Schweizerische Nationalbank soll aushelfen © APA - Austria Presse Agentur

Die Schweizer Notenbank greift der angeschlagenen Credit Suisse mit einer milliardenschweren Kreditlinie unter die Arme. Das Geldhaus will mit der Option auf Kredite von bis zu 50 Mrd. Franken (rund 51 Mrd. Euro) verlorenes Vertrauen auf dem Finanzmarkt zurückgewinnen. Währungshüter und Regierungen stehen nun vor der Aufgabe, eine schwere Bankenkrise zu verhindern. Für Österreich gehe davon derzeit keine Gefahr aus, glaubt der ehemalige OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny.

Österreich habe keine starken Verbindungen zur Credit Suisse, außerdem sei diese hierzulande nicht unmittelbar vertreten, sagte Nowotny zur Begründung im "Ö1-Mittagsjournal". Ferner gebe es in Österreich keine Bank mit einer vergleichbaren Geschichte, so der Ex-Notenbank-Chef.

Mit Blick auf mögliche Gefahren für deutsche Banken und ihre Kunden hob der deutsche Finanzminister Lindner die Stabilität des deutschen Kreditwesens hervor. "Die Bundesregierung ist mit allen Beteiligten in einem ständigen und intensiven Austausch", sagte der FDP-Chef in der ARD-Sendung "Maischberger".

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht ebenfalls keine neue Finanzkrise in Deutschland und Europa heraufziehen. "Die Gefahr sehe ich nicht. Das Geldsystem ist nicht mehr so fragil wie vor der Finanzkrise", sagte der Bundeskanzler dem "Handelsblatt" laut einer am Donnerstag veröffentlichten Meldung. Er erwartet deshalb auch keine Konsequenzen für deutsche Sparer. "Die Einlagen der deutschen Sparerinnen und Sparer sind sicher."

"Wir leben in einer völlig anderen Zeit", sagte Scholz mit Blick auf Vergleiche mit der Finanzkrise 2008 dem Blatt. Gesetzgeber und Bankenaufsicht hätten ihre Lehren aus der Lehman-Pleite gezogen. Die Regulierungsvorschriften für Banken seien strenger als damals. "Und wir sehen, dass in den USA, in Großbritannien und zuletzt in der Schweiz die Verantwortlichen schnell und entschlossen gehandelt haben."

Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) hat den Kurssturz der Credit Suisse Aktie und die 50-Milliarden-Hilfsaktion der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in diesem Ausmaß nicht erwartet, wie er heute sagte. Das beschere dem Image des Finanzplatzes Zürich natürlich "einen Kratzer".

Eurogruppen-Chef Donohoe zeigte sich jedenfalls zuversichtlich. "Wir sind uns der Risiken bewusst, die derzeit in unserem Banken- und unserem globalen Finanzsystem bestehen. Aber die Höhe der Eigenkapitalpuffer gibt uns die Gewissheit, dass wir in der Lage sind, diese Risiken zu managen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Auf die Frage, ob die europäischen Banken auch für weitere Zinserhöhungen gewappnet seien, antwortete Donohoe: "Ja, unsere Banken sind auf mögliche Veränderungen vorbereitet."

Für die Schweizer Bank dürfte die Probleme mit dem Kredit allerdings nicht vorüber sein. So äußerten sich Experten zwar eher positiv zu den Maßnahmen. Schließlich sei die Credit Suisse auf den Finanzmärkten wie bei ihren Kunden mit einem Vertrauensverlust konfrontiert, schrieb Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Geldwirtschaft an der Universität Freiburg in der Schweiz. "Aber selbst mit dem Kredit der SNB wird die Credit Suisse alle ihre Probleme in einer Woche nicht gelöst haben."

An der Börse zeigten die Maßnahmen am Donnerstag jedenfalls Wirkung: Die Aktie der Credit Suisse erholte sich ein gutes Stück von ihrem Kurssturz. Zum Handelsstart legte ihr Kurs um fast ein Drittel zu. Am späten Vormittag lag er noch mit 23 Prozent im Plus.

Die Erleichterung über ein Rettungspaket verschaffte auch Europas Anlegern etwas Luft zum Durchatmen. Der deutsche Leitindex DAX gewann am Donnerstag 0,6 Prozent auf 14.825 Punkte, sein europäisches Pendant Euro-Stoxx-50 kletterte um knapp ein Prozent auf 4.070 Zähler. Auch in Österreich verlief der Börsenhandel nach einem Einbruch des Leitindex ATX am Mittwoch wieder in ruhigeren Bahnen.

Der Kollaps mehrerer regionaler US-Banken hatte Unsicherheit im Bankensektor ausgelöst. Bei der schon zuvor angeschlagenen Credit Suisse schlug sich dies besonders deutlich nieder. Die Großaktionärin Saudi National Bank glaubt nach eigener Aussage nicht, dass das Schweizer Institut weiteres Kapital benötigt. Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) habe bestätigt, dass die Credit Suisse gut kapitalisiert sei, sagte Ammar Al Khudairy, Präsident der saudischen Bank, dem Sender CNBC. Die jüngste Panik sei "vollkommen ungerechtfertigt" - sowohl mit Blick auf die Credit Suisse als auch mit Blick auf den gesamten Markt. Allerdings bekräftigte er, dass die Saudi National Bank ihre Beteiligung nicht über 9,9 Prozent ausbauen werde.

Unterdessen stellt die SNB der Credit Suisse die 50 Mrd. Franken nicht blanko zur Verfügung: Die Kreditlinie sei vollständig mit erstklassigen Vermögenswerten besichert, teilte die Credit Suisse mit. Außerdem kündigte sie den Rückkauf von Anleihen im Volumen von 3 Mrd. Franken an. Die Credit Suisse bezeichnete die Schritte als "entschlossene Maßnahmen zur präventiven Stärkung" der Liquidität. "Mit diesen Maßnahmen stärken wir die Credit Suisse im Rahmen unseres strategischen Wandels, um für unsere Kunden und andere Anspruchsgruppen Mehrwert zu schaffen", sagte Bankchef Ulrich Körner.

Die Credit Suisse wurde 1856 gegründet und hat mehr als 50.000 Angestellte. Sie ist die zweitgrößte Bank der Schweiz hinter der UBS und steckt schon länger in der Krise. 2021 erlitt sie durch den Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos und die Abwicklung von Fonds des Finanzkonglomerats Greensill einen Verlust von 1,65 Mrd. Franken. Ein Jahr später folgte auch wegen riskanter Geschäfte im Investmentbanking ein Fehlbetrag von 7,3 Mrd. Franken - der zweithöchste Verlust in der Geschichte der Bank.

Nach Marktkapitalisierung reiht sich die Credit Suisse (9,7 Mrd. Dollar) ins Mittelfeld der größten europäischen Banken. An der Spitze steht die britische HSBC (137 Mrd.), gefolgt von der französischen BNP Paribas (70,3 Mrd.) und der Schweizer UBS (62,4 Mrd.). Im Vergleich mit den österreichischen Banken liegt die Credit Suisse beispielsweise noch vor der RBI (5,1 Mrd.) und der BAWAG (4,2 Mrd.), aber hinter der Erste Group (14,3 Mrd.).

Gerüchte über eine mögliche finanzielle Schieflage der Bank hatten im vergangenen Jahr reale Folgen: So zogen Kunden netto mehr als 123 Mrd. Franken ab. Zudem rügte die Aufsicht zuletzt das Risikomanagement und Teile der Finanzberichterstattung.