivitätssteigerungen im Vergleich zur Gesamtwirtschaft erzielen

Mehr Sanierungen, weniger in Neubau
Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum und die notwendigen Investitionen in die Anpassung des Gebäudebestandes, der Verkehrsinfrastruktur und der Energieversorgung an klimapolitische Ziele sichern der Bauwirtschaft mittel- und langfristig Aufträge. Hingegen bleibt die Nachfrage vor allem nach neuen Einzelhandelsgeschäften und Bürogebäuden gedämpft, da in diesen Segmenten die Nutzungskonzepte der Gebäude durch Onlineplattformen und eine neue Arbeitsorganisation zunehmend infrage gestellt werden.

Auch im öffentlichen Hochbau, der rund 20 Prozent zur Hochbauproduktion beiträgt, lassen die Investitionspläne der Bundesimmobiliengesellschaft nach 2023 nur im Schul- und Universitätsneubau leichte Zuwächse erwarten. Bei den öffentlichen Auftraggebern stehen ebenfalls die Gebäude­sanierungen im Vordergrund.

Zudem sind keine neuen Großbauvorhaben im hochrangigen Straßenbau in Sicht und es ist mit einem Rückgang der Infrastrukturinvestitionen der ÖBB zu rechnen. Laut Budgetbericht 2023 werden die Ausgaben von 3,2 Milliarden Euro bis 2028 auf 3,1 Milliarden Euro sinken, vor allem weil die Hauptbauphase bei den großen Tunnelprojekten schon überschritten wurde. 

Weniger Haushalte benötigen weniger Wohnungen
Mit den überdurchschnittlich starken Wohnbauaktivitäten der letzten Jahre, die 2021 zum Fertigstellungsrekord von fast 75.000 Wohnungen führten, wurde der stark gestiegenen Wohnungsnachfrage auf jeden Fall Rechnung getragen. 2023 und 2024 wird die Wohnbauleistung in Österreich erheblich schrumpfen, gebremst von der unsicheren Entwicklung der Immobilienpreise und den hohen Baukosten und gestiegenen Zinsen. Euroconstruct rechnet bis 2025 mit einem Rückgang der Wohnungsfertigstellungen in Österreich auf rund 50.000 Einheiten. 

Infolge des Rückgangs der Neubauleistungen im Wohnbau und aufgrund der mit der Fluchtbewegung aus der Ukraine 2022 sprunghaft gestiegenen Haushaltszahlen wird der Bedarf an neuem Wohnraum zwar wieder zulegen. Allerdings lassen die jüngsten Haushaltsprognosen keine stärker wachsende Wohnungsnachfrage in den nächsten Jahren erwarten. Die Zahl neu gegründeter Haushalte, die von 2012 bis 2022 bei durchschnittlich 38.000 im Jahr lag, soll sich bis 2030 auf 26.000 Haushalte pro Jahr verringern.

Gleichzeitig dürfte die Zahl der Wohnungsfertigstellungen, die von 2012 bis 2022 bei durchschnittlich 66.000 Einheiten lag, ab 2025 wieder unter 50.000 Einheiten sinken. Der Bedarf an neuem Wohnraum sollte damit mengenmäßig weitgehend gedeckt werden. Ob mit der erwarteten Neubauleistung auch der Nachfrage in allen Segmenten entsprochen wird, vor allem, ob ein genügend hohes Angebot an preiswertem Wohnraum zur Verfügung steht, bleibt jedoch offen. 

Klimaschutz mit unterschiedlicher ­Auswirkung
Die Baustofferzeugung, der Bau und der Betrieb von Gebäuden und Infrastrukturen sind für etwa ein Viertel der österreichischen Treibhausgasemissionen verantwortlich (noch ohne Treibstoffverbrauch im Sektor; 2021 waren das circa 19 von 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente). Davon entfallen knapp zwei Drittel auf den Betrieb und die Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung in den Gebäuden, der Rest auf die Produktion von Baustoffen. 

Im Wesentlichen zielen die Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudesektor auf die thermische Sanierung des Bestandes ab. Vorgesehen ist, die Sanierungsquote in Wohngebäuden von derzeit 0,7 Prozent bis 2030 auf zwei Prozent im Jahr zu erhöhen beziehungsweise laut Regierungsprogramm auf drei Prozent bis 2040, um eine Dekarbonisierung des Gebäudebestandes zu erreichen.

Kurzfristig verhindern der hohe Fachkräftemangel und die hohen Baukosten eine substanzielle Erhöhung der Sanierungsleistungen. Die Auftragsstorni sind in der Sparte Hochbausanierung von durchschnittlich 1 Prozent des Auftragsvolumens vor 2022 im Vorjahr auf 5 Prozent und bis April 2023 auf 14 Prozent gestiegen. 

Fachkräfte fehlen vor allem im Ausbaugewerbe, wo seit 2021 beispielsweise bei den Elektrikern und Installateuren pro offene Stelle durchschnittlich eine arbeitslos gemeldete Person registriert ist; (bei den Bauberufen sind mehr als drei Personen pro offene Stelle als arbeitslos gemeldet). Noch im Juli 2023 gaben knapp 40 Prozent der Firmen im Ausbaugewerbe den Mangel an Beschäftigten als das wesentliche Produktionshindernis an. Eine rasche Lösung des Fachkräftemangels ist nicht in Sicht. 

Zudem hat sich der Baukostenanstieg abgeschwächt, allerdings werden energieintensive Baustoffe teuer bleiben (Mitte 2023 lagen die Materialkosten im Wohnbau noch um 30 Prozent über dem Niveau von 2019). Die Klimaschutzmaßnahmen werden durch anhaltend hohe Energiepreise und steigende CO2-Zertifikatspreise belastet. Um die langfristigen Sanierungsziele zu erreichen, braucht es auf jeden Fall eine Aufstockung der Fördermittel (gemessen an den Ausgaben für die Wohnraumsanierung 2019 von rund 500 Millionen Euro, auf wenigstens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030, zu Preisen von 2019).

Der Bau zählt auch zu den größten Ressourcenverbrauchern und verursacht fast zwei Drittel des Abfallaufkommens in Österreich. „Ein wesentlicher Beitrag zur Ressourcenschonung im Bauwesen und zur Verringerung der Flächenversiegelung werden die Lebensdauerverlängerung und die Umnutzung bestehender Gebäude sein. Ein weiterer Aspekt, der voraussichtlich zu einer Verringerung des Neubauvolumens im Hoch- und Tiefbau führen wird“, sagt Wolf abschließend. (BS)