Fehlende Kinderbetreuung ist nur ein Teil der Erklärung © APA - Austria Presse Agentur

Der wirtschaftsliberale Think Tank Agenda Austria sieht im hohen Anteil freiwilliger Teilzeitbeschäftigter ein erhebliches finanzielles Problem für das österreichische Sozialsystem. Laut aktuellen Berechnungen entgehen dem Staat jährlich rund 4,9 Milliarden Euro an Einnahmen, weil etwa 320.000 Teilzeitbeschäftigte keine Vollzeitstelle anstreben - obwohl sie dazu in der Lage wären.

Im Jahr 2024 waren in Österreich rund 1,34 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 64 Jahren in Teilzeit beschäftigt. Davon gaben etwa 24 Prozent an, keine Vollzeitbeschäftigung anzustreben. In der Zahl von 320.000 Menschen, die freiwillig keine Vollzeitstelle anstreben, sind Studenten mit Teilzeitjobs nicht enthalten.

Der Sozialversicherung entgehen 3,1 Mrd. Euro

Würde diese Personengruppe stattdessen eine Vollzeitstelle zum medianen Bruttojahreseinkommen ausüben, würden die zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträge bei etwa 3,1 Mrd. Euro, die gesamten staatlichen Mehreinnahmen (inklusive Lohnsteuer und Lohnnebenkosten) bei etwa 4,9 Mrd. Euro jährlich liegen, so die Agenda Austria. Die Schätzung sei konservativ, da etwa auch unter jenen mit Betreuungspflichten viele seien, die grundsätzlich auch Vollzeit arbeiten könnten, es aber bewusst nicht tun.

Die Think-Tank-Zahlen liefern neuen Stoff für die laufende Debatte über Teilzeit in Österreich. "Die Teilzeit-Beschäftigung hat seit 2009 in keinem EU-Land stärker zugenommen als in Österreich", sagte Agenda-Austria-Ökonom Hanno Lorenz zur APA. In Schweden sei sie sogar gesunken. "Wir sind nach den Niederlanden auf Platz zwei, was die Teilzeitquote betrifft." Insgesamt sei die Teilzeitquote in Österreich mit 31,5 Prozent sehr hoch - der EU-Durchschnitt liege bei 17 Prozent.

Es sei zwar richtig, dass für manche Jobs nur Teilzeitstellen angeboten würden, räumt Lorenz ein. "Es ist aber so, dass über 80 Prozent der ausgeschriebenen Stellen Vollzeitstellen sind."

Ein Fünftel der Kinderlosen arbeitet in Teilzeit

In Österreich arbeiten 40,9 Prozent der Arbeitnehmer mit Kindern in Teilzeit, aber auch unter Kinderlosen liegt die Teilzeitquote mit 21,1 Prozent vergleichsweise hoch, verweist Lorenz auf Eurostat-Zahlen für die Altersgruppe von 25 bis 49 Jahren.

Ein zentrales Argument in der Diskussion ist die Rolle der Kinderbetreuung. "Wenn man will, dass Frauen Vollzeit arbeiten, ist es natürlich wichtig, Kinderbetreuungseinrichtungen bereitzuhalten. Es gibt allerdings auch Studien, die sagen: Selbst dort, wo es die Kinderbetreuung gibt, arbeiten die Frauen trotzdem nicht Vollzeit, weil es Präferenzen gibt, die Kinder selbst zu betreuen, oder weil es durch das Steuersystem unattraktiv ist, von Teilzeit auf Vollzeit auszuweiten." Wenn man etwa in Schweden die Arbeitszeit von 20 auf 40 Stunden aufstocke, erhalte man bei einem Durchschnittsgehalt 87 Prozent mehr Nettolohn, in Österreich nur um 69 Prozent mehr.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Ein Blick auf die Motive zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während von Frauen die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen mit 39,3 Prozent als häufigster Grund genannt wird, ist es bei Männern der Wunsch, generell keine Vollzeitstelle anzunehmen (26,8 Prozent).

Besonders im Fokus steht auch die Altersgruppe 50+. Dort geben über 40 Prozent der Teilzeitbeschäftigten an, keine Vollzeitstelle zu suchen - ein Anteil, der mit dem Alter weiter steigt. In der Altersgruppe 55-59 Jahre liegt dieser Wert bereits bei 45,2 Prozent.

Agenda Austria plädiert angesichts dieser Zahlen für Reformen, um den Anreiz zur Vollzeitbeschäftigung zu erhöhen. Andernfalls, so der Think Tank, drohen langfristig Belastungen für das Pensionssystem und geringere Staatseinnahmen. Auch werde man weniger Wohlstand generieren können, "weil uns die Arbeitskräfte ausgehen", warnt Lorenz. "Es gibt eine Langfrist-Prognose von der OECD, die sagt: Pro Kopf werden wir 2060 ein negatives BIP-Wachstum haben, weil wir es einfach nicht schaffen, die Ressourcen, die wir haben, effizient einzusetzen. Die Menschen arbeiten nicht voll, sie arbeiten nicht produktiv genug und verlassen den Arbeitsmarkt."