Jährlich werden 80 Millionen Tonne Müll gesammelt © APA - Austria Presse Agentur
Das Geschäft mit dem Müll ist milliardenschwer und ein bedeutender Eckpfeiler für den Klimaschutz. Die Branche fordert nun eine Vereinfachung für Mülltransporte innerhalb der EU. "Wir brauchen einen Schengenraum für Abfälle in Europa - die Sammlung ist immer regional, aber die Verarbeitung bedarf hochkomplexer Anlagen", erklärt der Vizepräsident des Verbandes Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB), Andreas Opelt. "Die Abfallwirtschaft muss europäisch gedacht werden."
Gegenwärtig gebe es noch zu viele Hürden beim Transport innerhalb Europas. Sämtliche Abfälle müssten angemeldet werden, sobald sie über die Landesgrenze gehen. Für eine breite Anzahl von Abfällen solle das vereinfacht werden, "um die Rohstoffe in Europa gut zirkulieren zu lassen", kolportierte Opelt am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Vereinigung öffentlicher Abfallwirtschaftsbetriebe (VÖA), dem Fachverband Entsorgungs- und Ressourcenmanagement der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) dieses zentrale Anliegen der Branche. In der heimischen Abfallwirtschaft arbeiten den Angaben zufolge kommunale und private Betriebe gut ineinander verzahnt.
Ein wesentlicher Wunsch wäre auch der Abbau der den Angaben zufolge überbordenden Bürokratie im Tagesgeschäft. "Das ist ein Papierkrieg der Sonderklasse", berichtete ÖWAV-Präsident Martin Niederhuber aus dem Alltag. "Wir verwenden derzeit mehr Zeit für die Abfallbuchhaltung als für die Finanzbuchhaltung" bekräftigte WKÖ-Obmann Harald Höpperger. Die Branche sei mit zunehmender Bürokratie konfrontiert, es seien "unzählige Dokumente" auszufüllen. Das behindere die eigentliche Aufgabe, Abfälle effizient und nachhaltig zu entsorgen. So müsse bei längeren Transporten zwingend eine Anfrage bei der Bahn nach freien Kapazitäten gestellt werden, wo die Antwort "zu 97 Prozent Nein" laute, nannte Höpperger als Beispiel und sprach von einer "Lücke zwischen Realität und Wunschdenken". "Generell ist der administrative Aufwand wirklich erheblich - wir sind hier beim Transport benachteiligt", sprach Opelt die internationale Wettbewerbsfähigkeit an.
Ihre volkswirtschaftliche Bedeutung ließ Abfallwirtschaft anhand einer Studie untermauern. Im abgelaufenen Jahr hätten 2.998 Betriebe der Abfall- und Ressourcenbranche mit etwa 31.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Beitrag zum heimischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 6,64 Mrd. Euro erwirtschaftet. Insgesamt habe die Branche eine gesamtwirtschaftliche Leistung von 19,5 Mrd. Euro ausgelöst. Innerhalb von zehn Jahren seien die Umsätze um 80 Prozent gewachsen. Die Abfallbehandlung mache 87 Prozent der Wirtschaftskraft aus. Der Großteil der Unternehmen betreibe ihre Standorte in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark. 2024 habe die Branche 600 Mio. Euro investiert. Das Geld sei vor allem in neue Recyclinganlagen geflossen. "Speziell in konjunkturell herausfordernden Zeiten ist das ein wichtiger Impulsgeber", so Opelt.
"Wir sind ein ganz wichtiges Element für die Kreislaufwirtschaft und damit die grüne Transformation", betonte VÖA-Vizepräsidentin Alexandra Loidl. Rund ein Drittel (34 Prozent) der gesammelten Abfälle werde recycelt, besonders gut sei man bei Papier, Glas und Metall unterwegs, weniger gut noch bei Kunststoffen. Vieles landet auf der Deponie. "Nach wie vor dominiert die Deponierung als Behandlungsvariante", sagte Loidl. Einen Gutteil machten Bauaushubmaterialien aus.
Die Bedeutung der Abfallwirtschaft im Klimawandel strich auch Niederhuber hervor: "Es geht um CO2, Energieproduktion und Kreislaufwirtschaft", fasste er zusammen. Der CO2-Impact der Branche habe sich zwischen 1990 und 2020 um 50 Prozent von 4,6 auf 2,3 Millionen Tonnen verringert. Methan von der Deponie sei ein "Klimakiller". Aktiver Abfall mit organischem Anteil von mehr als 5 Prozent "soll nicht mehr auf die Deponie".
Weiters werde versucht, aus dem Müll möglichst viel Energie herauszubringen - dafür gebe es in Österreich 163 Biogasanlagen. Beim Vergären entstehe Gas - grünes Gas - "und die Gärreste kann man kompostieren", erklärte der ÖWAV-Präsident. Ein wichtiger Faktor für Österreichs Unabhängigkeit betreffend Energieversorgung seien auch die 61 thermischen Behandlungsanlagen. Zum einen versuche die energieintensive Industrie damit Primärenergieträger zu ersetzen, zum anderen gebe es die klassischen Müllverbrennungsanlagen, die Fernwärme produzierten, verstromten und Prozessenergie erzeugten. "Da wird noch mehr kommen", sagte Niederhuber.
Durch die Kreislaufwirtschaft könne man in Summe knapp 10 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten einsparen - verglichen mit 2,3 Millionen Tonnen Emissionen "unserer Anlagen". Notwendig wäre "eine verpflichtende Mindestquote für recycelte Wertstoffe", so Opelt. "Unser gemeinsames Ziel kann es nur sein, möglichst viel Material möglichst lange im Kreislauf zu führen." Eine große Forderung des Green Deal der EU sei es, "unsere Stoffe im Kreis zu führen - Abfall so aufzubereiten, dass er wiederverwertbar ist für die Produktion", hielt Niederhuber fest.
Jedes Jahr würden rund 74 Millionen Tonnen Abfall in 3.500 Anlagen gesammelt, sortiert und verwertet. "Das Aufkommen entspreche 7.400 Mal dem Gewicht des Eiffelturms beziehungsweise 200 Mal dem Empire State Building, verdeutlichte Loidl. Die Kapazitäten der Anlagen wurden mit mehr als 210 Millionen Tonnen angegeben. Beim Recycling von Siedlungs- bzw. Haushaltsmüll erreiche die Branche mit 62 Prozent die zweithöchste Quote im europäischen Vergleich - das EU-Ziel bis 2025 liegt bei 55 Prozent. Mit den hohen Recyclingquoten bei Papier Glas und Metall sei das EU-Ziel bereits erfüllt. Aufholbedarf herrscht bei Kunststoffverpackungen mit einer Quote von derzeit erst 25 Prozent, das Ziel liegt bei 50 Prozent.
Oben angeführte Studie wurde vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) im Auftrag der privaten und der kommunalen Abfallwirtschaft zwischen Juni 2024 und Jänner 2025 erstellt. Basis waren Daten der Statistik Austria, Fallstudien und Unternehmensdaten.