AI Act der EU beruhigt nicht alle Unternehmen © APA - Austria Presse Agentur

Die EU hat mit dem AI Act das weltweit erste umfassende Regelwerk zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) vorgelegt, das Grundrechte sichern und Innovation fördern soll. Aus Teilen der Wirtschaft gibt es die Sorge, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Ländern, insbesondere den USA, zu verlieren. Technologierechtsexperte Lutz Riede glaubt, dass Unternehmen langfristig von den europäischen Spielregeln für KI profitieren werden, da sie für mehr Rechtssicherheit sorgen.

"Weltweit besteht zumindest weitgehend Konsens, dass Künstliche Intelligenz reguliert werden soll - das Wie ist eine hochumstrittene Frage", sagte Riede im APA-Gespräch. Einigkeit besteht vor allem in der Frage der Transparenz: Für die Nutzerinnen und Nutzer muss erkennbar sein, wenn sie es mit Künstlicher Intelligenz zu tun haben. "Transparenz ist ein klarer Trend in dem Bereich, das teilt die KI-Verordnung auch mit den Regulierungsansätzen in den USA und anderen Jurisdiktionen". Kritik aus Teilen der Wirtschaft, dass eine Überregulierung drohe und die neuen EU-Regeln das Angebot oder die Nutzung von KI-Anwendungen erheblich erschweren würden, relativierte der Jurist, denn: "Die KI-Verordnung reguliert sehr viel nicht".

Der AI Act ("Artificial Intelligence Act") verfolgt einen risikobasierten Ansatz, sprich, je gefährlicher der Anwendungsbereich, desto strenger die Regeln. Die strengsten Auflagen gelten nur für sogenannte Hochrisikosysteme, darunter fallen zum Beispiel KI-Systeme zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit. Weniger riskante KI-Anwendungen wie etwa Chatbots müssen vor allem Transparenzregeln erfüllen. Die große Mehrheit der KI-Systeme dürfte in die niedrigste Risikokategorie fallen und keinen neuen Regeln unterliegen, geht aus einer Folgenabschätzung der EU-Kommission hervor. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Videospiele oder Spam-Filter.

"Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich hat an sich schon etwas Innovationsförderndes", sagt Riede, der bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields tätig ist. Positiv bewertet der Experte, dass es mit dem AI Act nun eine innerhalb der EU einheitlich und unmittelbar geltende Regelung gibt. Das sei gerade für international tätige Unternehmen wertvoll, da so ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen vermieden und die gleichen Spielvoraussetzungen ("level playing field") geschaffen würden, was "langfristig innovationsfördernd" sei.

"Insgesamt gibt es aber noch viele Kritikpunkte, viel Kritik auch zurecht", sagt Riede. So gebe es offene Schnittstellen zu anderen Gesetzen, beispielsweise der DSGVO, die in der Rechtsanwendung den Unternehmen überlassen bleiben und so wieder zu Rechtsunsicherheit führen könnten. Im Vorfeld habe es lange Verhandlungen gegeben, der endgültige Gesetzestext von mehreren hundert Seiten sei das Ergebnis von Kompromissen und zähem Ringen.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher werde es Beschwerdemöglichkeiten bei den zuständigen Behörden geben, "die unter öffentlichem Druck stehen werden, effizient zu regulieren", so Riede. Das Verbraucherschutzrecht und die von Konsumentenschutzorganisationen durchgesetzten Ansprüche werden auch im Zusammenhang mit KI eine große Rolle spielen, glaubt der Experte. "Ich gehe davon aus, dass sich der VKI und die Arbeiterkammer sehr genau anschauen werden, was in den Nutzungsbedingungen der KI-Anbieter steht." Haftungsfragen sind im AI Act ausgeklammert, dazu wird derzeit eine Richtlinie diskutiert, die mit Beweiserleichterungen und Vermutungsregeln die Durchsetzung von Ansprüchen für Nutzer von KI-Systemen erleichtern soll.

Die EU-Verordnung zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz ist mit 1. August 2024 in Kraft getreten, ab Februar 2025 werden die ersten Regeln für Unternehmen verpflichtend. Für KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck (wie z.B. ChatGPT) gelten gesonderte Regeln mit zusätzlichen Dokumentations- und Nachweispflichten, die ab August 2025 gelten sollen. Der Großteil der neuen Bestimmungen wird ab August 2026 schlagend. Bei Verstößen müssen Unternehmen mit Strafen von bis zu 35 Mio. Euro oder sieben Prozent ihres weltweiten Gewinns rechnen.

Einige Gerichte sind bereits mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Allerdings seien die meisten Verfahren dazu derzeit noch in den USA oder Großbritannien anhängig, in der EU hätten sich die Gerichte bisher nur fallweise damit befasst, so Riede. Ein heiß diskutiertes Feld ist dabei das sogenannte Scraping von Daten zu Trainingszwecken. Dabei geht es etwa um die Frage, ob KI-Systeme mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechteinhaber lernen dürfen. Wie die Lösungen dafür aussehen werden, das werden auch "die Gerichte mitentscheiden".