Die US-Notenbank Federal Reserve könnte im September zum ersten Mal seit den Anfangstagen der Corona-Pandemie die Zinsen senken. Fed-Chef Jerome Powell schränkte zwar ein, dass dafür die Wirtschaftsdaten stimmen müssten. Zugleich sprach er die Möglichkeit aber ausdrücklich an. Bei ihrer Sitzung am Mittwoch beließ die Federal Reserve den Leitzins noch auf dem höchsten Niveau seit mehr als 20 Jahren mit einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent.

Powell betonte, dass dabei auch über Argumente für eine Senkung schon jetzt diskutiert worden sei. Zugleich hielt er sich mit Blick auf die Zukunft bedeckt: Er könne sich für den Rest des Jahres mehrere Zinssenkungen vorstellen - oder gar keine. Die Fed werde die Daten analysieren und von Sitzung zu Sitzung entscheiden.

Die Notenbanker müssen einen Balanceakt hinbekommen. Senke man die Zinsen zu früh oder zu stark, könne die Inflation wieder aufflammen, betonte Powell. Lockere die Fed hingegen die Geldpolitik zu spät oder zu zaghaft, könne dies Konjunktur und Arbeitsmarkt schwächen. Dieses Risiko sei "jetzt real", sagte der Notenbank-Chef. In den vergangenen Jahren stand hingegen die rasante Inflation im Fokus.

Zu dem Zinssatz der Fed können sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld leihen. Damit macht eine Zinssenkung auch Kredite für Verbraucher und Unternehmen billiger. Die zuletzt hohen Zinssätze bremsten entsprechen Käufe von Häusern und Autos. Selbst bei Investitionen in Start-ups wurden Geldgeber zuletzt wählerischer als zu Zeiten billigen Geldes. Powell bekräftigte in den vergangenen Monaten zugleich immer wieder, wie gefährlich hohe Inflation sei, weil sie die Kaufkraft aushöhle und ärmere Menschen besonders hart treffe.

Die Federal Reserve hatte den Leitzins zuletzt im März 2020 gesenkt - um die Wirtschaft in der beginnenden Corona-Pandemie anzukurbeln. Danach blieben die Zinsen zunächst an der Null-Marke - bis die Fed im März 2022 mit Erhöhungen in rekordverdächtigem Tempo begann und den Zinssatz vor einem Jahr auf das aktuelle Niveau hochschraubte.

In den USA schwächte sich der Preisauftrieb zuletzt ab. Das gibt der Federal Reserve grundsätzlich mehr Handlungsspielraum für Zinssenkungen. Zugleich gibt es Zeichen dafür, dass sich die Wirtschaft in einigen Bereichen abkühlt - und zur Anregung niedrigere Zinsen gut gebrauchen könnte. Unter anderem bei den Verbraucherausgaben - dem Motor der US-Wirtschaft - gab es in den vergangenen Monaten einige Alarmzeichen.

Viele Analysten hielten schon seit einiger Zeit eine Zinssenkung bei der nächsten Fed-Entscheidung im September für wahrscheinlich. Powell schmetterte nach der Zinsentscheidung die Journalistenfrage ab, ob eine Absenkung gleich 0,5 Prozentpunkte betragen könnte. Über solche Details denke man bei der Fed aktuell gar nicht nach.

Wenige Monate vor der Präsidentenwahl versuchte Ex-Präsident Donald Trump bereits, Zinsentscheidungen zu politisieren. So behauptete er, die Fed dürfe die Zinsen nicht vor der Wahl im November senken, weil dies die Stimmung zu Gunsten der aktuellen Regierung des demokratischen Präsidenten Joe Biden verbessern würde. Trump will für die Republikaner ins Weiße Haus zurückkehren.

Powell versicherte dazu, die Fed sei unabhängig und würde ihre Macht nie nutzen, um eine Partei oder einen Politiker zu unterstützen oder zu untergraben. Trump hatte in seiner Zeit als US-Präsident Powell für die erste Amtszeit als Fed-Chef nominiert, ihn danach aber wegen Zinserhöhungen kritisiert. In einem Interview im Februar sagte er, er würde Powell nicht noch einmal nominieren.

(APA)