Präsident der Industriellenvereinigung Georg Knill © APA - Austria Presse Agentur
Aus Industrie-Sicht wird in Österreich zu wenig gearbeitet. Immer mehr Köpfe leisteten immer weniger Stunden. Vor allem die 1,2 Mio. Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse, 31 Prozent aller Jobs, belasteten den Sozialstaat, da weniger Beiträge geleistet werden. Industrie-Präsident Georg Knill fordert nun einen Fixbetrag, um Vollzeitarbeit zu attraktivieren. Zudem will er das Pensionsantrittsalter nun schrittweise auf 68 Jahre steigern. SPÖ und Gewerkschaften sind dagegen.
Etwa anhand eines Durchschnittswertes der Mindestkollektivverträge für Vollzeitbeschäftigung könne ein Mindestbetrag für die Teilzeit-Dienstverhältnisse lanciert werden, schlug Knill am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien vor. In der Schweiz und in Rumänien gebe es beispielsweise solche Regelungen. "Das wäre ein pragmatischer und gerechter Zugang", sagte der Industrielle.
"Aufgrund der Branchendifferenzierung durch die Kollektivverträge wird man als Bemessungsgrundlage für einen Mindest-SV-Beitrag die Mindestlöhne für eine Vollzeitbeschäftigung heranziehen müssen", konkretisierte Knill gegenüber der APA. Damit wird zusätzliche Gerechtigkeit im System hergestellt, so kann auch auf die unterschiedlichen Lohnniveaus in den Branchen und deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eingegangen werden."
Attraktivität der Vollzeitarbeit soll steigen
Zwei Drittel der Teilzeit basiere auf einer freiwilligen Entscheidung, sagte Knill. Es sei auch absolut legitim für die Menschen, sich das auszusuchen. Aber sie müssten aus seiner Sicht mehr als bisher in den Sozialversicherungstopf einzahlen. Schließlich bekämen sie die gleichen Leistungen wie Vollzeitbeschäftigte. Gleichzeitig würde so die Attraktivität von Vollzeitarbeit steigen, so der IV-Chef über eines der übergeordneten Ziele. Die Senkung des Einstiegssteuersatzes auf 20 Prozent habe Teilzeit zuletzt aber nochmals attraktiviert.
Für jenes Drittel, das aufgrund von Kinderbetreuungspflichten Teilzeit arbeiten müsse und das nicht freiwillig tue, gehörten mehr Betreuungseinrichtungen geschaffen. Dann würden auch aus dieser Gruppe mehr Menschen potenziell Vollzeit arbeiten können.
Neuer Pensionsvorschlag
Doch auch die Lebensarbeitszeit ist der IV zu gering. Dabei geht es um die Pensionen, die aus ihrer Sicht in Österreich allzu früh angetreten werden. Nachdem Knill mit seinem Vorschlag das Antrittsalter auf 70 Jahre zu erhöhen weithin auf Granit biss, nannte er am Dienstag einen neuen "pragmatischen Zugang" zu einer Erhöhung, "bei dem der Vertrauensschutz aufrecht bewahrt" werde.
Der Vorschlag lautet: Ab 1. Jänner 2034 - dem Datum an dem das Frauen-Pensionsantrittsalter jenem der Männer von 65 Jahren angepasst wird - solle das allgemeine Pensionsantrittsalter bis 2040 pro Jahr um ein halbes Jahr von 65 auf 68 Jahre gesteigert werden. "Das wäre aus meiner Sicht heute eine nachhaltige Politik. Das trifft meine und folgende Generationen, nicht die jetzige oder baldige Pensionisten", sagte der 52 Jahre alte Knill.
FPÖ, SPÖ, Grüne und Gewerkschaften alarmiert
Umgehend zeigten sich heute Teilgewerkschaften und die SPÖ alarmiert ob des neuerlichen Knill-Vorstoßes. Als "realitätsfern und zynisch" bezeichnete Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, die Vorschläge Knills. "Die Pensionshöhe und viele weitere Versicherungsleistungen sind abhängig vom eingezahlten Beitrag", argumentierte Teiber, die auch SPÖ-Abgeordnete zum Nationalrat ist. "Wer weniger verdient, weil er weniger arbeitet, bekommt auch weniger." Ähnliche Kritik kam Pro-Ge-Chef Reinhold Binder und von FSG-Chef Josef Muchitsch (beide SPÖ, letzterer Sozialsprecher und auch Chef der Gewerkschaft Bau/Holz).
FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch ortete in den Knill-Vorschlägen "ungeheuerliche Aussagen" und "Vorboten einer von der ÖVP angedachten weiteren Ausbeutung all jener, die in Österreich Steuern zahlen, ihre Verwandten pflegen und Familien gründen". Dass laut Knill künftig auch Teilzeitbeschäftigte, oft Frauen mit Betreuungspflichten, Zwangsbeiträge nach Vollzeitmaßstab zahlen sollen, ist für Belakowitsch ein "sozialpolitischer Irrsinn. Denn diese Forderung ist nicht nur ungerecht, sondern geradezu zynisch. Wer Kinder großzieht oder Angehörige pflegt, leistet enorm viel für unsere Gesellschaft - und genau diese Menschen dürfen dafür nicht auch noch bestraft werden."
"Simple Antworten auf komplizierte Probleme sind kein lösungsorientierter Beitrag", hieß es von Markus Koza, Sozialsprecher der Grünen, "zur verbalen Dauerschleife von IV-Präsident Knill". "Ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter hilft ganz genau gar nichts, wenn Knill und seine Industriellen-Freund:innen Menschen ab 55 Jahren keine oder nicht entsprechend alternsgerechte und geeignete Jobs mehr geben." Darüber wollte auch Muchitsch mit Knill beraten - nämlich wie man Menschen auch in den einzelnen Industriebranchen mit mehr als 60 Jahren in Beschäftigung halten könne. Koza weiter: "Höhere Sozialversicherungsbeiträge für Teilzeitbeschäftigte bringen auch nicht mehr Vollzeitbeschäftigte, wenn es nicht ausreichend ganztägige und kostenfreie Betreuungseinrichtungen für Kinder sowie professionelle Betreuungsangebote für pflegebedürftige Menschen gibt."