Thyssenkrupp hat vom indischen Konkurrenten Jindal Steel International überraschend eine Übernahmeofferte für seine Stahltochter Thyssenkrupp Steel Europe erhalten. "Der Vorstand der Thyssenkrupp AG wird dieses Angebot - insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit, die Fortführung der grünen Transformation sowie die Beschäftigung an unseren Stahl-Standorten - intensiv prüfen", teilte das Unternehmen am Dienstag mit.
Nähere Einzelheiten nannte der Konzern nicht. Die Aussicht, dass es möglicherweise eine Lösung für die seit Jahren kriselnde Sorgensparte von Thyssenkrupp geben könnte, trieb die Aktien des Essener Konzerns mehr als sieben Prozent nach oben.
"Grüner Stahl" in Europa
Jindal Steel International ist Teil der familieneigenen Naveen Jindal Group (Jindal), die über Unternehmen in Europa, Asien, Afrika und im Nahen Osten verfügt. Man verspreche "eine Kombination aus finanzieller Stärke, globaler Stahlkompetenz und einer klaren Vision für die Dekarbonisierung sowie eine wettbewerbsfähige Stahlproduktion in Deutschland", warben die Inder für das unverbindliche erste Angebot. Jindal glaube an die Zukunft einer grünen Stahlproduktion in Deutschland und Europa. Der Konzern habe ein zukunftsweisendes Konzept für Thyssenkrupp Steel vorgestellt, das dazu beitragen könne, die Dekarbonisierung finanziell tragbarer zu gestalten. Der Plan würde die Stahlproduktion in Deutschland sichern und neue Geschäftsmöglichkeiten schaffen. Das Angebot sehe unter anderem vor, das Projekt für eine umweltfreundliche Stahlerzeugung in Duisburg fertigzustellen und dort zusätzlich für mehr als zwei Milliarden Euro Lichtbogenofen-Kapazitäten zu schaffen.
Arbeitnehmer sehen Deal positiv
Die Gewerkschaft IG Metall begrüßte die Ankündigung. "Dass ein wachstumsorientierter Stahlkonzern wie Jindal Steel International als strategischer Investor bei Thyssenkrupp Steel einsteigen will, ist grundsätzlich eine gute Nachricht für unsere Beschäftigten", sagte der zweite Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssenkrupp AG, Jürgen Kerner. Jindal Steel verfüge über einen eigenen Zugang zu Rohstoffen und Know-how in der grünen Transformation. Jetzt komme es darauf an, zügig in substanzielle Gespräche einzusteigen, um möglichst schnell Klarheit über die wichtigsten offenen Fragen zu erlangen. "Die Arbeitnehmerseite ist bereit, sich konstruktiv an dem Prozess zu beteiligen."
Der Vorstoß der Inder könnte die Karten für die Zukunft der Stahlssparte neu mischen. Thyssenkrupp-Chef Miguel López hatte vergangenes Jahr 20 Prozent an der Stahltochter an eine Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky verkauft mit der Option, weitere 30 Prozent abzugeben, um ein 50:50-Joint-Venture zu bilden. Die Zukunft der Stahlsparte ist seit Jahren ungewiss. Überkapazitäten sollen abgebaut werden. Zudem sollen bis zu 11.000 der rund 27.000 Stellen gestrichen oder ausgelagert werden.
(APA)